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in Gang zu setzen. Gerade unser ständiges Verweilen in imaginären Scheinwelten und dieLoslösung von den Dimensionen unmittelbarer Erfahrung verleiht den Abstraktionen, denen wir nachjagen, eine solch fesselnde Macht über unser Leben. Betroffenheit kann Handlungsbereitschaft aktivieren, doch damit sie wirksam werden kann, ist Wissen erforderlich. Nun stellt sich jedoch die Frage nach der Qualität eben dieses Wissens. Wie viel Wissen über Umweltgefahren ist notwendig, um Menschen zum Handeln zu veranlassen. So tun Menschen bei gravierenden Umweltschäden, wie der schleichenden Trinkwasservergiftung durch Pestizide und andere Umweltgifte oft relativ wenig, während auf - gesamtökologisch betrachtet - eher kleinere Schäden - wie zum Beispiel die Verunreinigung eines Badesees durch Fäkalien und Überfütterung - vergleichsweise heftig reagiert wird.

      Hinzu kommen das Problem der Zuschreibung von Verantwortlichkeit und der Umfang individueller Handlungsmöglichkeiten.[53] Ein besonders heikler Punkt ist die Zeitdimension zwischen einer umweltbezogenen Handlung und der erfahrbaren Rückwirkung der Natursysteme auf die menschliche Sphäre. So liegt die Zeit des hauptsächlichen Einflusses von Flurkohlenwasserstoffen (FCKW) in der Atmosphäre erst im Zeitraum von mehr als zehn Jahren nach ihre Herstellung bzw. Emission. Die Amtszeiten politischer Entscheidungsträger betragen vier Jahre, die Amortisationszeiten für größere Investitionen liegen vielleicht bei 5-7 Jahren.[54] Handlung und Handlungsfolgen, Verursacher und Geschädigter drohen im anonymen Getümmel zwischen Harmlosigkeitsbeteuerungen, vollmundigen Sicherheitsversprechen und einsamer Gefahrenwarnung sich wie Nebel ins Nichts zu zerstreuen.

      Die etablierten Regeln der Zuordnung von Kausalität und Schuld versagen, weil sie der Komplexität der Handlungs- und Verantwortungslinien der modernen Industriegesellschaft immer weniger gerecht werden. Die bestehenden Beweislasten sind extrem ungleich verteilt. Großgefahren sind auch kraft technisch-medizinischer Autorität oft nicht eindeutig fassbar und gegen den Normalfall abzugrenzen. Sie werden zur Angelegenheit aller, aber letztlich fühlen sich doch nur wenige persönlich zum Handeln veranlasst. Die Hilflosigkeit auf das Ganze gerichteter Handlungsorientierung manifestiert sich dann in Vertröstungsformel wie jeder einzelne muss ... oder die Gesellschaft muss oder einfach des man sollte ... Die Welt, schreibt Beck (1988, S.19f).,

       „... ist zum Experimentierfeld riskanter Technologien geworden, das heißt zu einer potentiellen Widerlegung der Sicherheitsversprechen staatlicher, wirtschaftlicher, technischer Autorität (...) Politik, Recht und Verwaltung haben die Sicherheitskonstruktionen von Industrie und Technikwissenschaft 'verinnerlicht' und verspielen nun mit dem Aufbrechen des Jahrhundertfehlers in der sie leitenden, technikzentrierten 'Sicherheitsphilosophie' ihre Autorität.”

      In diesem Widerspruch zwischen dem Versagen etablierter Zurechnungsregeln von Kausalität und Schuld einerseits und wachsenden Gefahren und ihrer Anonymisierung andererseits zeigt sich die tiefe Krise menschlichen Herrschaftswissens, bis hin zur Selbstwiderlegung wissenschaftlicher Rationalität. Risikokalküle können in die verschiedensten Richtungen ausgelegt werden. Am Ende steht dann die Logik Kopf: Atomkraftwerke müssen gebaut werden, bevor und damit ihre Sicherheit überprüft und erforscht werden kann. Beck sieht folglich im Fortschritt der Risikowissenschaft den Niedergang wissenschaftlicher Sicherheitsautorität.

      Die Krise der Umwelt ist die Krise der Herrschaft des Menschen über die Natur und damit die Krise der vor allem auf Herrschaftswissen gegründeten westlichen Lebensform. Der Westen hat kaum eine Kultur der inneren Erfahrung entwickelt, wie sie die Gestalt der östlichen Lebensform so entscheidend geprägt hat. Im Osten hat Heilswissen immer einen höheren Rang als Herrschaftswissen genossen. Das Verhältnis zur äußeren Natur war hauptsächlich dialogisch-symbolisch, während es sich im Westen im Entwicklungsverlauf der industriellen Nischenstrategie immer mehr zum herrschaftlich-destruktiven hin gewandelt hat. Doch wie sich Odysseus einst von seinen Seeleuten an den Mast seines Bootes fesseln ließ, um den Sirenen lauschen zu können, ohne von ihrem betörendem Gesang an die Felsbrandung gelockt und dort zerschmettert zu werden, so schlug in Europa die archaische Ethik unmittelbarer Sinnlichkeit um, in eine subjektfeindliche und objektfixierte, die Akkumulation und Besitz prämiert. So wendet sich die odysseische List, die ozeanische Hingebung an das Andere der Natur mit der Selbstbewahrung des gefesselten Egos verknüpfen wollte, am Ende doch gegen den Erfinder.

      Wir können das Dilemma der ökologischen Zivilisationskrise ohne Bezug auf diese Selbstentfaltungsmomente des Ego nur sehr bruchstückhaft erklären. Was wir nach tiefenökologischer Überzeugung brauchen ist ein neues Konzept eben dieses Selbst. Das ich-brauche, ich-will-Ego des um Autonomie ringenden Kindes muss einem Selbst weichen, das seine umfassenden Verwirklichungsmöglichkeiten vor allem im Zusammenhang und in Verbindung mit den Verwirklichungsmöglichkeiten anderer Menschen und Spezies sucht. Über Wege, Strategien und Ziele ökologischer-ökonomischer Systemsteuerung sprechen, heißt immer, auch das Konzept des die Welt zentrierenden Selbst zu reflektieren. Alle Konzepte, Vorschläge und Modelle des ökologischen Umgangs mit Situationen verweisen immer zugleich auf einen tieferen Bereich, nämlich auf die Ebene unserer existentiellen Grundstruktur und die Frage der rechten Lebensführung.

      Im Folgenden werden zunächst einige Überlegungen zum begrifflichen Bezugsrahmen des hier entwickelten ökologischen Wirtschaftskonzepts angestellt und die Grundzüge eines nachhaltigen Wirtschaftsmodells kurz skizziert. Kapital III richtet den Blick dann auf die Geschichte der Wirtschaftsweisen und untersucht die Entstehung und Entfaltung historischer Wirtschaftsformen im Hinblick auf ihren nachhaltigen bzw. stationären Charakter. Dabei wird sich zeigen, dass die Menschheit im überwiegenden Teil ihrer Geschichte nachhaltig gewirtschaftet hat und dass erst der Industrialismus als jüngster Ableger am Zweig der menschlichen Wirtschaftsgeschichte eine Herrschaft des Anorganischen und Synthetischen über das Organische und Naturgeschaffene errichtet hat. Mit der nischenspezifischen Strategie dieses Ablegers wird sich dann in Kapitel IV unter besonderer Berücksichtigung des Phänomens der Entropie auseinandergesetzt. Die Kapitel V, VI und VII thematisieren daran anknüpfend den Zusammenhang von Natur und menschlicher Arbeit mit den Wertbegriffen der Ökonomie. Dabei werden unter anderen die Bedeutung sprachlicher Abstraktionen in Bezug auf die menschliche Naturaneignung diskutiert sowie einige Möglichkeiten skizziert, die sich aus der Verwendung nicht-monetärer Messgrößen zur Erfassung und Regulierung ökonomischer Aktivitäten ergeben. Zum Schluss wird dann das Modell einer zukünftigen, nachhaltigen und vorsorgenden Wirtschaftsweise in Abgrenzung vom idealtypischen Erscheinungsbild der dynamischen Wachstumswirtschaft beschrieben.

      II. Rückbindung an die Lebensprozesse: Das neue Paradigma der Bioökonomie

      Veränderung beginnt im Denken und Fühlen. Scheinbar Bekanntes wird neu wahrgenommen und in neue Begriffe gefasst. Im gesellschaftlichen Zusammenleben, in gemeinsamer Arbeit, in Kommunikation und Interaktion formiert sich schließlich aus den Ideen in den Köpfen die gesellschaftliche Realität als sozial konstruierte Wirklichkeit.[55] Im Prozess der Konstruktion sozialer Wirklichkeit kommt den wissenschaftlichen Erklärungsmodellen von Natur und Gesellschaft ein besonderer Stellenwert zu. Wissenschaftliche Theorien und Aussagensysteme steuern maßgeblich den Modus des nischenstrategischen Handelns und genießen dabei zumeist den Status wertfreier Objektivität. Leider wird oft vergessen, dass auch wissenschaftliche Erkenntnisinteressen von subjektiven Nutzenabwägungen ausgehen und in ihren Begriffsschöpfungen – zumindest in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften – zu großen Teilen auf phänomenale Wahrnehmungen der Alltagswirklichkeit zurückgehen. In Phänomene wissenschaftlicher Wahrnehmung gehen daher Elemente subjektiver Erfahrung und sozialer Wertung mit ein. Viele Vertreter der reinen Wissenschaft lassen aber diese Tatsache gern unter den Tisch fallen und gebrauchen ihre vermeintlich wertfreien Theorien oft in krypto-normativer Absicht, wobei die Begleitumstände des Erkenntnisprozesses dann mit dem Dunsthauch der Objektivität vernebelt werden. Wissenschaftliche Erkenntnisprogramme, die den Anspruch auf Übereinstimmung mit den Tatsachen formulieren, sollten eigentlich nicht umhinkommen, diese Begleitumstände wissenschaftlicher Wahrnehmung hinsichtlich der Gültigkeit und der Verallgemeinerbarkeit ihrer Aussagensysteme zu reflektieren. Herman E. Daly[56] spricht von der voranalytischen Vision, die jeder wissenschaftlichen Analyse zugrunde liegt und die bereits wesentliche Elemente der Problemlösung in sich birgt.

      Sogar J.M. Keynes glaubte, dass die Analogiebildung als ein wichtiges

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