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Veränderungen in der strategischen Orientierung kann die Entwicklung von Ökosystemen in zwei typische Stadien aufgeteilt werden: in die frühe Besiedelungs- oder Kolonisierungsphase, auf die später die Reife- oder klimaktische Phase folgt. In der ersten, der Kolonisierungsphase liegt das Schwergewicht auf quantitativem Wachstum und der Produktion maximaler Biomasse. Hierzu werden alle verfügbaren Energiereserven genutzt. In der zweiten, der klimaktischen Phase, dem Stadium eines reifen Ökosystems, schlägt die Quantität in Qualität um: das Ziel schnellen Wachstums wird durch das Verhaltensziel Stabilität ersetzt. Protektion, das heißt der Schutz und die Sicherung des Systemerhalts rangieren jetzt vor dem Ziel maximaler Produktion.[38]

      Die Erforschung der Sukzession von Ökosystemen lässt noch eine Reihe von Fragen offen. So ist unklar, ob ökologische Systeme auch Alterungsprozessen unterworfen sind, vergleichbar solchen, wie sie in biologischen Organismen ablaufen. Auch die Zusammenhänge von Artenvielfalt und Stabilität sind unter den Fachwissenschaftlern umstritten. So wird zum Beispiel auf die sibirische Taiga als stabiles Ökosystem bei nur geringem Artenreichtum verwiesen. Nur durch genaue Beobachtung und korrekte theoretische Verallgemeinerung lässt sich bestimmen, was als allgemeiner Entwicklungsverlauf und was als überall vorkommende Ausnahme oder extreme Abweichung anzusehen ist. In der amerikanischen ökologischen Literatur, die auf einer längere Tradition zurückblicken kann, findet sich fast durchgehend die Ansicht, dass Stabilität, Artenvielfalt und Komplexität der Lebensbeziehungen einander positiv begünstigen.[39] So zeigt das Beispiel des tropischen Regenwaldes, wie eine ungeheure Vielfalt von Lebewesen sich zu einem System von hoher innerer Stabilität zusammenfindet, der jedoch, einmal abgeholzt oder brandgerodet, nur noch wenigen Arten Lebensraum bietet und sodann rascher Bodenerosion und folgender hoher Instabilität unterworfen ist.

      In diesem Buch wird der Versuch unternommen, das Modell der ökologischen Sukzession auch auf die historische Entwicklung von Wirtschaftsweisen und insbesondere die Herausbildung der industriellen Wachstumswirtschaft anzuwenden. Dabei wird das klimaktische Stadium eines entwickelten Ökosystems mit der Perspektive einer nachhaltigen Wirtschaftsgesellschaft in Beziehung gesetzt, in der Stabilität und Qualität Vorrang vor quantitativen Wachstum genießen. Aus der Sicht zunfttreuer Ökologen sind solche Betrachtungsweisen streng verpönt. Man wittert hier den Versuch, mit den Ergebnissen moderner Forschung einen Machtanspruch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit entsprechender ethischer Postulate zu begründen.[40] Tatsächlich aber hat das Denken in Analogien und vergleichenden Metaphern bisher überall dazu gedient, komplexe Beziehungsmuster auf überblickbare mentale Modellwelten zu reduzieren. Die Bildung mentaler Modelle auf der Basis von Analogien bildet geradezu ein grundlegendes operatives Schema des menschlichen Geistes. Dabei sollte man allerdings nie vergessen, dass die Landkarte, die wir von der Wirklichkeit zeichnen und die uns Sicherheit und Orientierung verschaffen soll, eben nur eine Karte, ein Bild, aber nicht die Wirklichkeit selbst ist. Dieser generellen Orientierungsstrategie des Geistes ist durch ein fachwissenschaftlich verordnetes Analogiebildungsverbot nicht beizukommen. Faktisch werden heute überall Resultate der ökologischen Forschung und daraus hervorgegangene allgemeine Prinzipien von Wissenschaftlern und Autoren verschiedenster Fachgebiete verwendet, um gesellschaftliche Prozesse und Strukturen der menschlichen Psyche zu analysieren. Manche Autoren scheuen dabei leider nicht davor zurück, einerseits strikt zu verkünden, dass aus dem Vorhandensein ökologischer Grenzen keine positiven Organisationsmaßnahmen abgeleitet werden können, während ihre eigenen Konzepte jedoch ständig auf ökologische Erklärungsmuster zurückgreifen. Oder der Bogen der Interpretationsbreite wird erheblich überdehnt, so dass ökologischen Gesichtspunkten faktisch nur noch die Funktion der naturalistischen Weihe von Ansichten zu kommt, die zu dem originären Gegenstand der Ökologie nur noch eine ganz periphere Beziehung aufweisen. Ein Beispiel hierfür ist H. Bonus[41], der jeden immanenten Zusammenhang zwischen industriell-kapitalistischer Wirtschaft und Umweltkrise leugnet, die kapitalistische Marktwirtschaft zur ökologienahen Wirtschaftsweise par exellance erklärt und den kapitalistischen Gütermarkt und die Natur durch strukturell gleiche Prinzipien gesteuert sieht. Leider ist die Popularität des Ökologiebegriffs heute bisweilen sehr irritierend, zumal er oft ungenau und als Sammelsuriums-Kategorie gebraucht wird.

      Über die Angemessenheit einer jeweiligen Analogiebildung kann folglich nur ganz konkret entschieden werden. Im Übrigen sind die strukturellen Analogien zwischen den Entwicklungsmustern von natürlichen und sozialen, gesellschaftlichen Systemen schon sehr früh erkannt worden. So haben die Pioniere der amerikanischen Sozialökologie schon seit den frühen zwanziger Jahren die anhand der Abläufe in ökologischen Systemen erkannten Gesetzmäßigkeiten genutzt, um Fehlentwicklungen in den sozialen Strukturen der Gesellschaft aufzudecken und durch eine Rückbesinnung auf universelle und umgreifende Entwicklungsgesetze zu therapieren. Die Sozialökologie befasst sich mit der Untersuchung von Form und Entwicklung der menschlichen Gemeinde und verwendet dabei auch die Begriffe der Dominanz und Sukzession. Mit letzterer wird dabei, anknüpfend an die biologische Ökologie, der nacheinander erfolgende Austausch von Bevölkerungen in einem gemischten Gebiet beschrieben: „Auch die(se) Entwicklung kulminiert in einer Klimaxphase, in der die Bevölkerung so gut an die Umwelt angepasst ist, dass sie ihre Kontrolle über das Gebiet unbegrenzt aufrechterhalten kann.”[42] Nicht nur Sozialwissenschaftler, auch physische Anthropologen verwenden ökologische Begriffe in ihren Untersuchungen über die menschliche Entwicklung, ohne jedoch eine formale Definition des Gegenstandes zu geben. Wenn es auch scheint, als habe die Ökologie nur eine einzige Herkunftsquelle, so kann sie doch auf unterschiedliche Kontexte zurückblicken. Schon seit ihrer Entstehung machen Soziologen und andere Wissenschaftler bei den unterschiedlichen Begriffsbildungen der Pflanzen- und Tierökologen Anleihen für ihre eigenen Konzeptionen. Die Möglichkeit erweiterter Anwendungen ist im Übrigen in der Ökologie selbst angelegt. Es gibt nämlich bis heute noch keine allgemein verbindliche und anerkannte Typologie und Klassifikation von Ökosystemen.[43] So bestehen auch hinsichtlich der maximalen Größe von Ökosystemen keine Beschränkungen. Wenn schon übereinstimmend das Weltmeer als zusammenhängendes globales Ökosystem betrachtet wird, warum dann nicht den gesamten Erdball als riesiges Ökosystem auffassen, das in die Energieströme des Kosmos eingebettet und auf externe Energiezufuhr durch die Sonne angewiesen ist, im Prinzip jedoch von den gleichen Steuerungsprinzipien reguliert wird, wie jedes kleinere, abgegrenzte Ökosystem auch. Diese Sichtweise dürfte auch bei dem Bild der Erde als riesiges Raumschiff Pate gestanden haben, wie es der amerikanische Ökonom Kenneth E. Boulding schon zu Beginn der siebziger Jahre gezeichnet hat.[44] Boulding beschreibt den Planeten als geschlossenes System mit beschränkten Vorräten an Brennstoffen und Energie. Er fordert eine Wirtschaftspolitik, die diesem Bild entspricht, das heißt der Begrenztheit der Ressourcen Rechnung trägt und die Erde als die Lebensnische des Menschen zu erhalten bestrebt ist. Die herrschende Wachstumswirtschaft nennt er eine Cowboy-Ökonomie, für die allein hohe Produktions- und Konsumraten und eine wachsende Einsatzmenge der Produktionsfaktoren die Kriterien des Erfolgs sind. Der Cowboy-Ökonomie stellt er die Spacemen-Ökonomie gegenüber, in der das Bewahren der Natur wichtiger ist als hohe Raten von Produktion und Verbrauch und die daher auf einem sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen besonderen Nachdruck legt.

      Die ökonomischen Aktivitäten der Menschen können in ihren verschiedenen Ausprägungen als nischenspezifische Strategien gesehen werden, die im Kern alle auf das Ziel ausgerichtet sind, Lebensmöglichkeiten im globalen ökologischen System zu erhalten und zu erweitern. Im Folgenden wird die Entwicklung der industriellen Wachstumswirtschaft mit der Kolonisierungsphase eines Ökosystems in Beziehung gesetzt und die klimaktische Phase eines reifen und stabilen Ökosystems mit der Perspektive einer nachhaltigen und post-industriellen Wirtschaftsordnung und Lebensweise verknüpft. Während die koloniale Pioniergesellschaft durch hohe Geburtenraten, hohe Wachstumsraten und hohe Profite sowie eine massive Ausbeutung der natürlichen Ressourcen bestimmt ist, herrschen in der klimaktischen Gesellschaft ausgeglichene Geburtenraten, symbiotische Beziehungen zwischen den Lebewesen, weitestgehendes Recycling von Rohstoffen und eine Gleichgewichtsstrategie in allen Beziehungs-Netzwerken. Gleichgewicht in solchen Systemen bedeutet jedoch kein statisches, sondern ein kybernetisches Gleichgewicht, durch das eine einmal entwickelte Systemstruktur beim Durchlauf von Materie und Energie unterhalten wird. Industrielle Wachstumsökonomien bringen solche Gleichgewichtsstrukturen nur sehr zeitweilig zustande. Im Kern handelt es sich um permanent Instabilitäten erzeugende Systeme. Um die Gefahr des Kollabierens zu umgehen,

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