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der Almabtrieb war hier schon immer mit Volksfesten und Bierzelten verbunden. Sowas heißt dann Kultur.

      NIEDERSONTHOFENER SEE

      NIEDERSONTHOFENER SEE

      Der nächste See, den ich ansteuerte, war der Niedersonthofener See, nur 135 Hektar groß, von uns damals der Niederhofener Sondersee genannt. Internet hatte angegeben: Segelclub mit Wasser-Rampe auf der „Insel“, neben dem Campingplatz. Mit diesem Platz verbanden mich schöne Erinnerungen. Hier war ich manchmal mit meinem Fahrrad und Zelt rausgeradelt, um ein paar Tage zu campen, mal frei zu sein. Ich hatte vorne auf dem Rad ebenfalls einen Gepäckträger angebracht, worauf ich ein altes Grammophon mit Federantrieb transportierte, nebst einer Anzahl 78-Touren-Schelllackplatten. Das war bei den Dauercampern immer die Attraktion! Einmal, zur Kirschenzeit, hatte ich mit den Früchten vom Baum des Zeltplatzes auf meinem Benzinkocher für alle Eierpfannkuchen gebacken, womit ich mich einübte, sie so hoch es ging zum Wenden in die Luft zu werfen. Bis sie wieder unten waren, waren sie ausgekühlt, wenn sie nicht im Baum hängen blieben.

      Ich wusste, dass ein Freund hier eine Jolle liegen hatte und rief ihn an. „Wo willst du das Auto unterstellen?“, fragte er mich. „Auf dem Camping. Notfalls zahle ich für ein Zelt!“ „Das geht nicht, denn der Bootsplatz und der Zeltplatz gehören zwei Brüdern, die aber, wie es sich im Allgäu gehört, verstritten sind. Bist du auf dem Zeltplatz, lässt dich der von den Booten nicht rein, und umgekehrt. Aber es besteht noch eine andere Rampe am Südufer, auch auf einem Zeltplatz.“

      Es regnete leicht, als ich dort ankam. Ich nahm den hintersten Platz, gleich neben einer Absperr-Schanke, wo nach 30 Metern das Seeufer lag. Doch machte man mir klar, dass ich da mit dem Boot nicht durchdürfe. Das sei nur eine Zufahrt für Notfälle. Also musste ich zum Ins-Wasser-Lassen wieder durch den ganzen Platz, dann fast einen Kilometer auf einer engen Straße durch Schilf und Wiesen und über eine winkelige Brücke, die ich nur mit Rangieren nehmen konnte bis zu der Stelle hinter meinem Camping-Standort. An der Rampe war gerade die Wasserwacht mit Schlauchbooten am Üben. Doch diese störte es nicht, dass ich mein Boot dort ablud und ein paar Tage liegen ließ.

      Also befuhr ich nach einer knappen Stunde einen der Badeseen meiner Jugendzeit. Eine kiesige Stelle am Ostufer brachte eine Erinnerung zurück: Bei einem Wandertag im Winter rund um den See, hatte ich mich mit Freunden zurückfallen lassen. Wir hatten nämlich eine Wette gemacht. Wer darin baden würde, dem müssten die anderen eine Maß Bier zahlen. Hoch stand der Fichtenwald und hüllte das Ufer in Schatten, es lag noch Schnee. Schnell alles aus, bis auf die Unterhose, und so schnell in den See hinein, wie ich auch wieder draußen war. Aber ich war drinnen gewesen. Bis zum Hals! Bibbernd vor Kälte wieder in die Klamotten, und dann der Hauptgruppe hinterhergerannt, damit die Lehrerin nichts merkte. In der nächsten Wirtschaft gaben mir die Kumpels die Maß aus. Aber als zwei „Halbe“, denn es war nur ein Glas erlaubt, und offiziell auch nur „Radler“, also mit Limo gemischt. Doch zogen wir, mit der Komplizenschaft der Bedienung Bier vor, denn das war außerdem billiger. Bier galt als Nahrung, Limonade als Getränk und war in Bayern damals höher versteuert… Auf jeden Fall war ich für einen Tag der Held. Vor allem, als die Lehrerin dann etwas ahnte und mir noch eine Strafe aufbrummte.

      An einem Tag kam mich mein Bruder besuchen. Wir hatten 11 Uhr ausgemacht. Um 10 vor 11 sah ich ihn von weitem schon auf dem Steg stehen, auf die Uhr schauend. Plötzlich blieb der Wind aus. So kam ich erst um 5 nach 11 dort an. Das schien er mir etwas krumm zu nehmen. Doch als dann der Wind aufkam, waren wir schnell wieder versöhnt.

      ROTTACHSEE

      ROTTACHSEE

      Es ging weiter zum Rottachspeicher, ein Stausee von rund 300 Hektar, nicht weit vom Bauernhof meines Schulfreundes Günther entfernt. Auf diesem Hof hatte er bei seiner Oma als Knecht angefangen, zur gleichen Zeit, als ich zur Seemannsschule gegangen war. Jeder von uns hatte quasi auf eine akademische Laufbahn verzichtet und sich lieber der Knochenarbeit zugewandt. Manchmal gingen wir zusammen Skifahren. Seine Oma sah seinen Umgang mit mir gar nicht gern, da ich ihn angeblich von der Arbeit abhielt. Bis heute sind wir in bestem Kontakt geblieben. In einem Schuppen hängt noch seine kleine Jolle, mit der er damals, als der See gebaut worden war, für ein paar Jahre darauf segelte. Doch jetzt verbirgt eine dicke Staubschicht die ehemalige Farbe. Er schaffte es, seine Arbeit mal liegen zu lassen und wir verbrachten einen Nachmittag auf dem Wasser. Er erzählte mir, dass es trotz der Kleinheit des Sees zwei Segelclubs gäbe, die sich aber spinnefeind seien.

      Es gab einen kleinen Ponton, an dem ich abends das Boot vertäute. Auch hier waren morgens die Fischer die ersten und die einzigen, die die Stille unterbrachen. Sie ruderten und hatten ein Fähnchen an einem Stock gehisst. Nebel deckte in der Früh den See wie eine Daunendecke, manchmal waren in der Nacht Eisstacheln wie ein Fell auf meiner Kajüte gewachsen. Einmal kam mein Bruder mich besuchen und brachte was zum Essen mit, was seine Frau für mich gekocht hatte. Natürlich hatte ich wieder fünf Minuten Verspätung, da der Wind an dieser Seite des Sees nicht blies. Darum wohl befand sich hier der Hafen. Mein Bruder war im Gespräch mit einem, der, wie sich bald herausstellen sollte, Mitglied des Segelclubs war. „Jachten sind auf diesem See nicht zugelassen!“, wandte dieser sich an mich, als ich festgemacht hatte. „Das ist keine Jacht, das ist ein 5- Meter Jollenkreuzer im Taschenformat!“, versuchte ich ihn aufzuklären. „Ihr Boot hat aber eine Reling, die haben die Boote hier nicht!“ „Ich dachte, dass als Maßstab die Länge gilt, so wie bei uns im Club. Und da hinten liegen 8-Meter Jollen. Davon hat mir mein Freund Günther nichts erzählt, den müssen sie eigentlich kennen!“ Ich nannte seinen Nachnamen. „Was, sie sind ein Bekannter von Günther? Und ich dachte, sie sind Franzose! Stellen sie sich vor, Günther war mein Team-Kollege auf dem Flying-Dutchman, der da vorne liegt! Mei, woret des noch Zaita!“ Und er erzählte Schoten von Regatten und Umkippen. „Wenn das so ist, kannst du natürlich bleiben“, schloss er seine Erinnerungen.

      Am letzten Abend, es war gehöriger Wind und ich hatte gut zu tun, um heil zum Steg zu gelangen, bemerkte ich eine junge Frau mit einem Mann, die eine winzige Jolle ins Wasser schoben und in der einfallenden Dämmerung die Gischt durchzischten. Ich war gerade mit dem Essen fertig, als sie zurückkamen. Sie an Ruder und Großsegel, er an der Fock kamen sie im Dunkeln angerauscht, ein gekonntes Manöver, und das Bötchen kam zentimetergenau vor meinem zum Stillstand. Ich hielt mich bereit, sie aufzufangen, was aber nicht notwendig war. Ich konnte nicht anders, als meine Achtung über diese Bootsbeherrschung auszudrücken. Sie lachte. „Das Boot hab ich von meinem Vater geerbt. Segeln hatte mich nie groß interessiert. Als ich klein war, bin ich mitgefahren, mehr oder weniger, weil ich musste. Erst als der Vater gestorben war, und das Boot einstaubte, machte ich mich daran und fand plötzlich Spaß an der Sache. Segeln ist Beherrschung. Beherrschung der Elemente, des Bootes und von sich selbst! Wie eine Mischung aus Meditation und Kampfsport!“ Dann machten sie sich ans Abtakeln und schafften das Boot aus dem Wasser. Ich lud sie zu einem kleinen Rotwein ein, wenn sie alles verräumt hätten.

      Später saßen wir dann im warmen Bauch meines Blauwales, leicht von den gegen den Rumpf plätschernden Wellen gewiegt, und ließen den Geist des Segelns lebendig werden. Er hatte eine alte H-Jolle, noch aus Holz, auf der er der Kapitän war und seine Freundin der Fock-Affe. Sie lasen gerne, vor allem Geschichten, die mit Wasser in Verbindung standen. Später schickte ich ihnen deshalb mein Seefahrtsbuch als e-mail-Anhängsel.

      FORGGENSEE

      FORGGENSEE

      Ein weiterer Abschied von einem liebgewonnenen Gewässer stand bevor. Jedes Mal, wenn ich mich etwas vertraut mit einem gemacht hatte, ging es weiter. Diesmal zum Forggensee bei Füssen. Den Ammersee und den Starnberger See ließ ich nördlich von mir liegen. Mein Zeitplan ließ nicht zu, alle Gewässer zu befahren, denn ich hatte einen Termin bei einem Verleger in Berlin. Durch einen Besuch bei einem Freund und Baustellen behindert, kam ich erst im Dunkeln am See an. Der Parkplatz des Segelclubs war so hermetisch mit Gittern und Kameras abgeschottet, dass er mir jeden Mut nahm, hier mein Boot zu Wasser zu lassen. Internet hatte eine Telefonnummer gewusst, worauf zum Glück niemand antwortete. Ich fuhr in den nächsten Ort.

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