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und bereitete mich auf die Nacht vor. Da tauchte fast aus dem Nichts jemand auf, der meinte, das ginge nicht, das störe, der Steg sei nur für Clubmitglieder. Darauf ich: „Bei uns in Frankreich ist das auch so, doch machen wir eine Ausnahme für Gäste. Und ich bin ja gewissermaßen ein Gast!“ „Ja, wo genau kommen sie denn her?“, wurde er jetzt neugierig. „Irgendwo zwischen Andorra und Lourdes, ganz im Süden Frankreichs, der Ort wird ihnen aber unbekannt sein!“, antwortete ich und suchte im Auto nach unserer Ansichtskarte. „Das ist ja verrückt!“, rief er aus, „Durch diese Gegend sind wir vor zwei Wochen gefahren. Wir kamen von Foix und fuhren weiter über Viella nach Huesca, wo unsere Tochter wohnt, zur Kindstaufe! Gestern erst sind wir zurückgekommen, deshalb ist das Gasthaus auch noch geschlossen!“ „Da sind sie genau durch unser Tal gefahren! Das nächste Mal halten sie bei uns an!“, lud ich ihn ein. Mit einem „natürlich können sie dort am Steg bleiben, es ist eh niemand da, die meisten haben ihre Boote schon aus dem Wasser!“ verabschiedete er sich nach einer Weile Erzählen.

      Also verbrachte ich diesmal eine ruhigere Nacht als zuvor mitten im Schwarzwald, in der Früh leise aus dem Schlaf geholt vom Plätschern der Ruder der Angler, deren Boote alle mit einem Zelt versehen sind, wohl wegen des Wetters. Sie waren überrascht, so früh einen Segler zu sehen, übernachtet doch kaum jemand auf den Booten, sie gehören den Leuten aus der nahen Stadt. Auch dürfen die Fischer hier nicht mit Elektromotor fahren. Nur für die Segler würde er toleriert. Die Nebel lagen in wattigen Schichten über dem schwarzen, glatten Wasserspiegel, weiter weg standen Enten auf einem Bein im Wasser, den Kopf noch träumend unter den Flügeln versteckt. Es würde ein windstiller Tag werden, hatten mir die Fischer gesagt, als sie mit leisen Ruderschlägen davonglitten und bald im Nebel verschwanden.

      Ich zog die Gummistiefel an und wanderte auf der Suche nach einem Trockenklo durch den taufeuchten Wald. Ein windstiller Tag, der Horror eines jeden Seglers! Also kurbelte ich das Bötchen wieder auf den Hänger und machte mich auf den Weg zum Bodensee, auch genannt ‚das Schwäbische Meer‘, weil er so groß ist (Über 530 Quadratkilometer), rund drei Stunden weiter. Und dann lag er unter mir, wie ein Milchglas-Spiegel im Sonnenlicht. Um mich herum die abgelesenen Hänge der Weinberge, dort vor mir die Meeresburg, wo Anette von Droste-Hülshoff ihre Verse gewoben hatte. Und im Hintergrund, wie schwebend, die Schweizer Berge und die von Österreich.

      BODENSEE

      BODENSEE

      Auf Internet hatte ich schon die wildesten Geschichten über das „Bodenseepatent“ gelesen, das es jedem Fremdling unmöglich machen soll, sein Boot diesem ganz besonderen Nass auszusetzen! Mit dem Ergebnis, dass auch Bodensee-Schiffer woanders unbeliebt sind und ihr „Patent“ nirgends Anerkennung findet. Aber bei einem solch großen See braucht man keine anderen Gewässer! Im Internet hieß es, an der Jugendherberge in Friedrichshafen könnte man sein Boot ins Wasser lassen. Hier hatte ich mit Freunden in meiner Jugend schon manche Nacht verbracht, und der Geruch der nach Schweißfüßen riechenden Decken mit der Aufschrift „Fußende“ war mir noch in lebendiger Erinnerung. Doch der diensthabende Behinderte am Empfang wusste von nichts und riet mir, auf den Chef zu warten, der in zwei Stunden, nach dem Essen also, auftauchen würde. Inzwischen parkte ich das Gespann mehr unmöglich als erlaubt auf den einzig freien Behindertenparkplätzen und der Feuerwehrzufahrt und wanderte durch den angrenzenden Campingplatz zum Seeufer. Dort wies ein Schild mit „Vogelschutzzone“ darauf hin, dass eigentlich jede menschliche Aktivität im Gelände ausgeschlossen war. Eine Gruppe Japanern ähnelnden Jugendlicher, des Lesens der deutschen Sprache sicherlich unkundig, war hier mit einer Tretbootflotte eingefallen und versuchten sich im Landungsmanöver.

      „Mit dem Anhänger ins Wasser fahren? Wer hat ihnen denn diese Idee gegeben?“, fragte mich der hilfsbereit aussehende Chef nach dem Essen. „Internet“, konnte ich nur antworten. „Sie kommen noch nicht mal durch den Campingplatz durch! Und dann das Naturschutzgebiet! Versuchen sie’s in der Nähe von Kressbronn, da ist ein riesiger, neuer Yachthafen!“

      Also auf nach Kressbronn, durch Obst- und Hopfenanlagen hindurch zu dem einem Sport-Flugplatz gleichenden Yachtgelände. Dort warten schon Sattelschlepper, um die Millionen schweren Prestigeobjekte nach sechsmonatiger Liegezeit im Wasser wieder in das Winterlager zu fahren. Kräne und riesige Gabelstapler machen die Zubringerdienste. Der Parkplatz ist natürlich voll mit den Luxuskarossen der Schiffseigner, mein alter Toyota ist da eher störend, ganz zu schweigen von dem kleinen Wasserfloh hinten auf dem Anhänger, welcher hier eher aussieht wie ein Beiboot. Und Boote hat es hier! Da würde selbst ein Tiefwasserkapitän aus Neid erblassen! Der Oberrangierer ist ein Österreicher, gleich per du, „und das kriegen wir schon hin!“ Aber das ist auch alles an Hilfsbereitschaft, was er zu bieten hat. Denn vor jedem Handgriff seinerseits bräuchte ich eine Genehmigung vom Hafenamt, und das ist im Rathaus. Also zurück in das Nest, wo es schier unmöglich ist, zu parken. Dann zum Amt. Die sagen: „Kein Problem, aber dafür ist der Hafenkapitän zuständig!“, und geben mir dessen Nummer. Nun ja, der hat bestimmt einen guten Willen, hebt aber den ganzen Nachmittag nicht ab.

      Inzwischen habe ich meinen Bruder angerufen, der eine Stunde vom See entfernt wohnt, dass ich in der Nähe bin. Dieser meint, in Zech, vor der Grenze, ist ein Booteinlass. Ich rufe das dortige Rathaus an. „Jederzeit!“, antwortet man mir, nur weisen sie darauf hin, dass die Zufahrt zu der Rampe über Privatgrund geht, und ich mir vom Eigentümer eine Genehmigung holen muss, bevor man mir öffnen kann.

      Ich komme durch Nonnenhorn. Ich frage auch hier. Dort könnte man über den Badestrand das Boot ins Wasser bringen. Das macht die Wasserwacht auch bisweilen. Doch auf dem Strand liegen bei diesem Wetter die sonnenhungrigen Alemannen wie die Sardinen. Und so weit wie der See zurückgegangen ist, bin ich mir nicht sicher, wieder mit dem Boot herauszukommen. „Komm, bleib die Nacht bei uns!“, meint mein Bruder am Telefon, „Und morgen siehst du weiter. Außerdem würde ich gerne dein Boot sehen!“ Nur sind es bis zu ihm eine Stunde Fahrt durch die Berge. Aber soll es! Endlich bin ich da. Mein Bruder kommt an die Tür. Begrüßung: „Sag mal, warst du immer noch nicht beim Frisör? Ah ja, sieht aus wie ein Boot!“ Der ist einfach zu deutsch! „Komm, schau mal rein!“, fordere ich ihn auf und klappe die Leiter herunter. „Horch mal, ich weiß wie Boote innen aussehen!“, wendet er ein. Und ich Trottel mache extra diesen Umweg…

      So nah am Ziel, will ich es genau wissen und fahre in der Früh mit Boot gleich nach Lindau zum Landratsamt, weil angeblich dort die zuständige Person sitzt. Alleine auf dem Festland einen Parkplatz zu finden war schier ein Ding der Unmöglichkeit. Besser gar nicht auf die Insel fahren! Endlich hatte ich einen am alten Güterbahnhof gefunden und stelle alles ab. Und wer kommt da? Nennen wir nicht seinen Namen oder seine Funktion, er verdient es nicht! Er: „Hier dürfen nur Busse parken! Können sie nicht lesen?“ Ich: „Ich Franzose, ich nix können lesen, deutsche Sprache schwere Sprache!“ Er: „Nix hier parken! Kostet teuer!“, und zückt seinen Block. „Hier viel Platz, keine Busse da. Und da und da, andere Auto auch parken. Nur halbe Stunde, bittascheen!“, versuche ich ihn umzustimmen. Er: „Das sagen sie alle! Wenn du nicht gleich verschwindest, du kriegen Strafmandat und das Fahrzeug wird abgeschleppt! Endlich habe ich mal einen erwischt, und dazu noch einen Ausländer, wäre ja noch schöner, für die ein Auge zuzudrücken!“ Unsere Auseinandersetzung ist nicht unbemerkt geblieben. Gegenüber an der Ladestraße stehen ein paar Arbeiter und feixen. Als ich auf der breiten Kopfsteinpflaster-Straße gewendet habe, halte ich bei ihnen an. „Na, Ärger mit den Bullen? Komm, du kannst bei uns im Hof parken!“ Da erweist es sich als praktisch, ein Stückchen unseres eigenen Käses im Auto zu haben.

      Zurück ins Amt. Die einzige Person, die ich ausfindig gemacht habe, fühlt sich aber nicht zuständig. Will mir nicht weiterhelfen. „Vielleicht im Rathaus!“, weicht sie aus und hebt das klingelnde Telefon ab, wohl um mich zum Gehen zu bewegen. „Ja, hier Bärbeiss, worum geht es?“ Nachdem das Gespräch beendet ist, schaut sie mich erstaunt an, weil ich immer noch da bin. „Sie sind Frau Bärbeiss?“, frage ich sie. „Ja, wieso?“ „Ich habe ihren Vater gut gekannt, ich habe seinerzeit gegenüber von ihnen beim Emil die Gärtnerlehre gemacht. Damals müssen sie gerade an die fünf Jahre gewesen sein!“ „Sie sind also von hier?“, will sie wissen. „Das kann man wohl sagen!“ Und wir reden etwas von damals. „Moment, ich gebe ihnen die Nummer

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