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auf ihrem noch blassen Körper und der Gartenliege tanzen ließ. Sie räkelte sich. Das Badetuch, das sie bis eben um den Schultern hatte, rutschte hinunter und fiel zu Boden. Das kümmerte sie nicht. Ihr Inter­esse galt einem Eichhörnchen, das in raschen Sprüngen über den kurzgemähten Rasen huschte, dann und wann stehenblieb und neugierig in ihre Richtung sah. Besonders faszinierend fand sie, dass sich der buschige Schweif des Nagers trotz der zuweilen großen Sätze, die das Tier machte, überhaupt nicht zu bewegen schien. Jetzt hatte das rotbraune Tier am Rand des Blumenbeets etwas gefunden, eine Nuss des Walnussbaumes vielleicht, die noch vom vergangenen Herbst dort lag. Mit beiden Pföt­chen drehte das Eichhörnchen die Nuss und biss an der ein oder anderen Stelle hinein, bearbeitete die harte Schale mit den scharfen Zähnen und schaffte es schließlich, den Lecker­bissen zu knacken. Mit dicken Bäckchen, fast wie ein Ham­ster, fraß es nun den Inhalt der Walnuss und fegte, noch be­vor es sein Mahl beendet hatte, blitzschnell über das Gras und an dem Stamm des Baumes hinauf.

      Sie runzelte die Stirn. Warum war es aufgescheucht wor­den? Hatte sie sich doch kaum bewegt und sogar fast aufgehört zu atmen!

      Doch dann hörte sie eine Stimme, die von der Terrasse her nur Das Eis! rief und sah, dass ihre Schwester das vor weni­gen Minuten versprochene Eis in großen Bechern aus dem Haus brachte.

      »Ja, Eis!«, freute sie sich lautstark und sprang von der Lie­ge. Sie lief schnell um den Pool, um das kalte, süße Eis in Empfang zu nehmen, auf das sie sich seit dem späten Vor­mittag so ge­freut hatte. Ihre Mutter wollte es ihnen zube­reiten und in den Garten bringen, doch sie war den ganzen Tag nicht erschienen. Umso besser, dass ihre Schwester wusste, wo sich alles befand und auch schon richtig gut darin war, die Creme mit dem Aus­stecher aus der Dose zu kratzen, und in ansehnlichen Kugeln in die Becher zu sta­peln. Welche Sorten sie wohl ausgesucht hatte?

      »Hol es dir, hol es dir!«

      Sie schaute verdutzt auf. Ihre Schwester war mit beiden Bechern um den Pool gelaufen und befand sich auf der an­deren Seite. Sie lachte hämisch hinüber.

      »Hol es dir, hol es dir!«, wiederholte sie.

      »Du bist gemein!«

      Sie rannte rechts um den Pool, doch ihre Schwester lief im­mer in entgegengesetzter Richtung, so dass sie stets genau auf der gegenüberliegenden Seite war. Sie lachte und tanz­te.

      »Hol es dir, hol es dir!«

      Das war zuviel! Sie konnte das Eis sehen, konnte erahnen, wie es in der Sonne zu schmelzen begann.

      »Du bist so gemein«.

      Sie fing an zu weinen. Die Arme vor dem Gesicht ver­schränkt schielte sie zu ihrer Schwester, um ihre Reaktion zu beobachten. Noch war sie nicht sonderlich beeindruckt und trieb ihr Spiel weiter.

      »Heulsuse, hol es dir!«

      Statt um den Pool zu rennen und die aussichtslose Jagd fort­­zusetzen, ließ sie sich auf den Boden fallen und erhöhte Frequenz und Lautstärke ihres nunmehr herzzerreißenden Tränen­aus­bruchs: Fast war es schon ein verzweifeltes Schrei­en in der Vorahnung, das leckere, erfrischende Süß nicht mit dem Löffel zu schlecken, sondern einer Limo gleich einfach nur zu trinken. Obwohl sie sich auf dem Boden hin- und herwarf und auch mit den kleinen Fäust­chen auf die Terracottafliesen schlug, ver­säum­te sie es nicht, das Verhalten ihrer Schwester zu beob­achten. Of­fensichtlich von der Angst geplagt, ihre Mutter würde wider Erwarten aus dem Haus stürmen und eine saftige Standpauke halten, vielleicht mit einer Ohrfeige versehen, um für mehr Nachdruck zu sorgen, gab ihre Schwester ein Pschschschscht! von sich und beeilte sich, das Eis nun doch zu ihr zu bringen. Den Heulanfall jetzt schon abzuschwäch­en oder gar ganz aufzugeben, kam ihr jedoch nicht in den Sinn. Das hatte ihre Schwester davon. Sie wollte es solange ausreizen, bis sie als der unumstrittene Sieger aus diesem Gefecht hervor­gegangen war. Von ihrer Schwester einfach so das Eis entge­gen­zunehmen, war definitiv nicht genug. Also zappelte sie am Boden weiter, bis ihre Schwester, die anfing, beruhigend auf sie einzureden, unmittelbar neben ihr stand. Bevor sie sich zu ihr hinunterbeugen konnte, um ihr das Eis zu überreichen, sprang sie mit lautem Kampf­geschrei blitzschnell auf, um ihrer erschrockenen und ent­setzt dreinblickenden Schwester das Eis zu entreißen.

      Lena stolperte. Doch anstatt die beiden Eisbecher fallen zu lassen, um den Sturz abzufangen, bemühte sie sich noch im Fallen die Süßigkeit vor der gewaltsamen Entwendung zu bewahren und riss beide Arme in die Höhe. Sie schlug mit dem Kopf auf die Travertineinfassung des Pools, und die Eisbecher entglitten ihren Händen. Eines der Gläser zer­schellte laut split­ternd auf dem Terracotta, das andere wur­de mit einem tiefen Glucksen vom Wasser des Pools ver­schluckt. Da Sarah direkt über ihrer Schwester stand, konnte sie sehen, dass Lena die Augen verdrehte und wie in Zeitlupe in das Becken rutschte, erst ihr rechtes Bein, dann das linke, ihre Hüfte, ihr Oberkörper und schließlich ihr Kopf. Noch glaubte sie, Lena wolle sie ver­äppeln, um ihrerseits die Auseinandersetzung mit einem Sieg im Finale zu ihren Gunsten zu entscheiden. Die Opferung der beiden Eisbecher wäre allerdings ein sehr gewagter Schritt ge­wesen, schließlich musste das Malheur ja auch ihrer beider Mutter irgendwie erklärt werden. Doch ihrer großen Schwester hätte sie sogar das zugetraut. Dann aber ent­deckte sie den dun­kel­roten Fleck auf dem Beige des Tra­vertin und sah sofort angstvoll in das türkisblaue Becken. Lena trieb mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Von ihren Haaren breitete sich in immer dünner werdenden Fäden das Blut aus, so, als würde man einen Pinsel mit Wasserfarben in ein Glas mit Wasser tupfen. In Schock­starre beobachtete sie einige Sekunden, wie das Blut ihrer Schwester ständig in Bewegung verschlungene, fast an­mu­tige Bilder malte, während es sich nach und nach mit dem klaren Wasser des Pools vermengte.

      Mit einem Mal begriff sie, dass sich Lena keinesfalls einen Scherz auf ihre Kosten erlaubte, sondern sich wirklich verletzt hatte und in ernster Gefahr schwebte.

      »Lena!«, schrie sie laut und sah sich hilfesuchend um. Sie konnte mit ihren sechs Jahren schon gut schwimmen, aber so­wohl ihr Vater als auch ihre Mutter hatten ihr einge­schärft, nicht in den Pool zu gehen, solange nicht einer von ihnen dabei war.

      »Lena! Lena!«, schrie sie und jetzt rannen auch echte Trä­nen ihr Gesicht hinab. Sie begriff, dass sie ihrer Schwester mit lautem Schreien nicht helfen konnte.

      »Mama!«, kreischte sie nun und konnte den Blick nicht von dem leblos im Wasser treibenden Körper wenden.

      »Mama! Komm ganz schnell! Mama!«

      Obwohl es ihr unendlich schwer fiel, Lena zurückzu­lassen, hastete sie zum Haus, um ihre Mutter zu holen.

      »Mama! Mama!«

      Im Wohnzimmer war sie nicht, also rannte sie weiter in das Esszimmer. Auch dort niemand.

      Auch in der Küche nicht.

      »Mama!«

      Sie stürzte in den kleinen Salon. Dort endlich sah sie ihre Mut­ter, die sich langsam auf der Liegecouch aufrichtete.

      »Mama, komm ganz schnell! Lena ist etwas passiert!«

      Die zeitlupenartigen Bewegungen ihrer Mutter machten sie rasend. Sie zerrte sie am Ärmel, riss fast die Seidenbluse ent­­zwei, als sie versuchte, ihre Mutter vom Sofa zu ziehen.

      »Mama, du musst kommen, ganz schnell! Lena ertrinkt!«

      Doch anstatt wie elektrisiert aus der Chaiselongue aufzu­fahren, starrte ihre Mutter sie nur mit stark geröteten Au­gen an und bewegte sich kaum.

      »Mama! Beeil dich!«

      Ihre Mutter kniff die Augen zusammen.

      »Ich komme ja schon.«

      Sie versuchte, aufzustehen, musste sich jedoch mit der rech­ten Hand abstützen, um nicht wieder zurück auf das Sofa zu fallen.

      »Einen Moment noch…«

      Es dauerte zu lange. Ohne auf ihre Mutter zu warten, rannte sie aus dem Salon, durch das Esszimmer, das Wohn­zimmer, über die Terrasse und sprang mit Anlauf in den Pool.

      Sie hatte Lena schnell erreicht; ihre Schwester bewegte sich im­mer noch nicht, ihr

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