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22.Januar. 6. Tag

       Suche nach Grünem und das Abenteuer "Essen".

      Endlich haben wir es geschafft, die Karten und Briefe zur Post zu bringen. Gestern hatten wir diese zwar gefunden aber sie war natürlich geschlossen. Gleich darauf fragen wir im Tourist Office, was die wissen, in Bezug auf dieses Carnet De Passage.

      Im Prinzip Nichts. Wir dürfen aber mit der deutschen Botschaft telefonieren, die uns für morgen um neun hinbestellt.

      Da wir nun nichts Spezielles mehr vorhaben, steht einem zünftigen Spaziergang nichts im Wege. Der führt dann zu Connaught Place und zum Fluß, wenn man den noch als solchen bezeichnen kann.

      Von der Brücke aus hat man den Eindruck, als hätte eine größere Flutwelle einen gigantischen Müllberg weggespült. Das Wasser wirkt zähe. Es ist braun-trübe. Immer wieder werden von der Brücke aus von Indern Blumen hinein geworfen. Doch es sieht aus wie Müll.

      Mittendrin in diesem Fluß Menschen auf Flößen aus Plastikplanen und Autoschläuchen. Auf Müll und Blumen - übersäten Sandbänken sitzen diese braunhäutigen, drahtigen Männer an kleinen Feuern. Irgendwas sammeln sie, was auch immer, und sie fischen buchstäblich im Trüben.

      Die Brücke ist lang, vielleicht einen Kilometer.

      Die eigentliche Stadt hört hinter der Brücke auf, wie es aussieht.

      Auf der anderen Seite des Flusses führen drei metrige Betonwasserleitungen neben dem Straßenböschungsdamm in die Ferne.

      Ausgedehnte, ländlich wirkende Slums beginnen hier direkt unter diesen mächtigen Beton-Rohrleitungen. Dicht gepackte Unterschlüpfe aus Stangen, Brettern, Kisten, in Verbindung mit Seilen, Planen, Steinschichtungen, Lumpen und Autoreifen, bilden hier Heimat für diese Menschen.

      Diese Siedlung zieht sich an der Wasserleitung unendlich hin.

      Hier wollen selbst wir uns nicht so gerne hinein begeben.

      Lutz wäre bestimmt runtergegangen, auf dem Dorfweg entlanggegangen.

      Aber so recht geheuer und schicklich war uns das nicht.

      Wir hätten sicherlich unangenehm viel Aufsehen erregt. Obwohl wir ja Touris waren, wir wollten keine sein. Das jedoch war ein ziemlich unrealistisches Begehren. Erst recht noch mit der Video Kamera vorm Bauch.

      Von der Brücke aus konnten wir weit in die Siedlungen, in Höfe und Gassen hineinsehen. Die Menschen lebten hier in der ihnen eigenen Normalität.

      Schläfer unter Palmenwedeln, Kinder spielten, Frauen wuschen Wäsche. Leben. Das konnten wir sehen, fühlen. Gerade da wir eben die ungeheure Kraft dieses Lebens fühlen konnten, war uns mehr noch klar, daß viele Menschen das aber ganz anders sehen.

      Unsere allwissenden Bundes-Mitbürger würden hier bestimmt einiges vermissen.

      So ein paar Kubikmeter Kleinigkeiten eben, welche unseren Volksgenossen im Laufe der Nachkriegsentwicklung lieb und unentbehrlich geworden sind.

      Die deutsche Hausfrau hätte in so einer Siedlung sicherlich den einen oder anderen Wunsch offen. Würde ihren „Wisch-und-weg-Lappen“ vermissen. Ihren ajaxigen weißen Wirbelwind und ihr dreimal weisgemachtes Waschmittel. Ebenso denke ich, daß der deutsche Mann hier Mangel verspüren könnte, wenn er sein Leben in diesen Slums einrichten sollte.

      Deutschland könnte ja mit Indien ein Abkommen über die Aufnahme rassistischer, deutsch-nazionaler Straftäter gestalten. Deren Gefängnisaufenthalt kostet in Deutschland pro Haftjahr und Nase immerhin hunderttausend Westmark.

      Indien nimmt diese Leute gegen Zahlung der halben Summe auf, und sie werden dann mittellos an unterschiedlichen Orten auf dem flachen Lande ausgesetzt. Nachhause können sie erst, wenn sie sich den Rückflug selber verdient haben.

      Ist nicht die schlechteste Idee glauben wir, bei Spitzen-Tageslöhnen von ein paar Mark, im unteren Wirtschaftsgeschehen, könnte so ein Verbannter es dann sicher bis zu einer gewissen geistigen Reife bringen. Er müßte Verbindungen eingehen, Freundschaften schließen und ihm würde möglicherweise eine vorteilhafte Hirn und Charakterentwicklung nicht erspart bleiben.

      Die selbst verdiente Rückreise schließlich, würde ein Mensch antreten, der bißchen von einer Fremdsprache spricht, Weltsicht hat und Lebenserfahrungen, die ihn nicht gerade geistig verarmen…

      Bei diesem recht speziellen Seitsiehing, wo es auch zu den üblichen Begegnungen mit Hunden, Kühen und Schweinen kam, sahen wir auch Affen und Elefanten. Und nun haben wir wohl auch so eine gewisse inländische Reife erlangt. Wir glauben soweit zu sein.

      Die sichtbare Hygiene der gastronomischen Einrichtungen erscheint uns nun gar nicht mehr so ekelerregend, wie noch vor ein paar Tagen.

      Alles recht praktisch. Und es scheint durchaus ausreichend, das Abwaschwasser abends zu wechseln.

      Wir jedenfalls wollen es nun probieren.

      So essen wir das erste Mal richtig außerhalb. Straßenkneipen sind nach vorne offen und führen meist in einem relativ schmalen Gastraum tief in die Gebäude hinein, oder durch sie hindurch.

      Vorne am Eingang wird gekocht und gebraten. Eigentlich bleibt uns sowieso keine Wahl. Irgendwann müssen wir ja mal damit anfangen. Verhungern wollen wir ja nun auch nicht unbedingt.

      Unsere mitgebrachten Vorräte sind jedenfalls erschöpft.

      Das Essen wird hier aus natürlichen Rohstoffen frisch hergestellt.

      Man kann dabei zusehen und sucht sich das aus, was man möchte.

      Es schmeckt dann wirklich sehr gut. Ausgezeichnet schmeckt es sogar.

      Und Lutz ist bis zum heutigen Tage der Meinung, daß die Produkte deutscher Restaurants im Vergleich mit diesem indischen Straßenkneipenangebot, meist nur fader, toter Fraß sind.

      Polierter Dreck sozusagen.

      Peperoni stehen auf jedem Tisch. Und es sind echte, aus denen wird wahrscheinlich auch Schießpulver hergestellt.

      Nach dem Essen, wieder unterwegs, lauschen wir nach innen und warten auf Magengrummeln. Wir rechnen mit verdächtigen Darmaktivitäten. Mit innerem Gewusel besonderer Art. Wir erwarten den Kampf der körpereigenen Kräfte mit den fremden, aggressiven Bakterienkulturen.

      Zum Glück bleibt das aus.

      Erst in Bayern sollte es Lutz passieren, daß er für die ausgebliebenen Verdauungsstörungen auf unserer Reise mit kräftigen Anormalitäten durch deutsche Lebensmittel entschädigt wird. Der Einzug der Emulgatoren sozusagen.

      Nur um das mal vorweg zu nehmen.

      Eine Rikscha bringt uns zurück, bis zur New Delhi Railway Station. Und dort laufen wir wieder unserem Gulzar aus Kaschmir direkt in die Arme. Er muß uns aufgelauert haben. Beim Tee sprechen wir über Gott und die Welt.

      Er kann leidlich Englisch und versucht, uns permanent zur Moschee zu verschleppen. Will uns so viel zeigen.

      Am liebsten sollen wir mit ihm gleich nach Kaschmir reisen, wo er eben angeblich ein Hausboot hat. Man könne da so schön Urlaub machen, in sauberer Luft und wunderschöner Natur. Tage später zeigt er uns dann ein Fotoalbum, was das Ganze etwas untermauern soll. Wer weiß, wieviel davon stimmt.

      Aber wir mögen ihn.

      Gegen vier Uhr nachmittags laufen wir dann weiter. Es ist wie etwa jeden Tag. Ab Mittag sind so 25 Grad, beinahe schon zu warm.

      Für Januar sind daheim wohl erst in den nächsten Jahren solche Temperaturen zu erwarten. Wenn Indien, China und Afrika erst mal so wie Deutschland motorisiert sind und das Klima dann einen Weltreinigungsvorgang veranlaßt, wie vielleicht schon mal vorher.

      Luther hat den Vorgang ja ausgiebig übersetzt.

      Mit bißchen Wasser läßt sich einiges in Punkto Sauberkeit regeln.

      Abends finden wir dann eine Post im Internet von der Schwester von Lutz vor. Sie erklärt sich einverstanden, uns bei

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