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Platz gelandet! Und natürlich würden sie auch in Osnabrück morgen die Hucke vollkriegen! Nachdem sie Schalke 04 schließlich in sämtlichen Höhen und Tiefen durchdiskutiert und dabei noch einige Flaschen Bier vernichtet hatten, wiederholte Bremminger plötzlich sein aufrichtiges Bedauern darüber, dass Börner nicht zu seiner Abschiedsfeier erschienen war.

      "Ich war doch gar nicht eingeladen. Und selbst wenn du mich eingeladen hättest, dann wäre ich nicht gekommen."

      Für einen Augenblick befürchtete Börner, die Endgültigkeit dieser Aussage könnte Bremminger verletzt haben; aber der schien das Spiel nun auf die Spitze treiben zu wollen. "Ja sicher warst du eingeladen!", rief er, und seine Stimme sollte wohl Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass jemand eine Selbstverständlichkeit anzweifeln konnte. Börner sah Bremminger direkt an, aber nun gab selbst ihr kurzer Blickkontakt keinen Hinweis mehr darauf, dass Bremminger log. Und plötzlich spürte Börner, wie die Wut ganz langsam in ihm hochkroch.

      "Ich habe dem Hebemann gesagt, er soll allen Bescheid sagen."

      "Dem Hebemann?" fragte Börner und sah Bremminger höhnisch grinsend an.

      "Hat er dir etwa nichts gesagt?"

      "Hast du das etwa erwartet?"

      "Ja sicher", sagte Bremminger schnell und wich Börners Blick aus.

      Es war nun ganz offensichtlich, dass Bremminger nicht die Wahrheit sagte; vor allem wusste er, dass Börner sein Theaterspiel längst durchschaut hatte. Börner war bemüht, die Peinlichkeit der Situation zu beenden, und deshalb sagte er einfach die Wahrheit. "Ich will dir sagen, weshalb Hebemann mich nicht eingeladen hat. Milewski wird ihn ganz einfach vor die Alternative gestellt haben: Entweder der Börner oder ich. Ist doch ganz klar."

      "Ach was! Das siehst du wirklich ganz falsch."

      "Das sehe ich ganz richtig." Börner musste sich zusammenreißen. "Aber ich habe doch auch gar nichts dagegen, dass Milewski so denkt und Hebemann tut, was der will. Ich arbeite schließlich nicht mehr bei euch."

      Als Bremminger dann noch einen Versuch unternehmen wollte, Börners Behauptungen als bedauerliches Missverständnis vom Tisch zu wischen, ging plötzlich alles ganz schnell. Börner lief in den Korridor, und als er zurückkam, knallte er den Telefonapparat vor Bremminger auf den Tisch. "In welcher Kneipe ward ihr?"

      Bremminger war so überrascht, dass er spontan den Namen nannte, und in ein paar Sekunden hatte Börner die Rufnummer im Telefonbuch gefunden. Dann sah er auf seine Armbanduhr. "Es ist jetzt kurz vor elf. Die sitzen natürlich noch da und lassen sich auf deine Kosten voll laufen. Du rufst jetzt den Hebemann an, tust so, als wenn du zu Hause wärst, und dann fragst du, warum er mich nicht eingeladen hat."

      Bremminger sah Börner entgeistert an. "Du bist ja völlig verrückt!", meinte er schließlich und schob das Telefon ärgerlich zur Seite.

      "Wenn du jetzt nicht anrufst, Günter, dann wäre es besser, du wärst heute Abend gar nicht erst gekommen.“ Börner nahm den Hörer ab und wählte die Nummer. "Und wie ich dich kenne, willst du es doch selber auch genau wissen." Deutlich war das gleichmäßige Tuten des Apparates zu hören. Fassungslos nahm Bremminger den Hörer.

      Hebemann war tatsächlich noch da, und plötzlich war Bremmingers Fassungslosigkeit verflogen. Er bedankte sich bei dem Kollegen, weil der alles so toll arrangiert hatte, bat noch einmal um Verständnis dafür, dass er selber schon so früh habe gehen müssen; es sei aber in der letzten Zeit alles einfach zuviel gewesen für ihn, schließlich sei er nicht mehr der Jüngste. Und dann stellte er die Frage nach Börner.

      Je mehr sich Hebemanns Antwort ganz offensichtlich in die Länge zog, um so deutlicher konnte Börner die Veränderung in Bremmingers Gesicht sehen. Ohne noch ein Wort zu sagen, legte Bremminger schließlich den Hörer auf. "Es tut mir leid", sagte er leise.

      "Es braucht dir nicht leid zu tun. Ich habe doch gesagt, ich wäre ohnehin nicht gekommen."

      Bremminger nickte langsam und wirkte plötzlich sehr müde. "Ja eben. Das habe ich auch gewusst."

      Nach diesem Vorfall wollte ihnen eine Rückkehr zu unverfänglichen Themen nicht mehr gelingen, und nur wenig später wollte Bremminger nach Hause. Börner half ihm in den Mantel und fragte, ob er ein Taxi rufen solle. Bremminger lehnte ab. "Lass mal, ich muss noch einen Augenblick an die frische Luft."

      "Hast du etwas dagegen, wenn ich dich noch ein Stück begleite?"

      Bremminger hatte nichts dagegen; aber es war Börner nicht entgangen, dass Bremminger eine ganze Weile mit der Antwort gezögert hatte. "Wie geht es Milewski denn eigentlich?", fragte er, als sie die Wohnung verlassen wollten.

      "Ich glaube, ganz gut. Seine Frau ist schwanger. Siebter Monat."

      "Ach, Ingrid ist mal wieder schwanger?"

      Bremminger blieb in der geöffneten Tür stehen und sah Börner überrascht an. "Wieso denn wieder schwanger? Ist doch das erste Kind."

      "Ach nur so", sagte Börner schnell und zog die Wohnungstür zu. "Es war dumm von mir. Vergiss es!"

      Dann verließen sie das Haus.

      4

      An der Grenzstraße bogen sie nach links. Sie redeten kein Wort miteinander. Als sie die Bismarckstraße erreicht hatten, bogen sie wiederum nach links. In Höhe der Magdeburger Straße war eine Haltestelle der Straßenbahn. "Ich kann auch mit der Bahn nach Hause fahren", sagte Bremminger und schaute auf den Fahrplan. Die Bahn war gerade weg, die nächste würde erst in einer halben Stunde kommen. "Lass uns einfach ein Stück weiter gehen", schlug Börner vor, und Bremminger nickte zustimmend.

      Die Bismarckstraße erfüllt alle Klischees, die es über den Kohlenpott gibt. Scheinbar endlos zieht sich ein planloses Sammelsurium von Häusern, die nicht einmal eine einheitliche Fluchtlinie bilden, die Straße entlang, unterbrochen durch brachliegende Flächen, Zechenbahnen und den riesigen Komplex der Zeche Consol, den eigentlichen Grund dafür, dass hier überhaupt irgendwann Häuser gebaut worden waren. Die Seitenstraßen enden meist schon nach wenigen Metern auf Feldern, Wiesen oder wilden Schrebergärten, und selbst gegen den dunklen Abendhimmel war das chaotische Durcheinander riesiger Strommasten und zumeist stillgelegter Fabrikanlagen auszumachen. Alles schien planlos, zufällig, nichts hatte hier Bedeutung.

      "Eine gräßliche Gegend", sagte Bremminger nach einer Weile.

      Börner grinste. "Finde ich gar nicht."

      "Ich will dir ja nicht zu nahe treten; aber in Gelsenkirchen sollte man alles südlich des Kanals einfach abreißen."

      Börner lachte. "Ich will dir auch nicht zu nahe treten; aber bei den Spießbürgern in Buer-Mitte könntest du mir ein Haus schenken, und ich würde doch hier wohnen bleiben.

      "Was hält dich denn in dieser kaputten Gegend?"

      "Ich weiß es nicht."

      Mittlerweile hatten sie die Einmündung der Oststraße passiert. Vor einem ziemlich heruntergekommenen Haus blieb Börner plötzlich stehen. Von den Holzrahmen der Fenster platzte der kümmerliche Rest der Farbe, die Tür, die in einen schmuddeligen und nur spärlich beleuchteten Flur führte, war halb geöffnet. Neben den Klingelknöpfen standen nur ausländische Namen.

      "Warum bleibst du stehen?"

      Börner lachte kurz. "Hier hat Milewski mal mit seinen Eltern gewohnt. Von 1958 bis 1964."

      Bremminger sah ihn verblüfft an. "Du scheinst ja über Milewski bestens informiert zu sein."

      Wieder lachte Börner. "Bis zu der Geschichte vor vier Jahren war diese Bude fast eine Art Wallfahrtsort für mich. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich hier gestanden habe, nur weil Milewski hier einmal gewohnt hat." Es schien plötzlich so, als sei Bremminger für ihn nicht mehr da. "Sein Vater hat da drüben auf der Zeche gearbeitet. Ich habe mir damals tausend Geschichten über Milewski zurechtgelegt. Wie er als Kind hier gelebt hat, wie er sich durchboxen musste in diesem Milieu, wie er sich vor allem um das, was irgendwelche Erwachsenen sagen,

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