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geworden, und muss mit großem Aufwand in Kühlhäusern gelagert werden, um den Preis stabil zu halten!

       Wie war nun der Käse, den die Bauern aus der entrahmten Milch herstellten? Wie ich hörte, war das eine Art von Frischkäse, also sauer gewordene, eingedickte Milch, zum Verzehren mit ‚Patates‘, Kartoffeln. Oder man hat diesen in ein Tuch gebunden, und zum Trocknen aufgehängt, um Quark zu bekommen. Dieser meist in Kugeln geformt, ließ sich begrenzt halten. Wer besser ausgerüstet war und genügend Milch hatte, erwärmte diese und gab Lab hinzu, das Enzym aus dem Magen von Jungtieren, welches Milch zum Gerinnen bringt. Oder auch Labkraut. Die geronnene Milch wurde in kleine Stücke ‚geschnitten‘, manchmal wieder erwärmt und nach einer Weile Rühren in Formen gepackt und unter einer Schieferplatte gepresst. Anschließend wurde die Masse mit groben Salz eingerieben. Der so gewonnenen Käse war über Monate haltbar. Auf dieselbe Weise wurden in allen Regionen der Welt Käse gewonnen. Den Unterschied der einzelnen ‚Sorten‘ machten die Tierarten, die verschiedenartigen Futterpflanzen, Veränderungen der Temperatur oder Handhabungsweise. Meist spielte dabei der Zufall eine große Rolle.

      Oft fragte man mich, ob ich nicht den ‚Fromage de la houle‘ herstellen könnte, von dem man so viel hört, aber nirgends mehr findet. Ich fragte etwas herum, um hinter das ‚Geheimnis‘ zu kommen. ‚Houle‘ heisst Gefäß oder Steinguttopf. Alles, was an Käse ungenießbar war oder auch Reste, warf man in einen Topf mit Deckel und vergaß es eine Weile. Bis dann ein ‚strenger Geruch‘ den Topf wieder in Erinnerung brachte. Die Käsereste hatten sich, meist mit Mithilfe von Fermentation und Fliegenmaden in eine klebrige, streichbare Masse verwandelt, waren in gewisser Weise lebendig geworden. Bestenfalls für Angler verwendbar und in einem Töpfchen am Außenspiegel zu transportieren…

      Eine andere, nicht mehr auffindbare Spezialität war der Brousse. Hierzu musste die Molke von der Käsegewinnung zum Siedepunkt gebracht werden, dann träufelte man etwas Zitronensaft darauf, was das noch vorhandene Resteiweiß zum Ausflocken brachte. Ein großer Energieaufwand für wenig Resultat, vor allem, wenn man Schweine hat, die auch noch ihren Teil wollen…

      Inzwischen hatten wir auf unseren Ausflugsfahrten die ganzen Handwerksbetriebe im weiteren Umkreis besucht, uns umgesehen, umgehört, probiert, um uns ein genaueres Bild vom Pyrenäenlaib machen zu können. Meist waren das weiche Käse, anders als die der Alpen, sehr stark im Geschmack, eher dazu bestimmt, bald verzehrt zu werden als eingelagert, zur Veredelung des Aromas. Wir wollten einen Käse herstellen, der auch uns schmeckte, der sich aufbewahren ließ, wenn mal die Kunden fehlten, der einfach herzustellen und zu pflegen war. Mehr in der Art, wie sie manche unserer Bauernfreunde schon herstellten. So natürlich wie möglich, nur mit Vollmilch, Lab und Salz!

      Heutzutage würde man das ‚Industrie-Spionage‘ nennen, für mich war das einfach Interesse: die Geräte genau zu analysieren, die Atmosphäre im Keller, die Anordnung der Utensilien in der Käserei und ihr Zweck, die Milchherkunft, den Stall sehen, das Land, den Käser kennen. Denn eines hatte ich bald festgestellt: Je kleiner die Käserei, um so grösser die Liebe des Käsers zu seinem Beruf! Ich kannte Sennereien in den Alpen. Für mich war Senn ein magischer Beruf, die Käser kamen mir fast wie Zauberer vor, wie Zeremonienmeister, denn alle Gesten wurden bewusst und langsam ausgeführt, der Rhythmus des Käsens wurde durch die Entwicklung der ‚Dickete‘, des ‚Bruches‘ bestimmt, für Außenstehende kaum erkennbar. Jesus hatte es da einfacher, das Wasser in Wein zu verwandeln! Der bediente sich eines Wunders, eigentlich ein unfairer Trick! Der Käser tut sich da schwerer, er hat zwar seine Säuremesser und Thermometer, die er zu Hilfe nehmen kann, doch ist vieles reines ‚Fühlen‘ geworden, im Laufe der Jahre…

      Doch wir sind hier noch ganz am Anfang. Außer Faszination haben wir etwas Erfahrung durch unsere drei Ziegen in Deutschland. Wir haben letztes Jahr auch bei einem Käselehrgang mitgemacht und zum Glück einiges mitbekommen, wir haben einen Kessel, wir haben einen Galgen im Kamin, um diesen darin aufzuhängen, wir haben unsere Milch. Es kann losgehen! Die erste Kuh hat gekälbert! Erst mal eine Woche melken und das Kolostrum, wie die leicht bräunlich oder von Blut rötlich gefärbte erste Milch genannt wird, mit der Schnuller-Flasche dem Kalb verfüttern. Dabei ist darauf zu achten, dem Kälbchen anfangs nur wenig zu geben, so 2 Liter und dann langsam steigern, da es sich sonst leicht übertrinkt und tagelang jede Nahrung verweigert. Und will es anfangs nicht trinken, ruhig mal hungern lassen! Dann will es von selber! Manche Bauern erhitzen das überschüssige Kolostrum in einer Pfanne, fügen Zucker hinzu und bereiten damit ein breiiges oder pfannenkuchenartiges Gericht.

      Unser Kalb war ein Stierkalb. Also war sein Schicksal schon bei der Geburt besiegelt. Maurice kaufte es uns für 950 Francs ab. War das ein guter Preis, hatte er uns gelinkt? Jean-Paul, ein Bauernsohn aus dem Dorf, meinte, man sollte immer versuchen, mehr zu bekommen, doch schwankten die Preise bei Kälbern enorm. Je nach Angebot! „Im Winter gibt es wenige und der Preis steigt. Auch gibt es für Stierkälber rund dreißig Prozent mehr als für Kuhkälber, weil sie sich besser mästen lassen! Sei froh, dass du keine ‚Holstein‘ hast! Manchmal verschenken die Bauern deren Kälber, um die Milch zu haben!“

      *

       Nach einer Woche ist es so weit und die Milch ist weiß, flüssiger, ist verkäsbar. Früher hatte man 2 Mal am Tag gekäst. In der ‚Barousse‘ ist es jetzt noch so. Das ist das einfachste, da die Milch noch warm und lebendig ist. Doch muss man da in einer Großfamilie oder in einer Kommune leben, um immer jemanden zum Käsen verfügbar zu haben! Wir hatten die Abendmilch in den Brunnentrog gestellt. Das Quellwasser hat eine Temperatur von rund 12 Grad, ideal für die Lagerung der Milch! Über längere Zeiträume braucht man aber eine Kühlanlage, denn die Lagertemperatur von Milch über ein paar Tage ist 4 Grad. Nach dem Melken in der Früh tragen wir die Kanne von gestern und die frische Milch in die Küche und leeren sie in den Kupferkessel, den wir in den Kamin auf das Feuer schwenken.

      Die Freundin von Charles, der inzwischen von den Eltern die Kneipe übernommen hat, hatte von ihrem Großvater eine Sammlung von alten Gegenständen geerbt, die in dem zu einem Museum umbenannten alten Pfarrhof ausgestellt werden sollten. Nächteweise waren wir darin zu Gange, um die Sammelstücke zu analysieren, aufzuhängen und zu beschriften. Und bei so manchem Gegenstand saßen wir lange davor, um herauszufinden, wozu er mal gedient haben mochte! Es waren einige hölzerne, schneebesenartige Teile dabei, denen man ansah, dass sie aus der Spitze eines kleinen Tannenbaumes hergestellt waren, deren gestutzte Äste durch in den Siel geschnittene Kerben zu Kreisen zusammengehalten wurden. Wie Christiane uns erklärte, hatten diese zum Rühren der Käsemasse gedient. Unterhalb vom Pfarrhaus lag eine Christbaumpflanzung. Dort besorgte ich mir einen kleinen Wipfel und verwandelte ihn in so eine ‚Toudeilhe‘.

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       Unsere Milch wird langsam warm. Ab und zu fischen wir etwas Asche und Ruß von der Oberfläche. Ich müsste mal einen Deckel bauen! Doch dann kann man nicht mehr rühren, und nichts schmeckt übler, als angebrannte Milch! „Ein Thermometer!“ „Draußen hängt eins!“ Aber das will ich nicht wegschrauben, außerdem ist es aus Metall. Doris hat eine Idee: „Wir haben noch das alte Badethermometer der Kinder!“

       Bei 32 Grad schwenken wir den Kessel aus dem Feuer und geben einen Teelöffel Lab hinzu, das wir in der Apotheke gekauft hatten. Gut verrührt, dann ein Tuch über den Kessel, damit die Milch sauber und warm bleibt. Nach einer halben Stunde stecken wir den gekrümmten Finger in die Milch und bewegen ihn leicht vorwärts. Die Milch ist irgendwie flockig, aber noch nicht so fest wie Joghurt, so wie wir es im Lehrgang gesehen hatten. Also abwarten! Nach einer Stunde ist sie zwar fester, aber immer noch nicht genügend. Wir rufen Eric an, der die Lehrgänge gibt. „Ihr habt bestimmt euer Lab in der Apotheke gekauft“, meint er, da ist es oft überlagert. Was steht drauf, welche Konzentration hat es?“ Wir schauen auf die Flasche. „Da steht nichts!“ „Typisch! Von einem Käser verlangt man alles Mögliche auf die Etiketten zu schreiben, und die schreiben noch nicht mal die Stärke und das Verfallsdatum drauf! Nehmt das nächste Mal die doppelte Menge Lab, noch besser, lasst euch eine Flasche vollfüllen in der Käsefabrik in St. Girons! Da seid ihr sicher, dass es frisch ist und ihr wisst die Konzentration! Deren Lab hat eine 10.000er

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