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wiederum eher in ein deutsches Mittelgebirge passen würde als nach Nordmexiko.

      Am nächsten Tag reiste ich weiter durch das Hochland von Mexiko nach Cuhautemoc. Dort wurde ich von »weißen« Mexikanern auf Deutsch in ihrem Land begrüßt. Diese deutschsprachigen Mexikaner sind Mennoniten, die lediglich Gott als Autorität anerkennen. Daher bekamen die Mennoniten im 19. Jh. in Deutschland große Schwierigkeiten beim Ausüben ihrer Religion. Über Russland, Kanada und die USA waren die Mennoniten nach Mexiko geflüchtet, das in den 20er Jahren des 20. Jh. sehr liberal geprägt war und die Mennoniten bei der Ausübung ihrer Religion in Ruhe ließ. Die Mennoniten sprechen aufgrund ihrer Isolation das Deutsch, das bei uns vor ca. 100 Jahren gesprochen wurde. Es war für mich sehr interessant, ein paar Worte mit einem alten Mennoniten zu wechseln, der natürlich auch fließend spanisch sprach. Die Mennoniten leben hauptsächlich von der Landwirtschaft. Die Hochlandebene in Nordmexiko eignet sich hauptsächlich für Getreideanbau und Viehzucht. Dementsprechend sah es dort etwa so aus, wie in den Great Plains in den USA, die ich einen Monat zuvor bereist hatte: Felder und Weiden soweit das Auge reichte. Allerdings trugen in Nordmexiko wesentlich mehr Männer Cowboyhüte als die Boys in den USA, die mittlerweile doch mehr auf Baseball-Kappen stehen.

      Von Cuhautemoc fuhr ich nach Chihuahua, das in der lokalen Nahua-Sprache ganz treffend »trockene und sandige Gegend« bedeutet. Die Stadt hatte leider nicht viel zu bieten, außer der Tatsache, dass sie eine große Bedeutung für die mexikanische Geschichte hat. Der berühmte Doroteo Arango, besser bekannt unter dem Namen Francisco »Pancho« Villa, war in der Stadt zu Hause. Eigentlich war Pancho ein Räuber, wie es Anfang des 20. Jh. sicherlich tausende im »Wilden Norden« Mexikos gab. Seit der Unabhängigkeit von Spanien 1821 war Mexiko rein theoretisch eine Demokratie, die aber Anfang des 20. Jh. eher einer Diktatur glich. Pancho hatte sich gerade mit Anfang 30 zur Ruhe gesetzt, als er von Bekannten für die Revolution gewonnen wurde. Sie hatten vor, den Großgrundbesitzern Land für die arme Bevölkerung abzunehmen. Pancho Villa war ein talentierter Guerillakämpfer und nach einem Jahr Bürgerkrieg nahm der Diktator 1911 seinen Hut. Der nun folgende Präsident Madero war nicht in der Lage, das Land zur Ruhe zu bringen und wurde 1913, wie so viele Präsidenten Mexikos vor ihm, umgebracht. Pancho floh zunächst in die USA, um schließlich wieder einen Guerillakrieg mit der gleichen Forderung anzuzetteln: Land für Arme. Die mexikanische Armee wurde erneut mit Panchos Hilfe geschlagen und der nächste Präsident nahm seinen Hut. 1915 zersplitterte die Guerillaarmee und Panchos Leute wurden besiegt. Pancho aber entkam. Da die USA die Gegner Panchos unterstützten, rächte sich Pancho 1916 und es gelang ihm, die Amerikaner in New Mexico zu überfallen. Diese entsandten danach 12.000 Soldaten nach Mexiko, um Pancho zu stellen. Doch der damals meist gesuchte Terrorist der Welt wurde von den US-Truppen nie gefunden. 1920 setzte sich Pancho Villa nun endgültig zur Ruhe und wurde schließlich auch von den USA in Ruhe gelassen, bis er 1923 in seinem Auto erschossen wurde. Die Hintermänner dieses Attentats sind bis heute unbekannt. Irgendwie erinnerte mich diese Geschichte des meist gesuchten Terroristen an heutige Tage.

      Von Chihuahua fuhr ich mit dem Bus den Katzensprung von 876 Kilometern durch die mexikanische Nacht nach Zacatecas in Zentralmexiko. Die Landschaft änderte sich innerhalb dieser zwölf Stunden Fahrt überhaupt nicht: Hochland in 2.000 Metern Höhe, das hauptsächlich für die Viehzucht und die Landwirtschaft genutzt wurde. Der Name Zacatecas stammt vom Indianerstamm der Zakateken, die in dieser Gegend lange vor der spanischen Besatzung Silber gefunden hatten. Ein Zakateke gab fatalerweise einem spanischen Kolonialisten angeblich ein Stückchen bearbeitetes Silber. Die Spanier gründeten daraufhin die Stadt Zacatecas und hauten mehrere Minen in die sie umgebenden Berge. Die Indianer wurden versklavt und in die Minen geschickt. Die Silbermengen, die in Zacatecas aus dem Stein gehauen wurden, bildeten rund 20 Prozent des gesamten in Neuspanien gewonnenen Silbers. Neuspanien umfasste damals die besetzten Gebiete Mittel- und Südamerikas sowie die Philippinen. Die spanischen Kolonialisten wurden sozusagen steinreich, viele Indianer hingegen kamen in den Minen um. Der Reichtum der Kolonialisten war noch in Zacatecas zu bewundern. Riesige, gut erhaltene Paläste, Kirchen aus rot-orangenem Stein gehauen und mit Fresken überhäuft, Plätze mit Springbrunnen sowie weitläufige Parks erinnern an die Blütezeit der Stadt. Für mich war Zacatecas geographisch sehr bedeutsam. Die Stadt liegt direkt am nördlichen Wendekreis. Am 21. Juni jeden Jahres steht dort die Sonne genau um zwölf Uhr mittags senkrecht über der Stadt. Mit dem Überschreiten des nördlichen Wendekreises reiste ich geographisch betrachtet in die Tropen ein. Diese erstrecken sich vom nördlichen bis zum südlichen Wendekreis.

      Zacatecas bot kulinarische Leckerbissen wie Obstsalat aus dem Plastikbecher. Melonen-, Papaya-, Ananas-, Gurken- und Zuckerrohr-Stücke wurden in den Becher geschnippelt und auf Wunsch mit frisch gepresster Limette und Chili garniert. Gegessen wurde dieser Cocktail mit Hilfe eines Zahnstochers. Zacatecas lud auch sehr zum Entspannen vom Leben auf der Straße ein. Denn natürlich gingen mir der Lärm und der Dreck, die permanent auf mir lasteten, irgendwann auf den Keks. In Zacatecas’ Parks konnte ich mich daher mit meinem Fruchtsalat auf einer Parkbank niederlassen und klassischer Musik lauschen, die aus aufgestellten Lautsprechern durch den Park tönte. Außerdem konnte ich auf die Hügel der Stadt klettern und den herrlichen Sonnenuntergang genießen, bevor es aber auch dort sehr kalt wurde. Schließlich liegt Zacatecas auf mehr als 2.300 Metern Höhe.

      Von Zacatecas aus begab ich mich nach Guadalajara, der zweitgrößten Stadt Mexikos, um wieder einmal auf Schatzsuche zu gehen. Nein, keine postlagernden Briefe oder Touristenkarten, sondern Medikamente galt es dieses Mal zu finden. Schließlich reiste ich die nächste Zeit nun in den Tropen und da wohnen auch manchmal ziemlich unliebsame Zeitgenossen, wie die Anopheles-Mücke, die die so genannte »Malaria« überträgt. Mein Tropendoktor in Deutschland meinte, ich solle mir die Malaria-Medikamente in Mexiko besorgen, da sie wesentlich günstiger als in Deutschland seien. Das mochte vielleicht stimmen, aber leider war es gar nicht einfach, diese zu finden. Erstens hießen die Medikamente anders, zweitens fanden sich in den Apotheken meist lediglich so wirksame Medikamente wie Corona oder Snickers, aber leider keine Malariaphrophylaxe. Schließlich absolvierte ich in mehreren Apotheken ein Kurzstudium der Pharmazie und lernte verschiedene Mittelchen kennen. Anschließend ging es ab ins Internetcafé um herauszukriegen, welchem Mittelchen das Zeug in Deutschland entsprach. Nach längerer Suche bekam ich meine Grundprophylaxe gegen Malaria und konnte nun zunächst unbeschwert weiterreisen.

      Da ich in Guadalajara nur Apotheken besuchte, kann ich über die Stadt nicht sonderlich viel berichten, außer dass es die ersten drei Tropfen Regen seit dem 4. Oktober 2002 für mich gab. Damals war ich im Platzregen mit dem Greyhound von Boston nach White River Junction gefahren. Nachdem ich meine Medikamentensucht befriedigt hatte, stellte ich mich meinem nächsten Suchtproblem 60 Kilometer von Guadalajara entfernt. Ich besuchte die sicherlich vom Namen her bekannte Stadt Tequila. Rund um die Stadt wuchsen Agaven, Agaven und nochmals Agaven. Diese sind die Basis für das mexikanische Getränk schlechthin mit dem gleichen Namen wie die Stadt, in der dieses Gesöff produziert wird. Der Sage nach stießen die Indianer lange vor der spanischen Besatzung durch einen Zufall auf diesen Trunk. Ein Blitz schlug in eine Agave ein und nach dem Regenguss probierten die Indianer die Flüssigkeit, die aus dem Herz der Agave floss. Dies schmeckte ihnen so gut, dass sie von nun an die Agaven-Herzen in der Sonne brannten. Es dauert etwa zwölf Jahre, bis ein Agaven-Herz vom Typ »Agave Tequilana Weber« das Erntegewicht von 50 Kilogramm erreicht. Während die Indianer aus der Pflanze Kleidung, Essen, Papier, Tequila und Folterinstrumente herstellten, wird die Agave heute nur noch als Grundlage für das alkoholische Getränk verwendet. Heute werden die Agaven-Herzen drei Tage lang gekocht, danach geschreddert und gepresst. Der Abfall wird wie in den schottischen Whiskybrennereien auch an die Tiere der Umgebung verfüttert. Der Saft hingegen wird mit Hefe versetzt und es beginnt der Prozess der Fermentation. Heute wird der leicht alkoholische Saft nicht mehr in der Sonne gebrannt sondern in Dampfkesseln. Natürlich existieren verschiedene Sorten von Tequila. Laut Gesetz muss Tequila mindestens 51 Prozent Agaven-Substanz enthalten. Der Rest kann aus Zuckerrohr bestehen. Die guten Tequilas enthalten 100 Prozent Agaven-Substanz. Die Farbe der so genannten »Goldenen Tequilas« kommt bei »Añejos« von den Eichenfässern, in denen der Tequila ein Jahr verbringt. Bei den billigen »Joven«{73} wird einfach Karamel-Substanz dazugekippt. Die Mexikaner machen keinen Unterschied in der Trinkweise zwischen goldenem und silbernem Tequila:

      1. Mit der Zunge den Handrücken ablecken

      2.

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