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konnte nur hoffen, dass dies möglichst lange so bleiben würde.

      Von Ensenada begab ich mich auf die Durchquerung der Baja California. Sie ist mit über 1.200 Kilometern Nordwest-Südost-Ausdehnung die längste Halbinsel der Welt und besteht hauptsächlich aus Strand, Bergen und Wüste. Die ersten Europäer, die dort Siedlungen aufbauten, waren Missionare im 17. und 18. Jh. Ihre Missionsarbeit war oftmals nicht von Erfolg gekrönt, starben doch die meisten indigenen Ureinwohner an Krankheiten, die von den Europäern mitgebracht worden waren. Während der US-Prohibition war die Baja ein Paradies für Alkoholschmuggler, für Spieler und andere »Sünder«. Heute ist die größte Stadt der Halbinsel, die Grenzstadt Tijuana, Sitz des pazifischen Drogenkartells. Dieses ist so mächtig, dass es angeblich sogar einen der Vorgänger von Staatspräsident Fox, den unbeliebten Präsidenten Salinas, schmierte. Man stelle sich vor, unser Kanzler wäre in Drogengeschäfte verwickelt.

      Die Baja California ist so lang, dass es auf ihr zwei Zeitzonen gibt. Der Norden hat noch die »Pacific Standard Time«, der Süden die so genannte »Mountain Time«. Dies ist wahrscheinlich der einzige Ort weltweit, wo eine Zeitzone an einem Breitengrad endet. Normalerweise wurden die Zeitzonen weltweit immer an Längengraden ausgerichtet. Die Fahrt auf der »Carretera Transpeninsular« oder MEX1 nach Südwesten war schockierend. Die MEX1 ist sicherlich einerseits die längste Müllkippe der Welt, da Mexikaner noch nicht auf den Trichter gekommen waren, Müll eventuell einmal im Auto zu behalten und später in einen Mülleimer zu werfen. Andererseits war es erschreckend zu sehen, wieviel Kreuze am Straßenrand standen. Es verging manchmal kein Kilometer, ohne dass ein Blumenkränzchen an einen Verstorbenen erinnerte. Oft lag das zerschellte Wrack völlig verrostet noch hinter der Straße im Graben, in der Schlucht oder es klebte am Fels. Nur gut, dass die Busfahrer ziemlich besonnen fuhren, da ich keine sonderlich große Lust verspüre, hier auch ein Blumenkränzchen zu erhalten. Der Grund für die vielen Unfälle liegt an der reizvollen Streckenführung durch Gebirge, dem ständigen Auf und Ab und den vielen Kurven. Die Straße war relativ eng, sodass ein Ausweichen unmöglich erschien. Ich war sehr froh, diesen Ort des Schreckens heil durchreist zu haben. Hinter den Bergen änderte sich die Landschaft abrupt. Plötzlich gab es nur noch Kakteen und dorniges Gestrüpp. Es begann die Wüste, die mich die nächsten 1.300 Kilometer begleitete. Das glühende Abendrot über der Baja war ein traumhaftes Erlebnis, das die Schrecken des Tages vergessen ließ.

      Schließlich kam ich an den ersten Militärcheckpoint auf meiner Reise. Mitten auf einer langen Geraden konnte unser Fahrer gerade noch bremsen, war diese Straßensperre doch lediglich mit einer Ölfunzel »beleuchtet«. Da wir nach Süden unterwegs waren, kamen wir schnell durch die Kontrolle des mexikanischen Militärs. Die Autos, die nach Norden unterwegs waren, wurden hingegen gründlich von herumflitzenden Mexikanern gefilzt, die mit Maschinengewehren ausgestattet waren. Dies war ein sichtbares Zeichen des Anti-Drogen-Kriegs der USA und Mexikos. Ein Schild bat sogar um Entschuldigung für diese Kontrolle. Das Geld für das Schild hätte man lieber in eine gescheite Beleuchtung stecken sollen. Ich war heilfroh, als wir den Checkpoint wieder verließen. Bei solchen Kontrollen bekomme ich immer ein ungutes Gefühl, wenn ich einem einen halben Meter kleineren Mexikaner gegenüber stehe, der lässig seine Maschinenpistole über die Schulter geworfen hat.

      In Guerero Negro, mitten in der Wüste, machte ich Halt für die Nacht. Guerero Negro war ein typisches mexikanisches Straßenkaff. Ich brauchte absolut keinen Stadtplan. Alles Wichtige für den Reisenden wie Taquerias, Hotels, Busstation und Internetcafé war in Reih und Glied an der Straße entlang zu finden. Was mich auf der Baja verwunderte, war die Tatsache, dass ich überall auf einen Campingplatz stieß. Allerdings waren diese für die amerikanischen Touristen ausgelegt. Da in Amerika alles groß ist, sind auch die Wohnmobile, mit denen die Amerikaner auf der Baja einrücken und in ihrer Heimat quer durch die Nation fahren, überdimensioniert. Die Bezeichnung »RV« steht eigentlich für »Recreational Vehicle«. Ich würde es eher als »Richtig Verrückt« bezeichnen, schließlich haben diese Dinger die folgenden Maximalmaße: Höhe 4,10 Meter, Breite 2,60 Meter und in den drei Dimensionen Länge mal Breite mal Höhe bis zu 21 Meter. Meist war an das »RV« noch ein Auto drangehängt, das in den Maßen nicht inbegriffen ist. So durfte ich für ein paar Dollar zwischen diesen Monstren die Nacht verbringen.

      Natürlich wollte ich die Baja nicht nur mit dem Bus durchreisen, sondern auch einmal »pur« erleben. So war ich wieder mit einem Fahrrad, dieses Mal der Marke Trek unterwegs. Das Rad würde ich einmal mehr in »Dreck« umtaufen, da sich die Schaltung in einem äußerst desolaten Zustand befand. So sah ich schon die nächste Panne auf mich zukommen, nachdem mir letzte Woche in San Francisco mitten in der unberührten Natur ein Reifen geplatzt war. Die Verleiher gaben mir wie in San Francisco einen Ersatzschlauch mit auf die Fahrt. Wahrscheinlich hatten sie Mitleid mit mir und wollten mich nicht mit einer Reifenpanne in der Wüste verrecken lassen. Der Zustand des Rads war am Ende noch das geringste Problem. Die Piste hatte den Namen Piste überhaupt nicht verdient, war es doch einfach ein breiter Trampelpfad durch tiefen Sand, über Felsen und durch Kies mit Steigungen von bis zu 15 Prozent. So gab ich mein Tagesziel, ein Kloster in den Bergen, ziemlich schnell auf. Dummerweise hatte ich aber damit gerechnet, dass ich leicht dorthin käme und hatte daher kein Essen dabei. Wenigstens besaß ich vier Liter Wasser. Das konnte ich auch gut gebrauchen, schließlich war es sehr heiß. Das Wasser, das ich beim Trinken verschüttete, verdampfte beim Aufkommen auf den Steinen. Nach vier Stunden Rad fahren hatte ich vielleicht 35 Kilometer zurückgelegt und feststellen müssen, dass es in der Wüste keine Taquerias gab. Da half nur noch Kaugummi essen. Diesen hatte ich in Neufundland als Geschenk beim Kauf eines Kaffees und eines Muffins bekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Kaugummi mir einmal so aus der Patsche helfen würde. Er war das Letzte, was ich bei mir hatte, und er stopfte den Magen. So hatte ich wenigstens kein Hungergefühl mehr. Die Geier kreisten bereits über mir, aber die Situation war halb so schlimm, weil ich ja wusste, dass ich vier Stunden später wieder etwas zu essen bekommen, und ein Taco-Verkäufer sehr reich werden würde. Wenigstens musste ich mir um einen Sonnenbrand keine Sorgen machen. Es war so staubig und sandig, dass ich gut paniert nach Hause kam und sich keine Stelle auf der Haut gerötet hatte. So konnte ich die Kakteenwüste und die Oase mit ihren Palmen und blühenden Blumen mitten in der Einöde doch genießen.

      Aber auch an der Küste gab es einiges zu bestaunen. Die Pelikane auf der Baja machten es den Klippen-Springern von Accapulco nach. Vor dem kamerabehängten Touristen posierend kamen sie in den Hafen geflogen und stürzten sich vor mir plötzlich kopfüber ins Wasser, um fischen zu gehen. Einige dieser Vögel waren wirklich verrückt. Sie tauchten zwischen den Booten ins Wasser und manchmal stießen sie auch mit dem Nachbarvogel zusammen. Es gibt halt nicht nur bescheuerte Menschen. Aber bescheuerte Menschen gibt es anscheinend dafür überall. Bei der Fahrt an den südöstlichsten Zipfel der Baja California war ich doch tatsächlich im Touristenhauptquartier gelandet. Der Ort Cabo San Lucas steht El Arenal auf Mallorca sicher in Sachen Betten-Burgen und Alkoholkonsum in nichts nach, mit dem kleinen Unterschied, dass die Amerikaner wahrscheinlich weniger vertragen als ihre deutschen Genossen auf Mallorca. Schließlich sind die Amerikaner das »Flavoured Water« von zu Hause gewöhnt. Ein Amerikaner, den ich in San Diego traf, zog folgenden banalen, aber sicherlich nicht völlig falschen Vergleich. Die Amerikaner, die auf die Baja fliegen, haben nur das Saufen im Sinn. Die Deutschen, die hierher kommen, sind eher an der Kultur oder der Natur des Landes interessiert. Die Deutschen, die nach Mallorca fliegen, sind nur am Saufen interessiert. Die Amerikaner, die nach Spanien reisen, sind eher an der Kultur oder an der Natur des Landes interessiert.

      In Mexiko bekam ich wie in den USA auch noch etwas vom Wahlkampf mit. Es existierten wieder keine Wahlplakate. Die Werbung lief anders ab. Ganze Häuserwände bekamen einen neuen Glanz mit gemalten Wahlslogans. Diese bleiben später als Anstrich auch nach der Wahl sichtbar. Die Wahl in Mexiko fand im Februar 2002 statt, also vor neun Monaten. Aber auch für Corona und die berühmte klebrige amerikanische Brause werden ganze Häuserzeilen frisch bemalt. Wenn ein Fest ansteht, muss wieder eine Häuserwand gefunden werden, die einen neuen Anstrich gebrauchen kann. Dadurch sahen viele Dörfer wie ein kunterbuntes Mosaik aus. Da es in Mexiko früher anscheinend auch wenig Straßenschilder gab, fand ich in manchen Städtchen doch tatsächlich Sponsoren. In Todos Santos beispielsweise waren alle Straßennamen von Corona gesponsert. Dem üblichen Straßennamen folgte im Schild noch der Zusatz Corona und das dazugehörige Logo der Biermarke.

      Schließlich

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