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war eine jener Veranstaltungen, vor denen es ihm immer wieder aufs Neue grauste. Der Autor hatte wieder einmal eine Lesung gehalten, jene mit Anekdoten verziert und danach Autogramme gegeben. Das wurde von ihm erwartet, daran hatte er sich gewöhnt, das fand er in Ordnung. Was ihn jedoch übelst ankotzte, waren die Empfänge danach. Er haßte es im Mittelpunkt zu stehen und noch mehr verabscheute er es, von wildfremden Menschen begafft und betatscht zu werden, welche ihm versicherten, wie toll sie ihn und seine Bücher fänden, doch immer wenn er sich beiläufig nach den Titeln der Lieblingsbücher seiner Bewunderer erkundigte, umhüllte ihn peinlich betretenes Schweigen. Nein, auf solchen Veranstaltungen fühlte er sich völlig fehl am Platz, denn dort tummelten sich meist Leute, mit denen man aus guten Gründen privat überhaupt nichts zu tun haben wollte. Eine davon war natürlich Gitta, die es sich ein weiteres Mal nicht nehmen ließ, ihre giftigen Spitzen abzufeuern: „Ah, da ist ja der große Meister. Was für ein gelungener Abend! Haben Sie meine letzte Kritik gelesen?“ wollte sie wissen. „Warum sollte ich, wenn Sie sich nicht einmal die Mühe machen, die Bücher zu lesen, die Sie verreißen“, konterte er. Damit hatten die Beiden die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf sich gezogen und wurden erwartungsvoll angestarrt. Stille kehrte ein. „Wissen Sie, mein lieber Freund, bei Ihren Büchern reichen mir schon zehn Seiten, um einen Brechreiz zu bekommen“, höhnte Gitta. „Geben Sie bitte nicht mir die Schuld an Ihrer Legasthenie“, erwiderte er. Ein Raunen ging durch die Menge. Mit so etwas hatte man an jenem Abend auf keinen Fall gerechnet gehabt. „Sie müssen den Auftritt unseres hochverehrten Autors schon entschuldigen, liebe Gäste. Wir wissen ja alle, wie schwer ihn der Tod seines Hängebauchschweins getroffen hat und daß er ein klitzekleines Alkoholproblem hat, seit ihn seine Frau verlassen hat, weil sie sein Geschreibe und Geschrei nicht mehr ertragen konnte.“ Jene Worte von Gitta provozierten ihn auf das Heftigste. „Mag sein, daß die allmonatlichen Blutungen meiner geschätzten Dauernörglerin ins Hirn gestiegen sind oder daß sie immer wieder beim Lesen eines Buches ihre schriftstellerische Impotenz schmerzvoll spürt, da sie leider nichts Kreatives erschaffen, sondern nur zerstören kann. Nichtsdestotrotz freuen wir uns alle darüber, daß sie heute Abend die Peitsche beiseite gelegt und den Darkroom verlassen hat, um uns mit ihrer überwältigenden, düsteren Schönheit zu erfreuen.“ Danach trennten sich die Wege der Beiden und es wurde noch ein gemütlicher Abend, wenngleich allen Gästen klar war, daß die ganze Sache noch ein Nachspiel haben würde. Die Würde des Menschen ist unantastbar? Nicht in diesem Genre. Alle wußten, daß der Autor gerade an einem neuen Werk arbeitete, welches Gitta bereits im Vorfeld heftigst kritisiert hatte. Man durfte also gespannt sein.

      Ziemlich erschöpft legte sich der Autor in seinem Hotelzimmer auf das Bett und dachte nach. Er hatte seine Kontrahentin bis aufs Blut gereizt. Sie würde ihn garantiert niedermachen, wie schon so oft zuvor. Vielleicht sollte er dieses Mal anders vorgehen und sie in seinen neuen Roman mit einflechten. Krieg heil.

      Und sie machten ihm die Hölle heiß ...

      Nein, es war keine leichte Rückkehr in die Hölle für den Teufel, denn seine eifersüchtigen Freunde stellten ihn sogleich zur Rede. „Was hast Du so lange bei Gott gemacht, Zifi?“ löcherten sie ihn. „Nichts. Laßt mich in Ruhe!“ befahl Satan, doch damit machte er sie erst recht stutzig. Irgendwann hatten sie ihn soweit, daß er auspackte, nein, nicht was Du schon wieder denkst, Du Ferkel. Der große Mephistopheles verkündete: „Liebe Freunde, verehrte Gäste! Unsere Rückkehr in den Himmel steht bevor. Ich habe mit Gott eine Wette abgeschlossen ...“ Daraufhin erhob sich vielstimmiges Gemurmel. „Er nun wieder“, „Dieser verdammte Zocker“, „Der Spinner wird uns noch in den Untergang führen“, „Frauenflüsterer, vermaledeiter“ und Ähnliches war zu hören, bevor Luzi fort und damit zur Hölle fahren konnte: „Ich werde diese Wette gewinnen.“ Wieder wurde es laut: „Ja genau! Wie oft haben wir den Satz schon gehört?“, „Adolf an die Macht. Dieser Teufel ist eine Zumutung“, „Scheiß Schwuchtel“ und Anderes war vernehmbar. „Jetzt haltet doch mal die Klappe! In weniger als zwei Wochen wird die Hölle zufrieren und wir werden alle in den Himmel kommen“, versprach Zifi, bevor er sich in seine Frittenbude zurückzog. Sofort war er von seinen Lieblingsengeln und Lieblingsbengeln umringt. „Was hast Du gemacht, Feri?“ fragte einer der schwulen Engel. „Das bleibt mein Geheimnis“, entgegnete der Angewärmte. „Ich verstehe das nicht. Gott ist schließlich genauso schwulenfeindlich wie der Kativan. Warum diese Kehrtwende? Wir sind doch damals wegen unserer Andersartigkeit rausgeflogen“, erinnerte sich ein anderes Englein. „Das spielt doch alles keine Rolle mehr. Wir werden unsere Chance nutzen und dann wird alles supertuffig, denn wir bekommen ein Drittel von der göttlichen Allmacht“, bemerkte Satanas. „Wow!“ entfuhr es seinem größten Fan. Danach war es für eine Weile ziemlich ruhig, bis Xerus, Luzifers allerbester Freund, zu bedenken gab: „Und wenn es eine Falle ist? Gott ist durchtrieben und hinterlistig, außerdem ist sie eine Frau. Die will uns bestimmt nur erniedrigen.“ „Lächerlich. Gott langweilt sich da oben und wir sind sehr humorvoll und unterhaltsam. Immer mit der Ruhe, Jungs. Erst muß ich die Wette gewinnen, dann sehen wir weiter“, warf Beelzebubi ein. „Aber willst Du wirklich das alles hier aufgeben? Die Hölle floriert, die Nachfrage ist gigantisch, wir sind total im Kommen. In ein paar Ewigkeiten können wir den Himmel übernehmen. Lassen wir doch den Quatsch und bleiben hier“, bat einer von denen, welche den Himmel für die wahre Hölle hielten. Allerdings widersprach ihm Luzifer: „Du Vollidiot, was weißt Du denn vom Himmel? Ich war schon im Licht, viele Ewigkeiten lang, ich weiß was ich verpasse. Ich habe keine Lust mehr, in diesem Höllenloch herumzuvegetieren. Ich will nach Hause. Ein Drittel der göttlichen Allmacht, das ist gigantisch, das könnt Ihr Euch überhaupt nicht vorstellen. Ich habe eine Entscheidung getroffen und wenn ich diese Wette gewinne, dann können sich die Menschen auf der Erde auf etwas gefaßt machen. Gott unterschätzt mich und ist viel zu notgeil“, entfuhr es Luzi. Da horchten seine Freunde auf und wußten Bescheid.

      Männer sind Schweine

      Charlotte konnte es nicht fassen. Gerade erst seit zwei Tagen lebte sie mit Marc zusammen und schon schaute ihre bislang blitzbsaubere Wohnung aus wie ein Dreckloch. Überall lagen Unterhosen, Socken und Bierflaschen herum, genauso faul und stinkend wie ihr Gast. Marc ließ sich bedienen und verwöhnen, doch Charlotte hatte einen anstrengenden Tag hinter sich gehabt und war dementsprechend gereizt. „Du Sau! Wie es hier aussieht! Ich fasse es einfach nicht! Verschwinde!“ Verdutzt schaute Marc sie an, doch er hatte Glück. Gerade als sie ihn vor die Tür setzen wollte, klingelte es an jener. Zwei Männer standen davor, behaupteten, sie müßten die Heizung kontrollieren und machten sich sogleich ans Werk. Währenddessen warf Charlotte ihrem Schauspieler wütende Blicke zu und bedeutete ihm, seine paar Sachen zu packen. Zufällig kam sie kurz darauf am Zimmer vorbei, in dem die beiden Kerle arbeiteten und warf einen Blick hinein. Elektrisiert blieb sie stehen. Sie konnte es einfach nicht fassen, aber die Männer brachten tatsächlich Wanzen in ihrer Wohnung an. „Hey! Was soll der Mist? Was seid Ihr denn für komische Vögel?“ schimpfte sie. Den Typen war klar, daß Leugnen zwecklos war, denn man hatte sie auf frischer Tat ertappt. „Wir sind vom Verfassungsschutz und möchten Sie gerne abhören“, gab der mit der Brille zu. „Aber wieso das denn?“ wunderte sich die Psychotante. „Jetzt stellen Sie sich mal nicht dümmer als wir sind. Eine Psychologin und ein mehrfach vorbestrafter Gauner, das ist eine ganz gefährliche Mischung. Da lauert der Terrorismus praktisch schon an der Ecke.“ „Was erlauben Sie sich! Sie sind doch wohl nicht ganz richtig im Kopf!“ „Mit Beleidigungen werden Sie uns nicht täuschen. Wir beobachten Ihren neuen Mitbewohner schon lange. Bisher war er nur ein kleiner Fisch, weil er halt lediglich ein Mann der Praxis ist. Sie aber haben das theoretische Know-how und mit ihm zusammen könnten Sie für unseren Staat leicht eine Bedrohung werden.“ „Die einzige Bedrohung für diesen Staat sind Leute wie Sie, die unbescholtene Mitbürger zu Unrecht verdächtigen. Ich will doch nur in Ruhe und Frieden in diesem Land leben.“ „Wir wollen es hoffen. Jetzt, da Sie wissen, daß wir Sie beobachten, dürften Sie ja so vernünftig sein, keine Dummheiten zu machen.“ „Sagen Sie mal: Für wen arbeiten Sie eigentlich?“ „Für die ganz oben, Sie wissen schon. Schönen Tag noch!“ Daraufhin verließen die beiden Männer Charlottes Wohnung. Sie stand noch eine Weile verdattert da, bevor sie sich hinsetzte und mit Marc über das eben Geschehene reden wollte. Doch der lag schnarchend auf der Couch, mit einem selig verklärten Gesicht. „Bestimmt träumt er gerade davon, wie er ein paar leichtgläubige Leute hereinlegt“, dachte sich

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