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„Alles klar.“

      Dann wendet sie sich wieder an alle: „Die anderen Surfgäste sind schon drinnen. Wenn ihr eure Sachen angelegt habt, kann es losgehen.“

      „Wie sieht es mit den Wertsachen aus?“, fragt Stallmeister und rührt sich nicht vom Fleck.

      Wir haben wasserdichte Taschen, damit ihr Geld mitnehmen könnt. Aber wir haben auch einen Safe.“

      Als sie hineingehen und ihre Sachen abgelegt haben, muss Kerstin feststellen, dass der Safe nichts weiter ist als eine Metallschatulle. Sie legen ihren Fotoapparat und das wenige Geld hinein. Als Trogbert seine Badetasche präsentiert, meint Antje: „Die brauchst du nicht. Du brauchst den da.“ Sie zeigt auf einen Neoprenanzug. Dieser sieht aus wie die Haut, die man einem mittelgroßen Wal abgezogen hat.

      Die Surfschule ist zum Meer hin offen, so dass genug Licht in den ansonsten fensterlosen Raum fällt. Es riecht nach Meer, Sonnencreme und Gummi. An einem Tisch sitzen ein japanisches Pärchen und zwei jugendliche Schweden. Sonst sind nur noch vier Stühle frei. Sie setzen sich und Antje beginnt mit ihrer Einführung. Erst geht es um versicherungstechnische Dinge, dann um Krankheiten und Risiken. Sie spricht ein hervorragendes Englisch, jedoch ohne den holländischen Akzent wie im Deutschen. Danach steht sie voller Tatendrang auf.

      Die Anzüge, erklärt sie, müssten anhand der Größe ausgewählt werden, ebenso die Surfbretter. Dann gehe es hinaus auf den Sand, für die Trockenübungen. Da alle Teilnehmer Anfänger seien, würden sie im Inneren der Bucht mit dem Surfen beginnen. Sollten sich rasche Fortschritte zeigen, gehe es im Verlauf der Woche weiter hinaus ins offene Meer. Sie behauptet, ihr Kollege sei in der Stadt, komme aber später zurück.

      Aus der Kabine hört man Trogbert beim Umziehen stöhnen. Als er selbst an der Reihe ist und sich mühsam sämtliche Schmerzensschreie verkneift, bereut er bitterlich, am Morgen die Rasur an Brust und Beinen vergessen zu haben.

      Als sie alle in ihren hautengen schwarzen Anzügen stecken, machen sie sich auf den Weg zum Scheitelpunkt der Bucht. Antje erklärt, dass sie ihr die nun folgenden Übungen nachmachen sollen. Trogbert steht daneben und sieht aus wie ein Frosch, in dessen Teich ein Tanker havariert ist. Kerstin wirkt ausgesprochen sportlich in ihrem kleinen Schwarzen, von den beiden schwedischen Jungen ganz zu schweigen. Die Japaner sehen in dieser Kluft aus wie Japaner. Stallmeister wird heiß. Die Sonne brennt auf sein Gummikleid und er will sich sofort ins Wasser werfen.

      Antje legt ihr Surfbrett in den Sand und sich dann auf den Bauch. Dann macht sie ein paar Bewegungen vor: Sie hebt den Oberkörper, zieht dann ein Bein nach, dann das andere. Sie begibt sich in die Hocke und steht schließlich auf. Es wirkt alles ganz logisch und leicht nachvollziehbar. Alle machen es ihr nach, mit mehr oder minder großem Erfolg. Der japanische Mann meint, sie solle die Demonstration wiederholen. Sie wiederholt die Übung, nur in anderer Reihenfolge. Alle machen sie nach. Mit Trogberts B-Note ist sie unzufrieden und dieser bittet sie daher, die Abläufe nochmals zu wiederholen. Wieder ist es eine vollkommen andere Choreographie als zuvor. Klaglos machen alle nach, was Antje ihnen sagt. Dann meint Stallmeister aus Jux, sie solle die Schritte nochmals vormachen. Sie Bewegungsabläufe sind auch diesmal vollkommen neu. Inzwischen sind alle ziemlich verwirrt. Also schlägt er vor, sie solle es im Wasser probieren, in gewohnter Umgebung mache man intuitiv alles richtig.

      Sie steigt in die Fluten und zieht das Brett hinter sich her. Als das Wasser ihr bis zur Hüfte reicht, zieht sie das Board zu sich heran und legt sich umständlich darauf. Dann paddelt sie hinaus. Die Wellen werden stärker, und Stallmeister ist sich nicht sicher, ob er noch irgendetwas erkennen kann, was ihm später weiterhelfen könnte. Man kann erahnen, dass sie gerade versucht, auf dem Brett aufzustehen. Alles sieht ziemlich wacklig aus. Der Japaner sagt irgendetwas Japanisches zu seiner Frau. Alle Kursteilnehmer starren wie gebannt auf die Wellen, zwischen denen Antje gerade die Grundbewegungen des Surfens durchexerziert. Es macht nicht den Eindruck, als würde sie hochkommen, auch nicht bei stillerer See zwischen den Wellen. Mehrfach bricht sie den Versuch ab. Dann steht sie auf. Sie fällt sofort vom Brett. Zwischen den wogenden Wassern sieht man sie wieder am Brett Halt finden. Mühsam kriecht sie darauf. Eine Welle kommt und verschluckt sie. Sie taucht unter ihrem Brett wieder auf. Abermals klammert sie sich an das Stück Holz. Zwei Wellen wirbeln sie herum. Nach weiteren zehn Sekunden liegt sie wieder halb auf dem Board, kriegt aber ein Bein nicht darauf. Eine weitere Welle macht den kleinen Fortschritt zunichte. Ihre Bewegungen werden hektischer, unkoordinierter, als sie wieder aufgetaucht ist und das Brett zum Greifen bekommt. Die zwei schwedischen Jungs reden miteinander, lachen. Dann bricht das Lachen ab. Kerstin ist wie erstarrt, Trogbert hat sich hingesetzt und hält sich eine Hand vor den Mund. Die japanische Frau vergräbt ihr Gesicht in der Achselhöhle ihres Mannes. Stallmeister beschirmt seine Augen mit einer Hand gegen die Sonne. Er versucht zwischen den Reflexionen des Lichts auf dem Wasser irgendetwas zu erkennen, was ihm Aufschluss geben könnte. Antje treibt immer weiter draußen, wo die Wellen stärker werden. Es sieht so aus, als würde sie winken, etwas rufen, aber sie hören sie nicht. Zwischen den Wellen sieht man sie nur noch ab und zu erscheinen. Das Brett ist überhaupt nicht mehr auszumachen, nur noch ein schwarzer Punkt, der Spielball der Meereslaunen geworden ist. Für den Hauch von Sekunden lebt sein Glaube an ihre Surfbefähigung noch. Dann erstirbt er. Stallmeister springt ins Wasser und krault hinaus.

      Er ist kein schlechter Schwimmer und mit der richtigen Atemtechnik umgeht er die Pausen, die ihm die Wellen auferlegen würden. In Kürze ist er draußen bei Antje. Nun hört er sie schreien. Sie hustet, prustet, taucht auf, taucht ab. Er bekommt sie zu greifen und zieht das Surfbrett zu sich hin, das an ihrem Neoprenanzug festgemacht ist. Er legt ihren Oberkörper über das Brett und zieht dieses mit einer Hand hinter sich her, während er mit einer Hand in Richtung Strand paddelt.

      Zurück in der Surfschule raucht er erst einmal die Zigarette, die auf einem Tisch lag. Er ist ziemlich außer Atem und so schlägt das Nikotin besonders an. Alle außer ihm und Antje sitzen sie mit vollkommen trockenen Surfanzügen herum. Die Surflehrerin sagt nichts. Immer wieder hat sie einen Hustenanfall. Ihre halbnassen kurzen Haare stehen struppig in alle Richtungen ab. Kerstin sieht ihn bewunderungsvoll an, aber ihm ist nicht nach Heldenverehrung. Er möchte einfach nur ins Hotel zurück und ein Bier trinken. Und viele Zigaretten rauchen.

      Die Stimmung ist am Tiefpunkt. Die Japaner diskutieren heftig. Die Schweden murmeln bedrückt etwas vor sich hin. Der immerfrohe Architekt sitzt zusammengesunken in einer Ecke.

      Antje zieht sich den Ganzkörperanzug, den sie nach dem Vorfall bis zur Leiste heruntergezogen hatte, vollkommen aus, so dass ihre Oberschenkel zum Vorschein kommen. Auf den ansonsten perfekten, glatten Hautrundungen erkennt Stallmeister zwei große hässliche Verfärbungen. Zweifelsfrei handelt es sich um Tätowierungen. Er kommt unauffällig näher und betrachtet die Bilder immer dann, wenn Antje gerade mit dem Japaner redet oder voller Verlegenheit eine Surfbroschüre durchsieht. Die eine Tätowierung zeigt ein Steigeisen, die auf dem anderen Schenkel einen Kletterpickel. Kurz darauf zieht sie sich eine Shorts an und seine Studien sind beendet.

      Als Kerstin einmal auf der Toilette ist, nimmt er Antje beiseite. Sie sei ihm nach der Lebensrettung einen Gefallen schuldig, erklärt er ihr mit Nachdruck. Er wolle wissen, warum sie sich ein Steigeisen und einen Kletterpickel auf die Oberschenkel habe tätowieren lassen.

      Sie sieht ihn an, als sei er von allen guten Geistern verlassen.

      „Und?“

      Ob er nicht genau hingesehen habe, erwidert sie.

      „Warum?“

      Weil es kein Steigeisen sei, sondern ein Steigbügel.

      „Bitte?“

      Und auch kein Kletterpickel, sondern eine Reitgerte.

      Was sie nicht sage.

      Sie habe diese Tätowierungen, weil sie gerne reite. Und sie seien damit auch gewissermaßen eine Hommage an ihr wahres Metier: Das Reiten auf Wellen.

      Er glaube ihr kein Wort.

      In Wimea-City gebe es eine Koppel, dort könne sie ihm ihre Reitkunst gerne zeigen. Er lehnt dankend ab.

      Man verabschiedet sich. Die beiden Schweden gesehen gesenkten Haupts davon. Die Japaner sprechen

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