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dich fest, das wird ungemütlich«, warnte er den Jungen.

      Er ließ die Bremsen los. Wie eine Rakete schossen sie vorwärts; das Motorrad stieg auf, raste auf Jessica zu. Tom sah noch, wie die Vampirin an den Rand des Daches sprang. Mit einem einzigen Schlag ihrer Schwingen hob sie sich in die Lüfte, glitt in die Nacht hinaus, den leuchtenden Niarnin zwischen ihren Fußkrallen. Veyron drückte sofort die Bremsen durch, griff nach hinten, packte Tom und stieß ihn vom Sattel, gleichzeitig sprang auch er selber ab. Das Motorrad schleuderte über den Rand des Daches und stürzte in Tiefe, wo es mit lautem Knall in seine Einzelteile zersprang.

      Tom rappelte sich auf und schaute Jessica hinterher. Veyron kam zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir können nicht immer gewinnen, Tom«, meinte er so gelassen wie möglich.

      Tom stieß Veyrons Hand zurück und wirbelte zu ihm herum. »Wissen Sie überhaupt, was Sie da labern? Jessica wird Nemesis den Niarnin bringen, und der wird damit ganz Elderwelt unterwerfen! Wie können Sie da noch ruhig bleiben?«

      Veyron ignorierte seinen Einwand und ging zurück zur Dachluke, wo er auf Tom wartete. »Aufregung bringt uns nicht weiter. Im Übrigen habe ich noch nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil, alles entwickelt sich in die richtige Richtung. Jetzt komm, wir müssen mit Floyd reden und uns mit Tamara treffen. Wir dürfen keine Zeit vertrödeln«, ließ er ihn wissen und verschwand nach unten.

      Tom folgte ihm zögernd. Er fragte sich, wie um alles in der Welt sie Nemesis jetzt noch aufhalten sollten.

      Eine Viertelstunde später war der Großalarm vorbei, die Panik in der Hauptstadt legte sich.

      Tamara, Veyron und Tom wurden auf der Straße von einem Armeefahrzeug aufgelesen und zurück zum Palast gebracht, wo König Floyd bereits auf sie wartete. Farin erstattete soeben Bericht über die Verluste (nicht einen Mann) und die Schäden (jede Menge) die der Einsatz der Panzergarde nach sich gezogen hatte. Floyds stets gut gelauntes Gemüt verkehrte sich ins Gegenteil. Er wurde mürrisch und wortkarg, immer wieder beschwerte er sich über die desolate Leistung seiner Panzerwaffe. »Eine einzelne Diebin in der Nacht, besiegt die gefürchtete Armee Talassairs. Was für eine Blamage, was für eine Blamage! Stellt euch vor, das wird in Elderwelt bekannt! Dann haben wir morgen an den Stränden das Piratengesindel und übermorgen die Landungstruppen Maresias«, grummelte er.

      Da half auch Veyrons Einwurf nicht, dass sie es mit einem Vampir zu tun hatten. Noch weniger gefiel es dem narzisstischen König, als er hören musste, dass Jessica mit dem Niarnin entkommen war. Das blieben jedoch nicht die einzigen schlechten Nachrichten in dieser Nacht.

      Captain Viul und Toink kamen mit einem alten Jeep angebraust. Sofort wurden sie von der Palastgarde zum König vorgelassen. Viul berichtete, wie Jessica aus dem Gewahrsam hatte entkommen können. »Sie hat ihre Fesseln nicht zerrissen, sondern sie wurden gelockert. Keine Ahnung, wie sie das ohne fremde Hilfe bewerkstelligen konnte. Aber ich schwöre, es war niemand bei ihr. Für meine Crew lege ich die Hand ins Feuer, da war kein Einziger, der den Gepäckraum betreten oder mit der Gefangenen gesprochen hätte. Reed muss sich auf eigene Faust befreit haben. Wir haben ihr natürlich noch das Betäubungsmittel verabreicht, aber die Wirkung hat offenbar nach Einbruch der Dunkelheit nachgelassen. Als es Nacht wurde, hat sie die Stahlseile einfach abgestreift, eines der Bullaugen zerschlagen und ist nach draußen geschlüpft. Wir hörten zwar den Lärm, aber sie war zu schnell, um ihr zu folgen oder sie gar aufzuhalten. In der Nacht sind Vampire den Menschen einfach überlegen«, meinte der Captain der Silberschwan finster. »Vielleicht waren wir ein wenig zu selbstsicher, als wir sie gefangen nahmen. Bei Vampiren gibt es sowieso nur eine Sicherheit: einen Pflock durchs Herz, dann ist Ruhe im Karton!«

      Veyron hob nur kurz die Augenbrauen, als er das hörte. Er schien nicht einverstanden zu sein. Tom teilte jedoch die Auffassung des Piloten. Sie hätten Jessica töten sollen, als sie die Gelegenheit dazu hatten. Jetzt würde sie ganz Elderwelt ins Verderben stürzen.

      Toink wusste zu vermelden, dass die Schäden an der Silberschwan wieder behoben waren. Er wollte sofort nach Sonnenaufgang starten und die Verfolgung der Vampirin aufnehmen.

      »Nutzlos, da sie sich am Tag sicherlich verstecken wird. Dennoch müssen wir jetzt aktiv werden. Floyd, machen Sie Ihre Schiffe auslaufbereit, sammeln Sie Ihre Armee, schicken Sie sie zu den Messerbergen. In wenigen Tagen könnten sie an der Küste ausschiffen und innerhalb von ein paar Stunden die Messerberge erreichen«, sagte Veyron entschlossen. Er schien im Augenblick der Einzige zu sein, der einen Plan verfolgte.

      Als Floyd das hörte, riss er entsetzt die Augen auf. »In den Krieg ziehen? Ausgeschlossen, Veyron, vollkommen ausgeschlossen«, protestierte er.

      Tamara bedachte den König von Talassair mit einem verständnislosen Blick. »Was? Sie haben die fortschrittlichste Armee ganz Elderwelts. Es gibt nichts, das Ihnen gefährlich werden könnte. Es reicht, wenn Sie drei Panzer schicken, vielleicht noch hundert Mann mit Gewehren. Sie könnten eine ganze Armee Schrate aufhalten oder in die Flucht schlagen«, rief sie zornig.

      Floyd ließ sich jedoch nicht erweichen. »Es ist verboten! Talassair darf seine Waffen nur zur Verteidigung des eigenen Reiches benutzen. So will es der Vertrag mit den Simanui. Ich habe nicht vor, der erste König zu sein, der ihn bricht«, entgegnete er säuerlich und wandte sich ab.

      Tamara wollte ihn packen und anschreien. Es war eine Stunde größter Not, und Floyd ließ sie alle hängen.

      Veyron hielt sie mit einem vorsichtigen Griff an die Schulter zurück. »Ich bin sicher, die Simanui würden in diesem Fall eine Ausnahme machen, da Nemesis sich einer unfassbar mächtigen Technologie bedient«, meinte er halblaut.

      Floyd wich weiter zurück und schüttelte energisch den Kopf. »Auf gar keinen Fall! Nein, nein, nein! Nemesis hat jetzt den Niarnin. Wenn er ihn in die Schlacht führt, könnte er meine Flotte versenken und meine Panzer in Erdspalten verschwinden lassen. Talassair wäre dann allen anderen Völkern schutzlos ausgeliefert. Tut mir leid, aber in diesem Fall bin ich ganz froh um diesen Vertrag«, erwiderte er. Wie ein störrisches Kind verschränkte er die Arme.

      Veyron seufzte. »Ich habe nicht die Zeit, hier stundenlang zu diskutieren. Es liegt bei Ihnen, ob Sie uns helfen wollen oder nicht. Aber zumindest sollten Sie uns die Silberschwan noch einmal leihen. Wir müssen zu den Messerbergen, zum Lager der Elben. Ich hoffe, dass Nagamoto inzwischen Unterstützung rufen konnte«, sagte er mit bewundernswerter Ruhe ob Floyds Verweigerungshaltung.

      Der König drehte sich überrascht zu ihm um. »Wer wäre denn verrückt genug, euch zu helfen?«, fragte er skeptisch.

      Jetzt wurde Tom richtig sauer. Floyd war nicht nur ein selbstverliebter, größenwahnsinniger Irrer und Narzisst, sondern auch noch ein bodenloser Feigling. »Das Imperium Maresia, die werden helfen«, antwortete er an Veyrons Stelle.

      Floyd machte große Augen. Er schien einen Moment darüber nachzudenken, wog ab, ob man ihn veralberte. Schließlich zuckte er mit den Schultern. »In Ordnung, nehmt die Silberschwan«, ranzte er und drehte ihnen beleidigt den Rücken zu.

      Trotzdem war Veyron noch höflich genug, ihm zu danken und sich zu verabschieden. Tom dagegen ignorierte Floyd, den er jetzt noch viel weniger mochte als zuvor.

      Nur Tamara hielt es für notwendig, sich ihm einmal mehr zuzuwenden. »Sie halten Ihren Ururgroßvater Julian für einen Feigling, weil er in der Versorgungsabteilung diente, anstatt sich für die Front zu melden. Aber er ging immerhin auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Sie dagegen verkriechen sich hinter den Küsten Ihrer Insel, obwohl Sie Tausende, vielleicht sogar Millionen Leben retten könnten. Denken Sie daran, wenn Nemesis mit seinen Armeen an den Stränden Talassairs landet.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.

      Captain Viul und Toink verbeugten sich kurz vor ihrem Lehnsherrn. Anschließend folgten sie eilig ihren Passagieren. Floyd starrte ihnen eine Weile entrüstet hinterher. Verständnislos wandte er sich an seinen Schatzkanzler. »Sag mir, Farin, warum drehen denn plötzlich alle durch? Wieso beleidigen mich diese Individuen? Mache ich irgendetwas falsch? Lieben mich die Leute etwa nicht mehr?«

      »Aber Eure Majestät werden doch von allen Leuten

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