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Babette und blin­zelte mir listig zu.

      „Das kostet zweihundert Mark“, bemerkte Tina.

      „So?“, sagte Frl. Lampe ratlos.

      „Ja. Meine Mutter hat letzte Woche unser Klavier stimmen lassen. Mein Vater hat darüber geschimpft.“

      „Und warum?“, wollte Frl. Lampe nun wissen.

      „Er sagte: ’Ungestimmt klingt das Klavier viel bes­ser!‘“

      „Nun ja“, sagte Frl. Lampe. „Über Geschmack kann man nicht streiten. Was - was machen wir denn jetzt nur?“

      „Ich kenne einen, der jedes Klavier reparieren kann“, rief ich in die Runde. „K-k-ostenlos!“

      „So - wen denn?“, fragte unsere Lehrerin hoffnungs­voll und erhob sich von ihrem Drehhocker.

      „Herrn Presszeh!“, riefen alle Jungen und Mädchen wie aus einem Munde.

      „Ich hole ihn!“

      Noch bevor Frl. Lampe widersprechen konnte, war ich aus dem Klassenzimmer herausgestürmt. Ich sauste durch das Treppenhaus, schlinderte über den blankge­bohnerten Flur des Obergeschosses und riss, ohne an­zuklopfen, atemlos vor Aufre­gung, die Tür der Klasse meines Vaters auf.

      „Herr Presszeh!“, entfuhr es mir, wobei ich einen flüchtigen Blick auf die verdutzten Gesichter in den Bänken warf. Gelas­sen hielt mein Vater beim Schrei­ben an der Tafel inne.

      „Mein Freund“, sagte er, „kann ich dir vielleicht hel­fen?“

      „Fräulein Lampe“, japste ich, nach dramatischen Worten rin­gend.

      „Was ist denn mit Fräulein Lampe?“

      „Sie kriegt keinen Ton heraus!“, brachte ich die komplizierte Lage treffend auf den Punkt.

      „Na sowas“, sagte mein Vater lächelnd. „Wir wol­len mal se­hen, ob wir ihr helfen können.“

      Mit wildem Gejohle stürmten alle Kinder der Klasse über Ti­sche und Bänke und eilten mit meinem Vater in das Unterge­schoss des Schulgebäudes.

      „Gibt es ernstliche Probleme?“, fragte mein Vater, als er un­seren Klassenraum betrat. Seine linke Hand steckte in der Ho­sentasche.

      „Das Klavier ist kaputt!!!“, riefen alle Kinder mit merkwürdiger Begeisterung. „Heilemachen!!“

      „Nun, dann wollen wir mal sehen, was sich machen lässt“, sagte mein Vater fachmännisch.

      „Der C-Akkord hat uns verlassen“, erklärte Frl. Lampe ach­selzuckend.

      „Keine Sorge, der kommt schon wieder“, beruhigte mein Vater sie.

      Er klappte den oberen Deckel des Klaviers hoch und beugte sich darüber, um einen Blick in das Innere zu werfen.

      „Aha“, sagte er triumphierend. „Die Geschichte vom verlore­nen Ton kommt zu einem glücklichen Ende.“

      „Haben Sie den Fehler?“, fragte Frl. Lampe und at­mete dabei erleichtert auf.

      „Allerdings“, bemerkte mein Vater und griff mit der rechten Hand tief in das Gehäuse hinein. Er an­gelte ein kleines graues Paket ans Tageslicht. Es sah aus wie ein in Pergamentpapier gewickeltes Früh­stücksbrot.

      „Nanu“, sagte Frl. Lampe und wurde ein wenig rot.

      „Ihr Pausenbrot ist wieder da!“, jubelten die Kinder mit vergnügten Gesichtern.

      „Das sehe ich. Mich würde nur interessieren, wer – “

      „Aufessen! “, unterbrach ich sie.

      „Ja! Aufessen!“, tobten alle durcheinander.

      „Sie sehen, uns bleibt keine andere Wahl, als uns dem Willen des Volkes zu beugen“, sagte mein Vater und wickelte das Pa­pier von dem Brot. Er gab Frl. Lampe eine der beiden Schnitten und blickte sich amüsiert nach allen Seiten um. In diesem Mo­ment bimmelte die Schulglocke. ”Mahlzeit“, sagte er troc­ken und biss vorsichtig in das mit Käse belegte Brot. Doch dann verzog er das Gesicht, wobei er aussah wie Herr Piesepampel, unser mürrischer Hausmeister. „Ziegelhart“, sagte er. „Diesen Bela­stungen sind meine Zähne nicht gewachsen.“

      „Meine auch nicht“, sagte Frl. Lampe lächelnd.

      „Wer von euch hat zu Hause ein Schwein?“, fragte mein Vater in die Klasse hinein.

      „Wir haben sechsundzwanzig Schweine im Stall“, rief Eule aus der mittleren Bankreihe.

      „Das trifft sich gut“, sagte mein Vater. ”Dann über­trage ich dir hiermit den schwierigen Auftrag, diese zwei Käsebrote mit Hammer und Meißel in sechsund­zwanzig möglichst gleich­große Stückchen zu zerteilen. Traust du dir diese Aufgabe zu?“

      „Klar“, sagte Eule, nahm die Brote in Empfang und steckte sie in seine Büchertasche.

      Angeber, an den niemand mehr gedacht hatte, mel­dete sich nun zu Wort. „Wann bekomme ich denn mein Geburtstagsab­schlusslied?“

      „An deinem Geburtstag“, erklärte ich und fügte schadenfroh hinzu: „Im nächsten Jahr!“

      Dann lief ich mit den anderen Kindern hinaus auf den Schul­hof, denn der Unterricht war zuende an diesem Tag.

       ONKEL KOHLRABI UND DER BIRNBAUM

      „Morgen Vormittag besucht euch der Schulzahnarzt aus der Kreisstadt“, verkündete Frl. Lampe eines Ta­ges mit strahlen­dem Lächeln.

      Ein ahnungsvolles Murrenraunenstöhnen ging dabei durch den Klassenraum ...

      Am nächsten Tag fühlte ich mich ganz elend. Ich wäre gern zur Schule gegangen. Ehrlich. Aber eine ge­heimnissvolle Krankheit streckte mich nach dem Frühstück nieder und fessel­te mich ans Bett. Ich hatte Schüttelfrost, hohes Fieber, starkes Magendrücken, Schwindelanfälle und vieles mehr.

      Kurz vor acht klingelten Keule und Beule an un­serer Tür.

      „Ist Picknick schon unterwegs?“, fragten sie.

      „Nein“, hörte ich von meinem Zimmer unter dem Dach mei­nen Vater unten in der Eingangsdiele antwor­ten. „Er kann heute unmöglich zur Schule gehen. Er hat hohes Fieber: 36,4°.“

      „Ist er morgen wieder gesund?“, fragte Keule besorgt.

      „Ihr könnt euch darauf verlassen“, sagte mein Va­ter zuver­sichtlich.

      Dann hörte ich Keule und Beule über den Platten­weg zum miauenden Gartentor laufen. Beule pfiff noch einmal zu meinem Fenster herauf, aber ich rührte mich nicht vom Kissen.

      Mein Vater stellte mir heißen Pfefferminztee und trockenen Zwieback ans Bett, küsste mich und ver­ab­schiedete sich.

      Kaum war ich allein, fühlte ich mich deutlich bes­ser. Ich blät­terte ein wenig in einem Buch, konnte mich aber nicht auf die Geschichten darin konzen­trieren. Ir­gendwie wurde ich auf ein­mal schläfrig. Ich schloss meine Augen und begann zu träumen ...

      Ich stieß - im Traum - die Bettdecke beiseite, zog mich an, rutschte das Treppengeländer herunter in die Diele und trat hinaus in den morgenfrischen Gar­ten.

      Ich atmete auf. Ein Gefühl von abenteuerlicher Unternehmungslust er­füllte meine Brust. Wie sollte ich den gewon­nenen Morgen verbringen? Ich wollte etwas anstellen. Plötzlich hatte ich eine Idee!

      Der riesige Obstgarten hinter der efeubewachsenen Stein­mauer gehörte Onkel Kohlrabi. Zur Zeit arbei­tete er an einer Bratapfelmaschine, die er den Schul­kindern von Plunderland schenken wollte. Es interes­sierte mich, wie weit er mit seiner Erfindung war.

      Ich stapfte durch das hochgewachsene Gras zum Wohnhaus Onkel Kohlrabis. Am Rande des Gartens standen die Brennnes­seln fast mannshoch. Un­ter dem schattigen Holunderbusch

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