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aus dem guten deutschen Döner? Eine neue Identitätskrise zeichnet sich ab.

      Zurück in der Realität, tönt aus dem Fernseher die Stimme der Hanna Balken, von Energyhäusern in Freiburg und Hightecmülltonnen in Berlin erzählend. Ganz wichtig sind auch Windmühlen die Strom machen. Aha. Aber dazu muss man erst eine Outside herstellen und das gefällt den Landschaftskonservativen naturgemäß überhaupt nicht. Diese Windräder verschandeln unseren Horizont, heißt es deren Wahrheit entsprechend. Wichtig für einen besseren Lifestyle ist ein sogenannter Frühstückscoach, wirft Co Moderator Ulrich Stusse ein. Das Wort sogenannt trat im Oktober sagenhafte dreißig mal pro Stunde in Maximilians Statistik auf. Eine Kutsche, also ein sogenannter Coach ist in der heutigen Zeit unabdingbar. Insbesondere bei den etwas besseren Mitmenschen, die etwas auf sich halten. Zu was brauchen die das? Hat da die Muttikutsche total versagt? Oder war die auch schon Coachie bei einem sündhaft teuren Berater? Max versteht solche komplizierten Sachen nicht. Er isst wann er Hunger hat und vorzugsweise das was ihm schmeckt. Frühstück, weiß er seit seiner Kindheit, gibt es sinnvoller Weise immer morgens, bevor es zur Schule oder zur Arbeit geht. Und der derzeitigen Lage entsprechend gibt es das bei Max auch ohne Schule oder Arbeit. Ganz einfach so, weil es Frühstück heißt und für ihn wichtig ist für einen gelungenen Tagesanfang. Der Kutscher Coach begleitet also den Coachie auf seiner Reise bis er dort angekommen ist. Sprich, bis das verzogene Kind endlich gefrühstückt hat, oder so. Weitere Fahrten werden dieses arme Geschöpf wohl bis ans Lebensende begleiten. Toll das es sogenannte Fachkompetenzen überhaupt gibt. Diese unbekutschten elitären Menschen würden vermutlich allesamt zu Grunde gehen, im Laufe ihres Daseins. Da kann man aber auch von Glück sagen, dass es hilfreiche Hände aus dem Volk gibt, die einem sogenannten CEO den Kaffee zubereiten und reichen und vieles mehr. Der veraltete Begriff Personaltrainer hat seine Schuldigkeit getan. Klingt aber auch herunterstufend für den entsprechend Klienten. Ein Hoch auf den Nachhilfelehrer, wie der Coach in englischsprachigen Ländern eigentlich heißt. Zum Glück ist die Berufsbezeichnung des Coachings in Deutschland nicht geschützt. Auch gibt es keine klare methodische Eingrenzung. Wie hat das gemeine Volk das bis jetzt überlebt, so ganz ohne Coacher, fragt sich Max als solider Handwerker. Bei dem Begriff CEO, Chief Executive Officer, wird es dann ganz kompliziert und den gibt es eigentlich nur im US Amerikanischen, außer wen wundert es, auch im Deutschen. Der gute alte Chef scheint ausgedient zu haben. Was früher ein Geschäftsführer oder Vorstand war, und in der Schweiz und in Österreich immer noch gilt, ist heute ein CEO. Siou darf man aber auch nicht sagen, wie Sven Schänkel einst wissend erklärte. Das spricht man SI I OU. Schade, da ist kein Kaugummi r mit drin, bemerkt Max. Jedenfalls ist der Generaldirektor von Träumler Pennz jetzt ein CEO. Womöglich macht sich das sogleich in der Gehaltsordnung bemerkbar. Schön solche neuen Berufsbezeichnungen. Ob sich das dem FM, also dem Facility Manager einer Schule oder sonst einem Gebäudekomplex, auch in seiner Lohnabrechnung niederschlägt ist eher zweifelhaft. Bei VW, wo das einfache Auto fürs Volk gebaut wird, wie Bugatti, Lamborghini und sonstige Flitzer, kann man nur hoffen, dass der CEO nicht eines Tages zum COB wird. Dem Chairman of the Board. Das entspricht angeblich dem unter dem Präsidenten. Im Gegensatz zum CxO, der sich von der Gremiumspitze abhebt und als CFO fungiert, also den Finanzen zugehörig und als >normales< Vorstandsmitglied angesehen wird. Puh, ist das aufgeblasen, denkt sich Max. Wer verrichtet dort eigentlich die Arbeit? Und machen sich die deutschen Global Player nicht lächerlich im Rest der Welt?

      Eines Morgens im November, stellt die angenehme und freundliche Hanne Resthüsen fest, dass die Kanaksprack sich immer mehr zu einer ganz eigenen Sprache manifestiert. Ebenso wie der Ruhrpott Slang, deren Gegend sie entstammt. Was soll’s, denkt sich Max. Ist doch schön wenn jeder seine eigene Sprache spricht, alles andere wäre doch arm. Wenn aber sie selbst und ihre Kollegen seltsames Deutsch im Fernsehen verbreiten, ist das doch eher verwerflich, zumal die das anscheinend nicht einmal bemerken. Da kommen Hammersätze wie »es gibt immer den Wellcase, aber kein Requoting« bezogen auf Bewerbercastings an deutschen Hochschulen. Alles verstanden? Zwischendurch wird man genötigt irgendwelche ARD Apps downzuladen. Auf der Road to Munich sollte man ganz schnell noch eine Outsource generieren, das geht aber nur just in time. Kollege Bill Passif, der inzwischen wieder gesundet ist, macht noch schnell einen Roll Back der syrischen Geschichte, wo er seinen ursprünglichen Hintergrund hat. Vermutlich hat der in Deutschland geborene Journalist dieses Land noch nie gesehen. Schön anzusehen ist allerdings Ulrich Stusse, der klingt nicht nur kompetent, er untermalt seine Aussagen regelrecht gestikulierend. Max fühlt sich da jedes Mal an die altehrwürdige Augsburger Puppenkiste erinnert. Im Gegensatz zu Heiner Tonne, der seine Interviewpartner dermaßen niederschreit. Von Politikern ist im Verborgenen zu hören, die ein Interview mit Herrn Tonne ablehnen: »Der schreit immer so.«

      Phonetik

      Da gibt es normative Phonetik Regeln des lautsprachlichen Systems als verbindliche Orthoepie. Einer Norm, die von heutigen Journalisten und Reportern mehr oder weniger anarchisch ignoriert wird. Die Studiengänge Phonetik, wie zum Beispiel an der Uni Trier, könnte man direkt streichen, wenn aus dem Fernseher stets die Stadt Sanaa, als Sanaa ausgesprochen erklingt, anstatt Sana a. Ganz beliebt sind auch Verdoppelungen des s und Wegfall der einst beliebten ä ü ö. Da klingt der schwäbische Kartoffelsalat schnell wie ein Salat aus Schweden. Konschtanz zu sagen ist völlig out, das klingt jetzt wie ein Hamburger Konn stanz, selbst im Schwebischen. Vielleicht hat dort auch irgndein Konns getanzt. Vor Namen wird auch nicht halt gemacht. Der arme Bosbach ist jetzt der böse Bossbach und Groß wie bei Großmann ist ganz urplötzlich gross, auszusprechen wie kross. Was man alles so lernt im deutschen Fernsehapparat, schüttelt Max den Kopf. Dafür aber gibt es neuerdings das beliebte Wort Sport, welches nun kein r mehr braucht. Da reicht ein wunderschönes Spoat. Oder Moad, oder foat. Überhaupt kein r mehr nötig. Klingt aber auch gleich viel sympathischer und weicher. Besonders bei Moad, dann ist dieser mindestens halb so schlimm. Eine Steigerung ist bei ermordet zu hören. Emoadet. Das hat doch etwas. Etwas gaga klingt es jedoch wenn Jens Schlurig von den Maodis aus Neuseeland berichtet. Und das gleich mehrmals hintereinander. Max hat lange überlegt, ob es außer den Maori dort noch eine andere Ureinwohnerschaft gibt. Da macht der Plankoscheck in Verbindung mit der Italienerin Ramona Powers, die eigentlich Romina Power heißt und eine gebürtige US Amerikanerin ist, aber auch ganz schön was her wie Anna Planken zu berichten weiß. Und heute ist Weltputzfrauentag. Das ist ein äußerst schwieriges Wort, besonders für den Herrn Schlurig. Weltputz Frauentag klingt das bei ihm. Gemeint ist wahrscheinlich Welt Putzfrauentag. Vielleicht doch ganz gut wenn sich die deutsche Sprache immer mehr im amerikanischen identifiziert, dann merkt das niemand mehr, auch die Amerikaner nicht. Die halten das dann für Deutsch und die Engländer für Tirolerisch. Zwischendurch kommentiert Bert Wetterfrosch das Wetter. »Heute ist in Bayern, besonders im Süden, nebliger Hochnebel zu sehen. Ansonsten gibt es Starkregen in Thailand, aber auch in Genua. Im übrigen Deutschland ist der Frühling exorbitant heute. Und das im November 2011, unglaublich.« Hanna Balken erklärt nun die neuen Regeln der Bahn. »Am neuen Touchpoint der Bahn, kann man ein App aufs Smartphone downladen, welches einem ermöglicht einen günstigeren Ticketpreis zu ermitteln. Das geht mit Communication Technik. Man darf allerdings die Reisekette nicht unterbrechen, sonst wird der normale Preis fällig« Geht’s noch? fragt sich Max. »Es ist so richtig Indian Summer heute, dann kann man die Outdoortauglichen Lammfellschuhe getrost gegen die bequemeren Lack Loafers eintauschen« meint Frau Planken noch abschließend. Nach dem Spoat mit Dieter Krossmann soll es die Nachrichten mit Wundula Sausse geben. Das ist schön, freut sich Max. Es gibt noch echte Nachrichten. Bei Zappen durch die Privatsender bekommt man nur noch Breaking News aufgetischt. Max hat keine Idee was das überhaupt ist. Sind das auch Nachrichten? Womöglich während einer Pause zusammengeschnippelt? Da muss der Amerikanophile Sven Schänkel am Telefon ran. »Schänkel, was gibt’s?« Hör mal Sven, kannst Du mir sagen was Bräiking Nuus sind?« »Du meinst Nachrichten?« »Nein, Bräiking Nuus« »Na das sind doch Nachrichten, aber das heißt Njus, nicht Nuus« »Aha, und warum heißen die so, wenn es doch Nachrichten sind?« »Das sind dann eben Schlagzeilen, die ganz neu sind.« »Man kann eine Nachrichtensendung aus Schlagzeilen machen? Heißt das nicht etwa Headlines? Die kamen doch früher aus dem Ticker, wie Reuters oder DPA. Aus diesen Eilmeldungen machen die jetzt einfach so Nachrichten, auch wenn sich das jede Stunde wiederholt und gar nicht mehr neu ist, darf man Breaking News sagen in Deutschland?«

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