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versteht das einfache Volk simple Anwendungen nicht. Aber warum man die nun unbedingt braucht ist Max trotzdem schleierhaft. Sein antiquiertes Klapphandy von Tsang Tsung funktioniert ganz einfach so und ziemlich schnell. Telefonieren geht ruck zuck und sogar fotografieren kann dieses alte Ding. Deckel auf, Deckel wieder zu und gut. Die Welt des Sven Schänkel ist schon sehr entrückt. »Noch zwei Cervezas« bestellt der polyglotte und heute glattrasierte Sven, mit zwei hochgestreckten Fingern beim türkischen Kellner. Die dicke Glastür aufstoßend, erscheint plötzlich die etwas rundliche, aus Frankreich immigrierte Claudine Fleureau, wie immer voll bepackt mit Einkäufen und anderen Dingen. »Bonjour Mademoiselle« winkt Sven die Schöne, wild gestikulierend in die multikulturelle Abhängzone. Ein Eyecatcher ist sie nicht gerade, dafür aber umso lauter. »Isch asse diese deutsche Ämter, immer machen die mir Ärger. Nur weil ich keinen gültigen Ausweis abe schicken die misch nach Stuttgart auf französische Konsulat. Was das alles kostet« Claudine, mittlerweile auch Langzeitarbeitslos, erwidert noch etwas von Revolution und dem Sturm auf die Bastille. Um sich mehr federfeeling zu fühlen, ordert Sven, der eigentlich gar kein Geld hat, drei griechische Ouzo beim türkischen Kellner. »Cheers zusammen« ruft der jetzt noch mehr vielsprachige Sven. Claudine zeigt Teile ihres heutigen Einkaufs und schimpft über die immer mehr steigenden Preise. Wie so oft kauft sie aber Sachen die kein Mensch braucht. Das ist ihre große Leidenschaft. »Jaja, so hat man´s halt auf der Welt, was man kauft koscht Geld« wirft Max in die illustre Runde. Verständnislose Blicke seitens der französischen Tischnachbarin. Max macht sich jedoch weiterhin seine eigenen Gedanken über Sinn und Unsinn, während Sven gerne fokussiert, wie er das nennt. »Ich fokussiere meine Geschäfte heutzutage lieber auf Blu-ray« Claudine, immer noch mit ihren Taschen beschäftigt, macht sich laute Gedanken über das immer teurer werdende Mehl, obwohl sie dieses weder kauft, noch jemals verbrauchen würde. »Was heißt jetzt fokussieren und Blu Ray?« ist Max mal wieder ganz verwirrt. »Ich richte meinen Schwerpunkt…« startet Sven mit einer Erklärung, die von Max sofort abgewürgt wird, mit den Worten »Aber ein Fokus ist doch der Brennpunkt und kommt aus der Optischen Industrie, das Wort fokussieren gibt es als solches doch gar nicht« »Aber mein Schwerpunkt liegt jetzt eben auf BD, so ist das« erwidert Sven schon leicht genervt. Ah, auf BD jetzt. »Und was ist das nun wieder?« »Das ist eine Blu Ray Disc, damit kann man Filme besser sehen. Das ist ein optisches Speichermedium, Nachfolger der DVD« schwadroniert Sven. Hat sich wohl nicht durchgesetzt, denkt sich Max. Bei dem Wort Film aufhorchend, fragt Claudine »Kann das mein Computör auch?« »No, Claudine, das kann der nicht, dazu braucht man einen extra Player, oder das weltweite World Wide Web, aber so etwas hast du ja nicht und das ist sowieso nicht erlaubt« »Isch asse Deutschland, alles verboten« meckert Claudine. »Warum bist Du dann überhaupt hier« erkundigt sich Max. »Isch asse Fronkraisch« erklärt sie bestimmend. Der türkische Kellner, der sich inzwischen als Kurde entpuppt hat, aber trotzdem beim Türken arbeitet, wird abermals bemüht neu gefüllte schwere Hefeweizengläser zu schleppen. Ein griechischer Gast kommt von seiner Shopping Tour durch den türkischen Back Shop am Corner, um typische türkische Sesamkringel im Lokal zu verteilen. Eigentlich war der nur ein paar Meter vom Lokal entfernt unterwegs, hat aber eine sprachliche Reise durch Amerika gemacht. Obwohl dort ein Back Shop eher ein Laden für Rückenleiden wäre und womöglich gar nicht an der Ecke zu finden sei. Bei dem Wort Sale am Schaufenster, würde der sizilianische Pizzabäcker ein paar Häuser weiter oben, wahrscheinlich eher an ein Gewürzmittel für sein berühmtes Gebäck denken, als an einen Verkauf, oder gar ein Schnäppchen. Toll auch, dass jetzt plötzlich, nach jahrzehnter Ignoranz und rein zu Integrationszwecken, eine lupenreine deutsche Sprache für deutsche Mitbürger mit Migrationshintergründen gefordert wird. Glück für Max, das würde er so nicht bewältigen können. Und ohne direkte Englischkenntnisse schon gar nicht. Zum Glück hat er in Sven einen geeigneten Mentor gefunden, hinsichtlich seines mangelnden Englisch. Vielleicht kann der ihm erklären was eine Bad Bank ist. Hat das mit einem Bad, womöglich in Geld baden, zu tun? »Nein Max, das ist quasi eine Bäd Bänk, also eine schlechte Schulden Bank. Die nennen das so, um das gemeine Volk nicht auf die Idee zu bringen, dass die Bürger eigentlich selbst für die Ausfälle der Banken bezahlen. Besonders beliebt ist das in einer durch Spekulationen selbstverursachten Bankenkrise, im Volksmund auch als Finanz- und Eurokrise bekannt. Die Bad Bank ist also eine Abwicklungsbank für faule Kredite sanierungsbedürftiger Banken. Ziel ist die Übertragung der Ausfallrisiken auf Dritte« weiß Sven. Eine Bandenkrise also. So, oder ähnlich, wurde auch Griechenland verschrottet, denkt sich Max. Ist das nun schade oder besser, dass man das als einfacher Bürger nicht merkt. Da hilft alles Grübeln nicht. Als besonderer Clou hat sich nun so eine Bad Bank um satte 55 Milliarden verrechnet. Damit fällt die deutsche Schuldenquote um einen ganzen sagenhaften Punkt. Da diese Bank jetzt aber dem ganzen Volk gehört, könnte man dort bestimmt gleich etwas abheben, oder hat Max das schon wieder falsch verstanden. Und wie können sich Bankenrechenkünstler um so viele Kommas verrechnen? Das sind vermutliche diese Bankster, von denen man immer mehr hört. Zum Glück hat sich Max mit seinen Kenntnissen in den Grundrechenarten noch nie verrechnet. Das wäre auch ganz fatal, weil er sich dann gewiss wegen Unterschlagung und Betrug und was noch alles verantworten müsste. Bombo Müller betritt die Chill Out Zone, zum Glück ist noch ein Stuhl frei. »Gudden Dohg« begrüßt er alle zusammen, nicht vergessend mit den Knöcheln seiner rechten Hand auf die Tischplatte zu trommeln. Heute hat der kleine und viel zu dünne Mittfünziger Spätschicht. Aus Stressgründen braucht er vorher noch unbedingt ein Flasche Export Bier direkt aus der Flasche. Der türkische kurdische Kellner ist schon unterwegs. Bombo ist ein Opfer türkischer Einwanderer. Als seine Ehefrau mit einem türkischen Migrationshintergrund das Haus verließ, ist der hörige Leser einer Bundesweiten Tageszeitung mit vielen Bildern, nur noch niedergeschlagen und überzeugter Ausländerhasser. Inzwischen hat der kurdische Kellner den Exportauftrag erledigt und Bombo nimmt erst mal einen tiefen Schluck aus der Pulle. Er ist wohl der Einzige der Chill Out Area, der einer regelmäßigen Arbeit nachgeht, und dennoch schon nach dem ersten des Monats kein Geld mehr zur Verfügung hat. Fast sein ganzes Gehalt geht drauf, welches er bei einer Weltfirma verdient, die auf der ganzen Welt tätig ist. Hat wohl noch viel an Haus und Hof und Banken und Kinder abzubezahlen, der Arme. »Santé« ruft Claudine mit ihrem Ouzo in der Hand. »Cheers« rufen die Anderen in der türkischen Kneipe weltmännisch zurück. Der türkische Patron, eigentlich Armenier, spendiert eine Schale Pistazien für 1,50 €. Es erklingt kein Beifall. Darf man Prost, Santé, und Cheers einfach so zum Trinkspruch erklären, wundert sich Max. Das wirkt irgendwie pseudo-elegant und aufgesetzt. Prosit aus dem Lateinischen kommend, bedeutet doch >es möge nützen<. Das geht gar nicht. Die Verkleinerung »Prösterchen« ist ein noch schlimmerer stilloser Fauxpas. Im Allgemeinen wird heute nur das Glas erhoben und ein »Zum Wohl« hinzugefügt. Na gut, mit Kumpels im Biergarten kann man vielleicht auch schon mal ein lustiges »Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken« trällern. Oder man passt sich einfach der auserwählten Trinkgesellschaft an. Neues Hefeweizen und griechischer Ouzo machen die Runde. »Ein Hoch auf die türkische Gastfreundschaft« tönt Sven. Bombo, mental schon in der Spätschicht, Claudine, von Geburt Baskin und wahrscheinlich innerlich auf Frankreich fluchend, und Max still über diese ganze Runde philosophierend, sagen für ein paar Sekunden gar nichts. »Ach ja« seufzt Bombo endlich, der gerne noch ein Export getrunken hätte, und macht sich mit seinem neudeutschen Backpack weiter auf den Weg zur Weltfirma. »Hey Sven, warum sagt man zu so einem Rucksack jetzt nur noch Backpack?« »Jaaa, das kommt halt vom Outdoor und Trekking her, aus dem Amerikanischen« »Und mit einem ordinärem britischen, oder deutschsprachigem Rucksack darf ich nur noch innentürlich herumwandern?« »Nein, so ist das auch wieder nicht. Aber ein Backpacker hat ein festes Ziel vor Augen, während die Rucksackleute von damals nur umherwanderten, dann abends irgendwo einkehrten und auch dort übernachteten. Zum Beispiel auf dem Weg nach Poona, oder so« »Aua, aber ein Backpack im Amerikanischen war doch früher einmal ein Totensack, für die Beute der Jäger und auch diese riesen Dinger der US Armee heißen so. Versteht das ein Amerikaner in Deutschland?« »Klar doch, die verstehen alles was die Deutschen da so an neuen amerikanisch englischen Wörtern zusammenbasteln. »Sind halt Anglizismen« meint Sven. Das kann Max bei allem Wohlwollen nicht nachvollziehen. Wenn deutsche Hersteller ihren Produkten amerikanisch klingende Namen geben, um die besser verkaufen zu können und in der Werbung dafür, die jetzt auch schon Äds von Advertising her heißt, das Ganze als Trendy und Hip und Top erklären, hat der normal verständige Bürger, egal welcher Nation, wohl keine andere Chance als diesen Nonsens einfach mitzumachen.
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