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murmelt er feststellend vor sich hin. Was ist er dann? Ein Introvertierter, gar ein Misanthrop? Vermutlich gar nichts von Allem. Er ist einfach ein alternder, unbeweglich gewordener Single, der sich viel zu viele Gedanken macht.

      Rumpeln und andere Geräusche hört Max aus seinem Magen. Mal sehen was sein Singlehaushaltskühlschrank heute zu bieten hat. Hm, so gut wie nichts direkt Verwertbares, stellt Max fest. Gegenüber auf der anderen Straßenseite sind zwei Dönerbuden, dort riecht es immer so gut. Muss eigentlich nicht sein, Schnellfutter ist dann doch nicht so sein Ding. Er futtert dagegen schnell seine Tabletten, die er dreimal täglich nehmen muss. Ja keine vergessen, sonst wird es übel. Schinkennudeln ohne Schinken könnte er sich zubereiten. Breite gewalzte Nudel sind noch da und eine oder zwei Gewürzgurken. Während das Nudelwasser schon sprudelnd vor sich hinkocht, schaltet er den Fernseher ein. Der Rechner muss auch noch an. Im Internet gibt es immer mal etwas zu Ermitteln. Als angehender Bildungsbürger würde er gerne Volkshochschulkurse besuchen, wie etwa der Kolleg Allgemeinbildung, Englisch für Ältere – Lost in Translation, oder Geschichte im Zeitspiegel der Politik. Töpfern würde ihm bestimmt auch gut gefallen, aber das kostet einfach zu viel Geld. Dann doch lieber den Magen füllen. Ach ja, die schwäbischen Tagliatelle müssen ins Wasser. Feinschmecker und Hobbykoch Max musste nach seinem sozialen Abstieg, ganz schön Federn lassen, was seine Ansprüche der höheren Kochkunst anbelangt. Jedoch hat er festgellt, dass Breite Nudeln in nördlichen Gefilden eher wie abgefahrene Panzerketten anmuten. Kartoffeln bevorzugt er allerdings lieber als Salat oder gebraten in der Pfanne.

      Huch, was schallt da aus dem Fernsehgerät? Da wird über »Kredithebel und Rettungsschirme« debattiert. Was auch immer das ist, das ist bestimmt nicht für einen wie ihn gedacht. Bestimmt so eine andere Bezeichnung für, wie vertausendfache ich das gestohlene Kapital einfacher Länder und Leute. Max ist empört, fällt aber gleich wieder in die gewohnte Lethargie zurück. Als nächstes wird von einem neuen Film über Udo Jürgens und seiner Familie berichtet »Der Mann mit dem Fagett« sagt die Moderatorin Ulla Kaijali. Kann eigentlich nur Fagott heißen, denkt sich Max und kümmert sich um seine Nudeln. Die schmecken gar nicht so schlecht mit Butter durchgemischt. Nach einem Apfel, der noch einsam in der Küche lag, lehnt er sich wieder zurück und freut sich über seine neueste Errungenschaft, die Sven ihm installierte. Max ist jetzt in der Lage umsonst ins Deutsche Festnetz zu telefonieren. Und das über den Computer, ist er voller Stolz diese Entwicklung nicht verschlafen zu haben. Etwas frustrierend stellt er jedoch fest, dass er weder angerufen wird, noch weiß er nicht wen er anrufen könnte. Mit seiner Familie, die ihn als angeblichen Taugenichts zur Persona non grata erklärte, hat er inzwischen komplett gebrochen.

      Am heutigen Donnerstag tritt plötzlich das Urgestein des Morgenmagazins Gernot Tapsatai, mit gewohnten Turnschuhen zum Anzug auf die Bildfläche, um den erkrankten Kollegen Bill Passif zu vertreten. Mit scharfem und politikstudiertem Verstand erklärt er die »Integration Europas« und erfreut sich riesig über spezielle deutsche Mitmenschen mit Migrationshintergründen. Den sogenannten Hintergründen um es Neudeutsch zu sagen. Kaum mitzuzählen wie oft und zu was man das Wort »sogenannt« überall einsetzen kann. Mit kritischem Blick auf seinen Tisch denkt sich Max »Aha, das ist ab sofort ein sogenannter Tisch« Einfach nur Tisch zu sagen erscheint ihm von nun an viel zu trivial. Ulla Kaijali tritt heute voller Begeisterung, zusammen mit Herrn Tapsatai moderieren zu dürfen, ausnahmsweise mit Kostüm und Turnschuhen auf. Und weiter geht es mit der Migrationsdebatte, die laut Frau Kaijali eine große »Wichtung« hat. Das kommt Max, warum auch immer, schon längst so vor. Voller Wissensdurst lauscht er ergriffen weiter über Rettungsschirme um den total verarmten Euro, oder deren Besitzer, oder wie war das nochmal? Jedenfalls erfährt er von Gernot Tapsatai um die sagenhafte Wirkung der Kredithebel. Das klingt jetzt aber zu kompliziert für Maximilians Ohren. Den soll ihm Sven am Telefon erklären.

      »Schänkel, was gibt’s?« »Max hier, ich bin dumm, kannst du mir erklären was so ein Kredithebel ist?« »Naja, also sagen wir mal so, du gibst mir zehn Euro und dafür gebe ich Dir dann hundert Euro als Kredit. Die zehn Euro sind für mich eine Art Sicherheit deiner Liquidität. Alles klar?« »Nee, klingt aber gut, vielleicht komme ich mal darauf zurück« »Du Doof, das geht doch nur zusammen mit dem ESFS, also nicht zwischen Privaten.« »Na dann, vielen Dank für die Auskunft« verabschiedet sich Max, noch immer grübelnd. Das muss also so sein, wenn er die einhundert Euro dann zurückbezahlt hat, ist er gerettet und Schänkel hat zehn Euro gut gemacht. Tolle Sache, obwohl da noch irgendwo ein Haken sein muss. Da Sven diese einhundert Euro ja gar nicht hat…, hm, wo kommen die jetzt genau her? Banken verschenken doch kein Geld, so etwas kann sich nicht einmal Max vorstellen. Jemand der eigentlich gar nichts damit zu tun hat wird wohl die Zeche bezahlen, da ist sich Max sicher.

      Den Schatz im Silbensee hat jedoch Hanne Resthüsen gehievt, und aus den gefundenen Silben »Mit wohlwollender Dominanz kann man das Foto von Ursula Vonnderleyen als etwas blury bezeichnen.« zusammengebastelt. Das ist schon stark und beinhaltet so ziemlich alles was Max vollends von seiner Couch haut. Eigentlich hätte die doch einfach nur sagen können, dass das Foto der Ursula von der Leyen ziemlich unscharf ist. Wer will das eigentlich wissen? Was hat es mit der wohlwollenden Dominanz auf sich? Warum muss das blury heißen und kann man den Namen der armen Ursula nicht wenigsten ein einziges Mal richtig aussprechen? Der fast revolutionäre Beat Club von einst hätte dagegen schon ziemlich alt und spießig ausgesehen, obwohl der weder eine Nachrichtensendung, noch ein Allerweltsmagazin war, sondern für die Jugend gedacht war. Nachrichten sind heutzutage also so etwas wie die alten Rock - und Popsendungen, mit noch mehr Geräuschkulissen und Durcheinandergequatsche als damals. Waren wir nicht bei den Nachrichtensendungen? unterbricht Max seinen Gedankenfluss. Sollten diese nicht mehr seriös, informativ, objektiv und auf dem neuesten Stand sein? Noch besser investigativ und in verständlichem Deutsch. Aber nein, da werden Nachrichten verbreitet die gar keine sind. Man kann ja mal spekulieren ob es je eine wird, und ganz wichtig und gewinnbringend: die Zuschauermeinungen einholen. Dazu muss man dort anrufen und sagen: ja, dafür – nein, überhaupt nicht – mir doch egal. Ganz unten am Bildschirm und kaum zu lesen, steht für etwa eine Nanosekunde, wie viel dieser Anruf kostet. Das ist besonders für diejenigen gedacht, die mit »mir doch egal« abstimmen. Daraus entsteht dann ein »sogenanntes Voting«. Nach weiteren nichtssagenden und wiederholten Meldungen, wird dann das Voting verkündet. Gevoted wurde… nein es hat keine Regierungswahl in einem englisch sprechenden weit entfernten Land stattgefunden, um einfach so aus Jux und Tollerei festzustellen, ob irgendeine Kowalski aus Berlin, die ständig beim Hair Stylisten oder in einem Nail Studio abhängt und ALG II kassiert, oder sich doch lieber dazu bewegt einen ihr entsprechenden Job anzunehmen. 87 Prozent sind für den Job, niemand war dagegen und den restlichen 13 Prozent war es egal. Völlig intellektuell überfordert fragt sich Max, was diese dreizehn Prozent veranlasst für viel Geld dort anzurufen, nur um zu sagen das es ihnen egal ist? Das Volk, die unbekannten Wesen.

      Damlisch

       Max hat seine Verwunderung und das ständige Grübeln über diese schöne neue Sprachenwelt aufgegeben. Vermutlich muss er sein sämtliches in der Hauptschule, die damals noch Volksschule hieß, mühevoll Erlerntes komplett über den Haufen werfen, um sich nicht als Halbgebildeter zu outen und ausgelacht zu werden. Sich jetzt mit Neuen und für sein Verständnis unlogischen und eingedeutschten Wörtern, die amerikanisch ausgesprochen werden, auseinander zu setzen, ist nun seine Devise. Vor allem diese englisch anmutenden Wörter und Satzbildungen, also denglisch, oder eher damlisch was dann auch vom Wort her schon auf gewisse Intelligenzien deuten lässt. Übertroffen wird das Ganze nur noch von deutschen Wörtern die direkt amerikanisch ausgesprochen werden, also auch Namen wie Sarah, Paul, Michael, oder Müller. Neubildungsbürger Max wollte sich mal wieder auf ein Bier, oder zwei, mit dem Hochbegabten und zwölf Jahren jüngerem Sven treffen. Aber diesmal ist sein Echtzeit Notizblock mitsamt real Kugelschreiber dabei, um eventuelle neue Weisheiten festzuhalten. Die heutige Chill Out Area wurde in einer türkischen Eckkneipe installiert. Das ist cool. Sven natürlich ohne Echtzeit Notizblock, dafür aber mit furchtbar vielen Apps auf seinem Smartphone bestückt, fühlt sich schon bei der ersten Hefeweizenbestellung gut gechillt. Es hat so seine Zeit gedauert bis Max da durchgestiegen ist, was so ein Äpp überhaupt ist. Handelt es sich da etwa um verschiedene Äpfel? Aber die wären ja viel zu groß für sein kleines flaches Mobilteil. »Das sind Applikationen,

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