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solches aufgefasst werden muss. Sie ist also deutungsabhängig. Außerdem ist symbolische Gewalt zudem gefühlsabhängig, das auserkorene Opfer muss „mitspielen“, sich angesprochen und betroffen fühlen. Sybille Krämer fasst die Besonderheiten der „humanen Dimension“ symbolischer Gewalt wie folgt zusammen: „Anders als in der körperlichen Gewalt, welcher immer ein Zug zur Entmenschlichung des Opfers, zu seiner ‚Dingwerdung‘ eigen ist, spricht die symbolische Gewalt den Menschen notwendigerweise in seiner Eigenschaft an, nicht nur ein sprechendes und verstehendes, sondern ein interpretierendes und fühlendes Wesen zu sein.“

      Bei der von uns gestellten Frage geht es nicht um das Thematisieren der physischen Gewalt in der Sprache, z. B. durch Beschreibung und Analyse, diskursive Konstruktion, vorgängige Sprechakte wie die Drohung, nicht um die Gewalt der Sprache, die dieser unvermeidbar mit ihren Strukturen, Normen und Konventionen immer schon innewohnt, auch nicht um Gewalt im Kampf um eigene National- und Muttersprachen, sondern um die Gewalt durch Sprache, also den Vollzug der Gewalt durch Akte des Sprechens; Sprache verletzt, weil jemand auf gewaltsame Weise mit der Sprache handelt.

      Ausgangspunkte solcher Reflexionen über Sprache und Gewalt sind vor allem grundlegende Reflexionen zur Sprach- und Sprechtheorie, wie vor allem bei John L. Austin, Emile Benveniste, John R. Searle, aber auch zur soziologisch-ideologiekritischen Diskursanalyse, insbesondere bei Pierre Bourdieu, Jacques Derrida, Michel Foucault, Jean-Francois Lyotard.

      2. Rhetorische Gewalt in der Politik5

      Schon die klassische Rhetorik widmete gewaltbesetzten, aggressiven, kampfbetonten Formen Aufmerksamkeit, so in der Sophistik und Eristik, aber auch in späteren Gestalten der Disputation, wenn zur Herabsetzung und Vernichtung eines Gegners dieser in Widersprüche getrieben wird; Barthes schreibt hierzu: „Der Syllogismus ist jene Waffe, die diese Liquidierung ermöglicht, die ständig geschärfte Klinge, die schneidet: Die Disputierenden gleichen zwei Henkern, die sich gegenseitig zu kastrieren versuchen. Diese so heftige neurotische Explosion musste kodifiziert, die narzisstische Verletzung eingeschränkt werden“6. Entsprechend habe man die Konfliktaustragung als Sport betrieben und sie genau geregelt. Die Moralisierung der Rhetorik und ihre Einbindung in Bildung und Kultur wurden allerdings bereits mit Cicero und Quintilian zu weithin anerkannten Ansätzen für eine zivilisierte Rhetorik.

      Auf Druck und sprachliche Gewalt abstellende Kommunikation zeigt sich vor allem in einem Cluster von Sprecharten, die im Wesentlichen zu bezeichnen sind mit Wörtern wie warnen, mahnen, drohen, beschwören, Vorwürfe machen, beschuldigen, anklagen, beschimpfen und beschämen, verhöhnen, lächerlich machen, aufziehen etc.; eine destruktive Rhetorik will den Gesprächspartner in die Enge treiben, ihn beschädigen, ihn gar zum Schweigen bringen.

      Elias Canetti hat in seinem Klassiker „Masse und Macht“ Sprechweisen der fehlenden Achtung und der Respektlosigkeit, mangelhaften Distanz („Man rückt anderen quasi auf den Leib“), der unzulänglichen Zurückhaltung, des Drucks, der Disziplinierung und der „Domestikation“ (Drohungen, Gebote, Verbote, Klagen, Hetze, Rache, Gerüchte, Geheimnisse), der Erniedrigung und Verletzung, vor allem in den verschiedenen Typen von „Massen“, analysiert und insbesondere auf das Aburteilen abgestellt, das keine Milde kennt, keine Differenzierung des Urteils, kein Abwägen und wenig Sachkenntnis, das mit unheimlicher Sicherheit und Bestimmtheit geschieht; es handelt sich um ein ins Maßlose gesteigertes Urteilen in Gestalt radikalen Abwertens, der Urteilende fühlt sich der Gruppe der Besseren zugehörig, er erhöht sich mit seiner beurteilenden Rhetorik (Verwandlung!), wobei die duale Klassifikation von Gut und Schlecht eindeutige Zuordnung und Klarheit stiftet. Canetti spricht bildlich vom gewaltsamen Eindringen in einen Feind mit Worten, ähnlich dem Eindringen eines Pfeils in einen Körper (Penetranz), und von einer Situation der weitgehenden Schutzlosigkeit7. Harry Pross hat in fast gleicher Weise in seinem Buch „Zwänge. Essay über symbolische Gewalt“ bemerkt, Sprache und Symbole generell könnten wirken wie Maschinengewehre, ihre Gewalt sei auf alle Fälle Mitursache für ungenügende Resistenz gegen politische Indoktrination und so für die Entfaltung brutaler Gewalt in den Totalitarismen der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Er definiert symbolische Gewalt als die Macht, „die Geltung von Bedeutungen durch Zeichensetzung so weit effektiv zu machen, dass andere Leute sich damit identifizieren“8. Obwohl der Begriff der symbolischen Gewalt äußerst weit gefasst wird im Sinne der Durchsetzung von Bedeutungen durch Erziehung, Sozialisation, Kulturation etc., werden doch die spezifischen Fragestellungen politischer Gewaltrhetorik durch Sprachlenkung, Ausübung von Kontrolle, Zwänge politischer Korrektheit, fanatischen Kampf für die Dominanz eigener Symbolwelt etc. thematisiert. Die Tendenz, die symbolische Gewalt zumindest zu arrondieren, kann „politischen Usancen zugehören, dem Bereich der ‚politics‘. Sie kann eine genau gezielte, politische Maßnahme sein im Sinne von ‚policies‘. Es kann schließlich der Grundordnung als solcher zugehören, dass sie, als eine Konstellation von Zeichen in einem allgemeinen Kommunikationsprozess verstanden, über sich hinausweist und den Geltungsbereich ihrer symbolischen Gewalt auszudehnen bestrebt ist (‚polity‘)“9. Voraussetzung für Demokratie ist bei allen auseinanderlaufenden Bestrebungen ein Minimalkonsens über Grundwerte und Grundordnungen, die mit symbolischer und vor allem auch physischer Gewalt unverträglich sind.

      Ein wichtiger, vielleicht der wichtigste Faktor für den Gewinn politischer Zustimmung ist die politische Glaubwürdigkeit10 von Personen, Ideen und Programmen; sie hat einen besonders hohen, in der jüngeren Vergangenheit wahrscheinlich eher noch gewachsenen Stellenwert. Sie ist ein wichtiger Imagefaktor für positive Selbstdarstellung und das „Marketing in der eigenen Sache", hat den Maßstab von Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit sogar etwas an den Rand gedrängt, geht einher mit Vertrauen, dessen Verlust große negative Konsequenzen hat, gerade auch für die persuasive Rhetorik in der Politik. Auffallend ist, dass der Typus der fanatischen, apodiktischen, aggressiven, gesinnungsethisch urteilenden Gruppe sich zumeist auszeichnet durch unbedingtes Vertrauen in die Glaubwürdigkeit ihrer Repräsentanten und deren Rhetorik: Dem Rhetor aus dem eigenen Lager schreibt man in besonders hohem Maße Eigenschaften zu wie Kompetenz, Qualifikation, Erfahrung, Fähigkeit, Intelligenz, Leistungsbereitschaft etc., vor allem auch eine Menge positiver ethischer Attribute. Glaubwürdigkeit erwächst hier vielfach weitgehend unbesehen, manchmal fast blind. In dieser gewaltbesetzten Rhetorik gibt es in der Regel eine starke Polarisierung zwischen der hohen Glaubwürdigkeit von Gruppenzugehörigen und dem großen Glaubwürdigkeitsdefizit der „ungläubigen“ anderen, die als Gegner mit ihrer bisweilen kritisch-distanzierten, ja ironischen Reaktion ihre Exklusion seitens der „Gutmenschen“ und „Besserwissenden“ noch befördern.

      Rhetorische Gewalt ist ideologie- und systemimmanent im Totalitarismus, Fundamentalismus und Extremismus. Vor allem in totalitären Bewegungen und Herrschaftsformen ist verbale Gewalt in politischer Rhetorik integraler Bestandteil. Sie rechtfertigen ihren Herrschaftsanspruch mit dem Hinweis auf ideologische Überlegenheit, weltpolitische Sendung und tiefe Einsichten in die Interessen der Menschheit oder eines Volkes.

      Eng umgrenzte Machtgruppen, wie z. B. Einheitsparteien, monopolisieren die Besetzung der Herrschaftspositionen. In solchen Gesellschaftssystemen gibt es graduelle Unterschiede der Mündigkeit zwischen Führenden und Geführten; die Führenden beanspruchen für sich allein die Fähigkeit, wichtige Entscheidungen zu fällen und Verantwortung zu tragen, während den Geführten aufgrund des Mangels solcher Qualitäten die Fähigkeit, Führungspositionen einzunehmen oder Vertreter zu wählen, nicht oder nur in beschränktem Maße zugebilligt wird. Weiterhin ist für solche Ordnungen bestimmend, dass offene Kritik und damit das Zutagetreten von Interessengegensätzen und Konflikten in der offiziellen Struktur nur im erlaubten Rahmen oder überhaupt nicht zugelassen werden. Interessenspannungen und Konflikte werden zu latenten, nicht manifesten Konflikten, zu denen dann umso mehr Anlass ist, je stärker die Frustrationen sind, die den Untergebenen zugemutet werden. Aggressionen dienen der Unterdrückung nicht erlaubter Bedürfnisse, der Unterwerfung von Minderheiten und schwächeren Gruppen in der Herrschaftshierarchie sowie der Bekämpfung der äußeren Systemfeinde. Auf der Seite der Herrschenden existiert eine latente Angst vor dem Manifestwerden von Aggressionen gegen die Herrschaftspositionen und ihre Monopolisierung, während auf der Seite der Beherrschten Angst besteht vor den Folgen, die ein offen ausgetragener

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