Скачать книгу

sich die Zigarette an, die er schon eine Weile in der Hand hielt, schickte einen höhnischen Blick in Richtung Bleuel und sagte: «Wenn diese Pfeife auf den Kran kommt, dann werdet ihr nicht das Salz aufs Brot verdienen.»

      Über den Weg, eine aufwärts führende Rampe, rollten zwei Betonfahrzeuge.

      «Da kommen die Kipper», sagte Gallas rasch. Er warf die eben angerauchte Zigarette weg. «Los, dalli, dalli.»

      Bis zur Pause hatten sie zu tun, dann gab Gallas das Zeichen, und sie gingen zum Verpflegungszelt, empfingen in Plastbeutel abgepackte Rationen und Tee. Die gesamte Brigade, zwölf Mann, blieb, auch während der Frühstückszeit zusammen. Gallas riß den Beutel auf, entnahm ihm eine Knackwurst und Brot, er begann zu essen. Sie saßen auf Holzbänken an langen Tischen, die von Zimmerleuten grob zusammengefügt waren. Gallas gegenüber saß Bleuel, er redete mit Neumann. Gallas hörte zu.

      «'ne verrückte Schinderei», sagte Bleuel, «und ganz nutzlos. Der Boden ist nicht fest genug. Ich will dir mal was sagen, ich habe oben bei den Fischköppen schon mal solche Straßen gebaut, die haben kein Jahr gehalten. Das Zeug rutschte einfach weg.»

      Neumann zerschnitt einen Apfel in vier Teile, mit einem Blick zu Gallas sagte er: «Beton kommt auch nicht genug ran.»

      Gallas sagte bloß: «Seht mal zu, daß ihr heute fertig werdet mit euren Platten: Ich brauche euch morgen am Fundament.» Antwort wartete er nicht ab, er stieg über die Holzbank, und mit einem kurzen «Mahlzeit» ging er rasch in Richtung Baracke. So hörte er auch nicht, wie Bleuel fragte: «Wer hat den denn Galli getauft? Gut gesehen, muß ich sagen, solange ich hier bin, hat der noch nie gelacht.»

      Die Jüngeren grinsten, und Kachulla sagte stolz: «Das war ich. Und was das Lachen betrifft, sehn dich nicht danach, daß Gallas mal lacht.»

      Leicht gereizt war die Stimmung. Der friedfertige Weichand bemerkte: «So'n miesen Verein haben wir noch nie gehabt.»

      Eine Weile schwiegen sie, mit Essen beschäftigt.

      «Kann schon sein, daß euch früher die Wunderkinder nur so ins Haus flogen», sagte Bleuel gelassen, der Zustimmung durch die Jüngeren sicher, «Ich Idiot habe geglaubt, in so'ner Mannschaft geht es nicht ohne Kameradschaft. Die haben uns ja auch erzählt, was für Helden sich hier einfinden werden. Damit ihr Mal klar seht, ich laß mich von keinem rumkommandieren, auch nicht von Gallas.

      «Jetzt hast du die große Schnauze», Fouché schaltete sich ein, «wo Gallas nicht da ist. Hier kommandiert ja auch keiner, wir haben was zu verlieren, ihr nicht.»

      «Sollte mich wundern, was ihr zu verlieren habt», sagte Bleuel herabgestimmt.

      Sie saßen noch eine Weile, steckten sich Zigaretten an und gingen in Gruppen zum Fundament zurück.

       10

      Gallas holte sein Rad, prüfte mit dem Daumen den Reifendruck und schwang sich in den Sattel. Die Entfernungen waren groß genug, daß sich Räder bezahlt machten. Mit einem Rad kam man überall durch, zur Not konnte es über besonders unpassierbare Stellen getragen werden. Mopeds oder Motorräder hätten den Aufwand nicht gelohnt. Ein paar Minuten lang folgte Gallas den Fahrspuren, dann umrundete er die Standplätze der Kühltürme. Bis jetzt war hier noch nicht begonnen worden. Auch am Schornsteinfundament - wie es hieß, sollte er der höchste Europas werden - war Totentanz. Gallas fand sich ausgezeichnet zurecht in dem Gewirr von Wegen, Baugruben und begonnenen Bauwerken. Den Plan der gesamten Kraftwerkanlage hatte er im Kopf, die Größe des Vorhabens imponierte ihm. Hier war endlich mal eine Chance, was Sichtbares hinzustellen, nicht bloß Gräben auszuheben, Trassen zu legen und Ähnliches, sondern ein mächtiges Werk. Es war auch eine persönliche Chance. Gallas trat instinktiv in eine Beziehung zu diesem Giganten. Es hätte ruhig etwas passieren können, etwas Aufrüttelndes, in dem verschlafenen Einerlei der Tage. Gallas haßte diese Arbeit plötzlich, haßte dieses im Entstehen begriffene Werk, das ihn eines Tages wieder ausspucken würde, wenn er das Seine dazu getan hatte,

      Vor der Baracke stieg er ab, schloß das Rad an, nicht weil besonders viel geklaut wurde, sondern aus dem eingefleischten Mißtrauen heraus. Dann ging er in die Baracke, um seinen Bauleiter zu sprechen, Kisko redete er noch immer nicht mit dem kameradschaftlichen Du an, wie unter Bauarbeitern üblich. Aus seinen Beobachtungen zog Gallas den Schluß, daß der junge Bauleiter etwas Besseres sein wollte. Er kam auch schwer darüber hinweg, daß ihm ausgerechnet der jüngste Bauleiter vor die Nase gesetzt worden war. Er hätte jetzt nicht einmal einen Grund nennen können, weshalb er Kisko aufsuchte, aber als er dem Bauleiter gegenübersaß, fiel ihm der Grund ein. Kisko selbst lieferte ihn, indem er fragte, ob sie genügend mit Schweißarbeiten vertraute Leute hätten.

      Herablassend nickte Gallas. «Bei der Gelegenheit wollte ich mal fragen, wann die Träger geliefert werden. Was ist mit den Standsäulen?»

      «Ihr seid ja noch nicht soweit», erwiderte Kisko.

      «Und wenn wir soweit sind, dann fehlen die Träger, kenne ich doch.» Gallas beobachtete den jungen Mann; der sich kühl und überlegen gab. «Denkt auch an die Säulenkränze», fuhr er fort, «bei dem Typ werden die Wandelemente an die Säulen über Kränze verbolzt. Da seh ich doch voraus, daß wir auf die Kränze oder auf die Steckbolzen warten, selbst wenn die Säulen schon da sind.»

      Auf Kiskos Schreibtisch stand ein Tablett mit Brötchen und einem Kännchen Kaffee oder Tee. Gallas sagte sich, der lebte genauso wie die anderen aus dem Beutel, dem geht es nicht besser als uns, aber Gallas suchte Reibung.

      «Und wir stehen rum.»

      Endlich ging auch Kisko auf den Ton ein. «Haben Sie hier schon mal rumgestanden, Kollege Gallas?»

      Gallas zuckte die Schultern.

      «Ich verlange, daß Sie mir jetzt eine klare Antwort geben. Haben Sie schon mal rumgestanden, solange ich Ihr Bauleiter bin?»

      «Wir haben mehr als einmal rumgestanden», erwiderte Gallas der Wahrheit gemäß. Zwar hatten sie rumgestanden, aber Gallas wußte genau, daß an den Fehlzeiten nicht allein Kisko schuld war. Es lag ganz einfach an der allgemeinen Lage zu diesem Zeitpunkt.

      Der junge Bauleiter errötete. Auch ihm war natürlich bewußt, daß nicht alles wie am Schnürchen lief. «Wenn», sagte er, «dann hatte das Gründe, auf die ich auch keinen Einfluß habe.»

      «Richtig», sagte Gallas. «Wir sind schuld, wir haben Mist gemacht. Ihnen krümmt ja keiner ein Haar»

      «Sie hatten von Anfang an was gegen mich», Kisko nickte. In Gallas Ohren klang das weinerlich. Ein Mann hätte jetzt auf den Tisch gehauen. Alters zum Beispiel hätte ihn, Gallas, bloß rausgeschmissen. Der hier hatte Angst vor ihm, den konnte er in die Tasche stecken. Er wurde kühner. «Wenn die Säulen mitsamt den Kränzen und natürlich auch den Platten nicht auf die Minute genau da sind, Kollege Bauleiter, dann reist meine Mannschaft ab nach Hause. Sie können uns ja ein Telegramm schicken, wenn Sie alles beisammenhaben.»

      Gallas wußte, so ging es nicht, war aus vielen Gründen undenkbar. Er dachte auch gar nicht daran, abzufahren. Dafür waren sie ja nicht hier. Außerdem würde keiner mitgemacht haben, ausgenommen vielleicht Kacho. Ein erfahrener Chef hätte Gallas sicherlich nur ausgelacht oder gefragt, ob er alle fünf Sinne beisammen habe. Nicht Kisko, der nahm auch das für bare Münze.

      «Sie werden Ihre Kränze und Säulen zur rechten Zeit haben, und wenn ich sie selbst ranfahren muß.»

      «Nehmen Sie die Sackkarre», riet Gallas bissig.

      Kisko sagte, er habe jetzt zu tun, deutlich gab er seine Verachtung kund. Dazu war es zu spät, der Auftritt zwischen ihm und Gallas war zu dessen Gunsten entschieden.

      Der Brigadier hätte gehen können. In ihm steckte die Lust, sich weiter zu kabbeln, bloß um zu sehen, wie weit er es treiben könne. Kisko war ja eigentlich unmöglich auf dem Bau, sagte er sich. Wer ist denn bloß auf den Einfall gekommen, den hierher zuschicken. Den legte doch rein, wer wollte. Der hielt das hier schon für Krach, der würde staunen, wenn die wirklichen Fragen auf den Tisch kamen, wenn es um harte Rubel ging.

      Das Komplexgebäude

Скачать книгу