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Das Erbe. Helmut H. Schulz
Читать онлайн.Название Das Erbe
Год выпуска 0
isbn 9783847660040
Автор произведения Helmut H. Schulz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Spät am Nachmittag fuhren Gallas, Koblenz und Kisko hinaus auf den Bauplatz. Koblenz hielt, sich an der Lageskizze orientierend, vor einer flachen Grube. An vier Ecken standen die Stangen der Geometer; eine Ziffer auf einem Schild bezeichnete das Bauwerk, das entstehen sollte.
«Hier führt die Haupttrasse vorbei», bemerkte Koblenz, «prägen Sie es sich ein, Gallas.»
Gallas, der ein gutes Gedächtnis für Gelände besaß, konnte sich ohne Mühe die künftigen Wege vorstellen, eine Sache, die Koblenz besonders an Gallas schätzte.
«Hier müßt ihr morgen beginnen.»
Gallas nickte. «Geht in Ordnung, wir fangen morgen an.» Er überlegte, suchte nach Worten und erklärte: «Für die Arbeit reichen wir vier.»
«Gut», Koblenz ging zum Wagen, «Kisko ist Ihr Bauleiter.» Überrascht sah Gallas auf. Er hätte Gablenz den Vorzug gegeben, dessen Leitungsstil er kannte.
«Was heißt das, wir vier», fragte Kisko.
«Wir Alten. Bei uns sitzt jeder Griff, in zehn Tagen steht die Baracke, ach was, kann sie bezogen werden»
Gallas überschlug die Fristen, bis jetzt lagen noch nicht einmal die Fundamente, standen die Montageteile noch im Werk oder auf dem Bahnhof. Ein paar Hände mehr hätte er gut brauchen können.
«Nimmst du den Mund nicht etwas zu voll, Kollege Gallas?»
Nach dieser Frage konnte Gallas nicht mehr zurück. Er wollte sich behaupten. «Teilen Sie anders ein, Sie sind der Bauleiter», erwiderte er scharf.
«Es ist nicht nötig, daß Sie sich aufregen. Es war nur eine Frage, knapp genug sind wir mit Leuten»
Unsicher geworden, sah sich Gallas nach Koblenz um. Der hatte die Kühlerhaube seines Autos geöffnet und kontrollierte den Ölstand.
«Ich glaube, wir sollten hier eng zusammenarbeiten.» Kisko suchte tastend nach Grund, überall fand er Widerstände, selbst ein Bauarbeiter, wenn auch ein erfahrener, glaubte ihn übergehen zu können, und Koblenz sprang ihm nicht bei.
Mit dem Ausdruck einer trägen, sich eben entwickelnden Feindschaft bemerkte Gallas: «Keine Frage, Kollege Kisko.»
Koblenz klappte die Kühlerhaube zu, wischte sich die Hände an einem Lappen sauber und wirbelte den Autoschlüssel spielerisch herum. Ihn amüsierte die Lage Kiskos. Koblenz hatte sich längst für Gallas entschieden. Nach diesem Geplänkel würde die Baracke in spätestens drei Wochen beziehbar sein, eine akzeptable Frist. Die Lösung ging auf Kosten Kiskos. Kisko hatte, wie unter Bauarbeitern üblich, den Brigadier erst einmal geduzt. Auf dieses Du war Gallas nicht eingegangen, der doch all und jeden duzte und nichts dabei fand, wenn ihn wildfremde Menschen mit Du ansprachen. Aber hier drückte sich mehr als ein Versehen aus. Das freundschaftliche Du hatte im Laufe dreier Jahrzehnte allerlei Wandlungen durchlaufen. Es war gut, die Unterschiede zu kennen, das Zeremoniell zu beherrschen. Koblenz wäre nie auf den Einfall gekommen, den Brigadier zu duzen, nachdem dieser selbst eine Respektschranke errichtet hatte. Gallas hätte das als einen Anbiederungsversuch gewertet. Andererseits duzte Gallas Alters und auch Gablenz. Übrigens würde Koblenz, wie er sich gestand, im Falle Kiskos auch die förmlichere Anrede vorgezogen haben, wären nicht er und der junge Mann Genossen gewesen.
«Laß Gallas machen, wie er es wünscht. Die Leute haben das untereinander ausgekaspert, greif da nicht ein.»
Kisko wollte sagen, dann bin ich ja überflüssig, aber er schwieg, wissend, daß Koblenz ihm nicht vertraute und ihm scharf auf die Finger sah.
«So ein Schiff wollte ich immer mal steuern», sagte Gallas mit einem begehrlichen Blick auf das Auto des Doktors.
«Na, man los», Koblenz drückte ihm die Schlüssel in die Hand, «dann steuern Sie uns mal nach Hause. Was haben Sie denn für eins.»
«'n alten P70», sagte Gallas, «vielleicht kriege ich hier ein neues Auto zusammengespart.»
Koblenz ließ selten einen Fremden ans Steuer, jetzt machte er eine Ausnahme.
Biografie
Bernhard Gallas - ein Mann werden
Das Dorf, Geburtsort und engere Heimat liegt zwischen einem Fluß und einer Landstraße, mehr einem ausgefahrenen Sandweg; Fluß, Busch, Sumpf, Niederung. Saure und sandige Böden im Flurplan, der im Bürgermeisteramt aushängt. Rund achthundert Einwohner werden immerhin verwaltet. Es ist ein elendes Dorf, die Wohnhäuser gleichen einander; an der Längsseite der Häuser befindet sich der Eingang, eine kurze Treppe, überdacht, links und rechts Leistenspalier mit immergrünem Efeu oder wildem Wein. Neben dem Eingang jeweils zwei Fenster. In den Vorgärten Bauernrosen. Wacholder oder anderes Ziergehölz. An den Garten grenzt ein geschlossener Bretterzaun mit einer Durchfahrt zum Hof. Auf dem Hof immer die Schwengelpumpe, gleich gegenüber dem Eingang zur Küche, einem großen, meist gefliesten Raum. Der hintere Teil des Hofes wird von einer Scheune begrenzt und von kleineren Stallungen für Rinder, zwei höchstens, für ein Rudel Schweine. Eine Zuchtsau wird behalten, die Läufer verkauft, ein oder zwei Tiere sind dem eigenen Verbrauch vorbehalten. Das Fleisch wird gesalzen und gepökelt, Topfwurst läßt sich lange halten, Speck, Schinken, Rauchfleisch. Neben der Küche Hundehütte und ein struppiger Hund, mittelgroß, von unbestimmter Rasse, bissig, tückisch, feige, ein Leben lang an der Kette liegend. Zwei oder drei Katzen, sich selbst überlassen, hausen in geschützten Ecken der Scheune oder der Ställe. Zweimal jährlich werfen sie, zweimal jährlich nimmt man ihnen die Jungen fort.
Die Höfe ernähren keine Familie, auf den leichten Böden sind nur schlechte Erträge zu erzielen, Roggen, Kartoffeln, Gerste, mit Weizen hat man hier kaum Glück. Die wenigen größeren Bauern behelfen sich bei Mißernten durch Holzverkauf, ein Bauer ohne Wald kann hier nichts werden. Bauern gibt es auch nur wenige, es sind meist Nebenstellen, die Besitzer gehen über Tag zu «Schwarzkopff» arbeiten, als Handlanger,'Transportarbeiter. Anfang der dreißiger Jahre wird es üblich, die Söhne bei «Schwarzkopff» einen Industrieberuf lernen zu lassen, zur Sicherheit. Sie bleiben aber trotzdem so etwas wie Bauern. Allmählich verändert sich die Dorfstruktur. Es gibt schon Familien, die nur noch kleine Flächen für den Eigenbedarf bewirtschaften, aber das Schwein, Geflügel, Kaninchen, manchmal die Kuh werden weiter gehalten. Auch Gemüse und Kartoffeln werden selbst gezogen. In den zwanziger Jahren geschieht etwas Wichtiges, die Stadt Berlin schiebt sich weiter in die Randgebiete vor. Auf kleinen Parzellen entsteht eine Siedlung von stadtmüden Leuten. Der Fluß, die umliegenden Seen sind fischreich, man kann angeln, und es lohnt sich auch für einige kleinere Handwerker, Betriebe zu eröffnen. Tischler oder Schreiner, Maurer, Brunnenbauer, ein Bootsbauer siedeln sich an, finden ein Auskommen.
Auch die nahe Kleinstadt hat an dem Aufschwung teil, zwei ältere Baubetriebe erweitern Personalstand und Leistungen. In einem davon arbeiten der alte Gallas und zwei seiner Söhne. Während der Saison schultern Vater und die Söhne ihre Rucksäcke, Bauberufe sind Rucksackberufe, setzen sich auf die Räder und fahren die zwölf Kilometer in die Kreisstadt, oder sie fahren gleich zu den umliegenden Baustellen, Siedlungshäuser werden gebaut. Während des Winters sind die Männer zu Hause, haben auch so zu tun, ein Schlag Getreide, ein Schlag Kartoffeln, das Vieh, Schwein, Hühner, paar Schafe, Kaninchen, sind zu versorgen. Feuerholz muß geschnitten werden, Reparaturen am Haus fallen an. Geräte müssen durchgesehen werden, aber es ist doch eine Ruhezeit. Man ist übrigens sicher, zu Saisonbeginn wieder Arbeit zu haben.
Bernhard Gallas, der jüngste, ein Nachkömmling, verwöhnt von Mutter, Vater und den beiden erwachsenen Brüdern, hat eine gute Zeit. Trotzdem: Hier herrscht Ordnung, hier wird aufs Wort pariert. Vater Gallas ist ein harter Mann, für ihn gibt es nur Pflichten. 1933 wird Bernhard geboren, er erinnert sich an seine Brüder als an ausgewachsene Burschen in Soldatenuniform, der alte Gallas ist auch dienstverpflichtet, alle drei Männer sind kaum noch zu Hause. Die Mutter ist da. Haus, Ställe, Scheune, eine Masse Arbeit für anderthalb Menschen, denn Vieh will die Mutter nicht abgeben, Lebensmittelkarten bekommen sie nicht, Selbstversorger nennt man sie