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      »Dein Kind bin ich in der Tat. Aber seines …«

      »Seins auch. Zumindest was die Familie insgesamt betraf.«

      »Aber er hatte immer im Hinterkopf, dass er nicht mein Erzeuger war. Und irgendwann hatte ich auch immer das Gefühl, die Tochter zweite Klasse zu sein.«

      Das Essen kam, und sie mussten einen Augenblick ihr Gespräch unterbrechen.

      »Lass es dir schmecken, mein Kind.«

      Rosa Makowski wusste, dass ihre Tochter recht hatte. Aber dennoch wollte sie das so nicht sehen. Das hätte ja ein Eingeständnis vorausgesetzt, dass sie wissentlich zugeschaut hätte. Und das hatte sie tatsächlich nicht. Sie hatte immer versucht, zu vermitteln, hatte immer versucht, Manuel in die richtige Richtung zu lenken. Und in der Regel klappte das auch.

      »Die Hauptsache ist, dass du jetzt glücklich bist, Suzanne«, sagte sie zwischen zwei Bissen.

      »Glück? Was ist Glück überhaupt, Mama?«

      Sie ist mein schwieriges, mein aufsässiges, mein nachdenklich machendes Kind, dachte Rosa Makowski. Helga war da wesentlich einfacher zu dirigieren.

      »Glück ist es, eine eigene Familie zu haben, in der man sich sehr wohlfühlt.«

      »Eine eigene Familie habe ich ja jetzt schon. Lillian ist zwei Jahre alt, und Muzafer wird es sicher nicht bei dem einen Kind belassen.«

      Die Art, wie sie Suzanne das sagte, gab der Mutter ein Stich.

      »Lil-li-an?«

      »Meine Tochter, Mama. Hast du nicht gewusst, dass ich eine Tochter habe?«

      Obwohl es ihr schmeckte und sie noch nicht aufgegessen hatte, schob Rose Makowski den Teller von sich weg. »Nein.«

      »Schmeckt das Essen nicht?«

      »Nicht mehr, Suzanne.«

      »Aber genau so ist es, Mama. Ich weiß nicht, was ihr in dieser Zeit getrieben habt, und ihr wisst von mir gar nichts.«

      »Bist du glücklich mit diesem …«

      »Muzafer, Muzafer Beganovic.«

      »Ein Ausländer also.«

      »Ein Bosnier.«

      »Ein Bosnier«, stellte Rosa Makowski lakonisch fest.

      Suzanne merkte Enttäuschung in der Stimme der Mutter. Anders hatte sie das gar nicht erwartet.

      »Ein Muslim, Mama.«

      Rosa Makowski seufzte. »Ich habe es vermutet.«

      »Und da laufen die Uhren ein wenig anders als hier in Deutschland.«

      »Du liebst ihn?«

      Susan hob die Schultern. »Liebe. Was ist Liebe?«

      »Wärme, Suzanne. Wärme, Zusammengehörigkeitsgefühl, Streicheleinheiten für die Seele.«

      »Und Sex.«

      »Ja, und Sex.«

      »Davon versteht er was, vom Sex. Solange es ihn betrifft. Der Rest, den du beschrieben hast, ist für ihn nicht relevant. Er hat das zu Hause nicht gelehrt bekommen, und er hat es sich nicht von anderen absehen können. Denn in seiner Welt gibt es nur die Macht der Männlichkeit.«

      »Ein Macho.«

      Suzanne nickte. »Wie er im Buche steht. Entweder man akzeptiert das, oder es hat Folgen.«

      »Folgen?«

      »Ja, Folgen. Und die können sehr drastisch sein.«

      Wieder seufzte Rosa Makowski auf.

      »Wenn du großes Glück hast, kriegst du eins in die Fresse. Oder er bindet dich ans Bett an und vögelt dich in Ruhe auch anal, während dir die Tränen der Scham, des Schmerzes und der Erniedrigung übers Gesicht laufen.«

      Suzanne nahm den letzten Bissen von ihrem Teller und beobachtete ihre Mutter. Sie hatte es absichtlich so gesagt, um ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Das war ihr gelungen.

      *

      »Es war wirklich nicht leicht, Suzanne beizukommen. Das Schlimmste allerdings ist, dass die beiden Mädchen mir immer ihr Lieblingslied vorgesungen haben, was die Morbidität unseres Hauses vorwegnahm. Sie hatten es wundervoll einstudiert, sangen es zweistimmig.«

      »Welches Lied?«, fragte Larsson.

      »Knockinʼ on heavens door. Es ist ein Bob-Dylan-Song.« Die Frau summte es leise an, dann öffneten sich ihre Lippen. »Mama, nimm dieses Abzeichen von mir. Ich brauche es nicht mehr. Es wird dunkel, zu dunkel, um etwas zu sehen. Ich fühle mich, als klopfe ich an die Himmelspforte.«

      Larsson sah, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Es zerfrisst mich, aber ich höre es immer wieder und wieder: Mama, vergrabe meine Waffen. Ich kann mit ihnen nicht mehr schießen. Der lange schwarze Schatten senkt sich ab. Ich fühle mich, als klopfe ich an die Himmelspforte.«

      »Sehr gefühlvoll«, stellte Larsson fest. »Ich kann mir denken, wie Sie sich fühlen.«

      Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, das können Sie bestimmt nicht. Ich werde oft gefragt, wie es mir geht. Darauf kann ich gar nicht ehrlich antworten, denn mich fröstelt bei dem Gedanken an meine beiden Kinder. Ich setze mich dann oft in die Sonne, wenn mir kalt ist, hänge dann meinen Gedanken nach. Glauben Sie mir, diese Gedanken sind ein Albtraum.«

      Larsson nickte, sagte aber nichts.

      »Diese Gedanken engen mein Herz ein, lassen es manchmal aussetzen, versetzen mich in Todesangst. Sie müssen wissen, ich liebe mein Leben. Aber Liebe und Hass sind oft ganz dicht beieinander, wie Geschwister. Wie Geschwister, wie Helga und Suzanne.«

      Larsson machte sich seine Gedanken. Spätestens seit er wusste, dass seine Frau ihm ein Kuckuckskind geboren hatte, hatte Makowski seine Frau leiden lassen. So wie er sie behandelte, seit er das Haus und dieses Zimmer betrat, war sein Ton schlimmer und erniedrigender als zu einem Hund, der unerwartet in die Wohnung pisste. Die Frau musste schlimme Zeiten erlebt haben. Ihr Leben von diesem Zeitpunkt an musste ein einziges Martyrium gewesen sein.

      »Heute singe ich für beide Mädchen und Malo nur noch Tears in Heaven«, sagte Rosa Makowski. Sie summte den Eric-Clapton-Song kurz an.

      »Wer ist Malo?«, fragte Larsson.

      »Malomir«, sagte Rosa Makowski leise. »Er war unser Enkel, Suzannes Sohn. Er starb einjährig am zweiten Weihnachtsfeiertag den Kindstod hier in unserer Wohnung.«

      Oh Gott, was für ein Elend, dachte Larsson.

      »Er war noch so klein.« Abermals weinte die Frau.

      »Bist du schon wieder bei den Trauerreden?«, tönte es von der Tür her. Makowski kam zurück, in der Hand hatte er zwei Flaschen Störtebeker.

      »Tu doch nicht so, Manuel, als wärest du der, der über den Tod unserer Kinder hinwegsehen könnte, als wäre es eine kleine Träne in der Nacht.«

      »Ich möchte nicht, dass du jeden Tag davon redest.«

      »Wenn ich nicht davon rede, redest du davon. Wir können beide nicht aus unserer Haut«, widersprach Rosa Makowski.

      Es klopfte an der Tür. Rosa Makowski stand auf und ging hinaus in den Flur.

      Makowski setzte sich an den Tisch. Er hatte zwei Störtebeker aus der Küche mitgebracht. Eins davon schob er Larsson zu.

      »Immer wenn ich von ihr etwas will, kommt irgendetwas dazwischen. Sie klingelt nicht, sie klopft. Und da weißt du gleich, sie will irgendwas extra, was nicht im Preis enthalten ist.«

      »Sie ist ein Badegast, nehme ich an«, sagte Larsson.

      »Exakt.«

      Einen Augenblick hörten sie Rosa Makowski in der Küche hantieren. Kurz darauf kam sie wieder

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