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rein deskriptive, unpolitische Auseinandersetzung mit Aids und wandelte es daher zu „RIOT“ um, „Aufstand“. „RIOT“ war ein starker Appell, aktiv zu werden und den denunzierten Lebensstil gegen konservative und konformistische Politiken zu verteidigen. Der große Schritt, den „RIOT“ bedeutete, lag in diesem Ausbrechen aus Lethargie und Untätigkeit, im Aufzeigen einer Möglichkeit zum Handeln – „Handeln = Leben!“

      Gran Fury umfasste anfangs etwa zwölf Mitglieder und verstand sich als offene Gruppe. Alle Mitglieder des Kollektivs waren auch Mitglieder von ACT UP New York – und verstanden sich primär als Aidsaktivist_innen in Zeiten einer drohenden Katastrophe:

      „AIDS was turning into a huge catastrophe, and there was no adequate public response. So there was a space for some kind of voice to raise questions. None of us had any doubts that we had to be there.“

      (Loring McAlpin, Mitglied von Gran Fury, 2003, zitiert nach Crimp 2013; auf Deutsch etwa „Aids entwickelte sich zu einer riesigen Katastrophe, und es gab keine angemessene öffentliche Antwort. Das öffnete den Raum dafür, dass irgendjemand Fragen stellte. Niemand von uns hatte den geringsten Zweifel daran, dass wir dies tun mussten“; U. W.)

      „[W]e came together with such a sense of urgency, with goals that had nothing to do with wanting to make art or to change the way people look at art.“

      (Marlene McCarty, Mitglied Gran Fury, 2003, zitiert nach Crimp 2013; auf Deutsch etwa „Wir kamen in dem Gefühl höchster Dringlichkeit zusammen, und unser Ziel war nicht, Kunst zu machen oder die Art und Weise zu verändern, wie die Leute Kunst wahrnahmen; U. W.)

      Gran Fury prägte die optische Identität von ACT UP ganz wesentlich, auch wenn zahlreiche weitere Künstlerinnen und Künstler, die nie Mitglied waren, ebenfalls für ACT UP arbeiteten. Die Gruppe setzte sich zudem kritisch mit anderen Künstlergruppen auseinander, die ebenfalls Aids thematisierten, insbesondere mit General Idea.

      Später beschloss Gran Fury, sich von ACT UP zu trennen und sich als geschlossene Künstlergruppe zu betrachten. 1994 löste sich Gran Fury auf; Mark Simpson, einer der Initiatoren, starb am 10. November 1996 an den Folgen von Aids. Die Gruppe erklärte ihre Werke bei Auflösung als gemeinfrei; die „Gran Fury Collection“ wird heute in der New York Public Library verwahrt und ist dort einsehbar.

      Die problematische Verknüpfung von Aids und Holocaust

      Der Slogan „Silence = Death“ in Kombination mit dem Rosa Winkel stellte unübersehbar einen Bezug zwischen der Verfolgung homosexueller Männer im Nationalsozialismus und der Situation der Schwulen in der Aidskrise her. Das Schweigen angesichts des massenhaften Sterbens von Schwulen, damals in der NS-Zeit wie in der Aidskrise, müsse durchbrochen werden, um überleben zu können, so die These.

      Eine Verbindung herzustellen zwischen der Verfolgung der Schwulen in der NS-Diktatur und ihrer Situation in der beginnenden Aidskrise war in den 1980er-Jahren in den USA ein weit verbreiteter Gedanke. Erstmals tauchte diese Denkfigur im März 1983 in einem Artikel von Arnie Krantowitz im Schwulenmagazin „The Advocate“ auf:

      „Instead of sympathizing with us as the victims of a disease, those who wish us dead will accuse us of having invented AIDS and will … accuse us of being unclean. 'Unclean' is what they called the Jews of Germany before the racial purity laws made it illegal to have sex with them.“

      (Advocate 1983; auf Deutsch etwa „Statt mit uns als Opfern der Krankheit zu sympathisieren, werden diejenigen, die uns den Tod wünschen, uns beschuldigen, AIDS erfunden zu haben … und unrein zu sein. ‚Unrein‘ nannten sie die Juden in Deutschland, bevor die Rassereinheits-Gesetze es für illegal erklärten, mit ihnen Sex zu haben“; U. W.)

      Verdichtet wird der Gedanke bald in Formulierungen wie „Aids is the gay holocaust“, die insbesondere Larry Kramer, selbst Jude, immer wieder benutzte. In seinem 1985 erschienenen Buch „The normal heart“ zum Beispiel, mit dem er für den Kampf gegen Aids motivieren wollte, forderte er, Schwule sollten nicht die gleichen Fehler wie damals die Juden machen. Und einer 1989 veröffentlichten Sammlung nichtfiktionaler Texte gab er den programmatischen Titel „Reports from the Holocaust: The Story of an AIDS Activist“. Kramer schrieb darin:

      „Aids is our holocaust and Reagan is our Hitler. New York City is our Auschwitz.“

      (Kramer 1989, S. 120; „Aids ist unser Holocaust und Reagan ist unser Hitler. New York City ist unser Auschwitz“; U. W.)

      Kramer, der noch 2015 mit Blick auf HIV von „Genozid“ sprach, war jedoch bei Weitem nicht der Einzige, der immer wieder Aids und Holocaust in Verbindung setzte – bis mindestens zum Jahr 2000 ist diese Verknüpfung zu finden. Im Folgenden einige Beispiele:

      Der konservative US-Publizist David Horowitz gab einem Kapitel über Aids in seinem 1998 erschienen Buch „The Politics of Bad Faith“ den Titel „A radical holocaust“. Horowitz warf darin den von ihm so genannten „homosexuellen Radikalen“ vor, durch ihre Ablehnung der normativen Institutionen Amerikas „ihren eigenen sozialen Frankenstein“ in Form der Aids-Epidemie erschaffen zu haben:

      „In rejecting America’s normative institutions, while radically inventing the social future, however, they invite just those retributions that have historically attended the systematic violation of natural order. In so doing, they have created their own social Frankenstein, even without achieving state power, in the contemporary epidemic of AIDS.“

      (Horowitz 1998; auf Deutsch etwa: „Indem sie Amerikas normative Institutionen ablehnen und zugleich radikal die gesellschaftliche Zukunft erfinden, ziehen sie genau jene Vergeltung auf sich, die historisch immer auf eine systematische Verletzung der natürlichen Ordnung gefolgt ist. Dadurch haben sie, sogar ohne staatliche Gewalt erlangt zu haben, ihren eigenen sozialen Frankenstein in Form der gegenwärtigen Aids-Epidemie erschaffen“; U. W.)

      Der 1993 an den Folgen von Aids verstorbene Filmemacher Stuart Marshal stellte in seiner 1986 erschienenen Dokumentation „Bright Eyes“ Aids und den Holocaust in einen Zusammenhang, auch wenn er später häufiger, so auch 1989 bei der Konferenz „How do I look?“, dementierte, er habe eine direkte Parallele zwischen dem Holocaust und der Aids-Epidemie ziehen wollen (vgl. Hallas 2009).

      Barbra Streisand bezeichnete das jahrelange Schweigen des US-Präsidenten Ronald Reagan zu Aids noch 1992 als „genocidal“:

      „I will never forgive my fellow actor Ronald Reagan for his genocidal denial of the illness' existence, for his refusal to even utter the word AIDS for seven years, and for blocking adequate funding for research and education which could have saved hundreds of thousands of lives.“

      (Zitiert nach Wockner 2004; auf Deutsch etwa „Ich werde meinem Schauspielerkollegen Ronald Reagan niemals seine genozidale Leugnung der Existenz der Krankheit vergeben, seine Weigerung, das Wort Aids sieben Jahre lang auch nur auszusprechen, seine Blockade einer angemessenen Finanzierung von Forschung und Aufklärung, die hunderttausenden Menschen das Leben hätte retten können“; U. W.)

      Der 1996 an den Folgen von Aids verstorbene Schriftsteller Harold Brodkey stellte Analogien zu den Todeslagern der Nazis her:

      „The separation from society, the political marginalization and the financial thefts, the attacks to see what can be stolen from you, and the indignity – including social indignity – of AIDS suggest a partial, sometimes fluorescent and linoleumed version of the death camps.“

      (Brodkey 1996; auf Deutsch etwa „Die Abtrennung von der Gesellschaft, die politische Marginalisierung und die finanziellen Diebstähle, die Attacken, um zu sehen, was man von dir stehlen kann, und die Würdelosigkeit – einschließlich der sozialen Würdelosigkeit – von Aids beschwören eine partielle, manchmal fluoreszierende und mit Linoleum ausgelegte Version der Todeslager herauf“; U. W.)

      Auch außerhalb der USA wurde der problematische Genozid-Bezug verwendet. So formulierte Simon Watney in seinem Klassiker „Policing Desire“ im Jahr 1989:

      „The British media cares

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