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Porcus das charakterlose Schwein. Otto W. Bringer
Читать онлайн.Название Porcus das charakterlose Schwein
Год выпуска 0
isbn 9783741861680
Автор произведения Otto W. Bringer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Annegret hatte alles nicht mitbekommen. Nicht einmal ahnen können, was in seinem Kopf vorging. Erzählt gelegentlich sie sei sehr glücklich mit ihrem Mann. Was Portandus von sich nicht sagen kann. Die Seinige weigert sich schon seit Monaten mit ihm zu schlafen. Schützte Schwangerschaft vor. Obwohl andere Frauen gerade dann ihre Libido spüren, den Beischlaf verlangen.
Durch Zufall fand er die neueste Ausgabe der Zeitschrift „Emma“ in der Schublade des Küchenschrankes. Alice Schwarzers Hauspostille. Blätterte und dachte, jetzt weiß ich warum. Mann ist der Feind der Frau. Unterdrücker per se. Frau müsste ihm den Penis abschneiden mit dem Küchenmesser. Schrieb Schwarzer tatsächlich in ihrem Aufsatz. In dem sie von einer Amerikanerin berichtete, die ihren Mann auf diese Weise entmachtete. Seine Maria das Opfer von Schwarzers Kampagne?
Annegret und Portandus gehen wieder auf die hell erleuchtete Wiese zu den anderen. Reden laut und lachen. Dass niemandem der Verdacht kommt, sie hätten was miteinander. Da aber kommt ihr Mann auf sie zu. Parvum Plumbum schnellen Schrittes, als müsste er noch rasch eine Nachricht loswerden. Zerrt Portandus beiseite, sieht ihn an, zischt: „Hüte dich, meine Frau anzufassen, an ihr rumzufummeln. Ich habe Zeugen.“ Portandus fällt aus allen Wolken, verdattert: „Was soll ich getan haben? Du spinnst.“
„Ein Nachbar hat euch beobachtet, mich sofort angerufen. Wir vertrauen einander, sprechen über alles, helfen uns gegenseitig. Du bist das größte Arschloch dieser Welt. Verschwinde und lass dich nicht mehr blicken.“ Das Gespräch ist kein Gespräch mehr unter Freunden. Sie trennen sich. Der Stachel sitzt tief. Bei beiden. Die alte Freundschaft scheint zerbrochen. Das Band einer gemeinsamen Vergangenheit zerrissen. Was könnte die wirkliche Ursache sein? Etwa Porcus das Schwein?
Sie können sich nicht vorstellen, wie es hätte passieren sollen. Niemand hat ihn gesehen, sonst hätte er es stante pede den anderen gesagt. Schließlich ist Porcus ein Schwein. Dumm und unverfroren. Kein so gerissener Scharlatan und Hochstapler wie Alessandro Cagliostro Ende des 18. Jahrhunderts. Portandus erinnert sich an das Buch, das er voller Spannung in einem Zug gelesen hatte.
Cagliostro reiste in alle europäischen Hauptstädte, Reiche, Adelige, Kirchenfürsten zu verunsichern. Drohte sie bloß zu stellen. Irgendwas hatte jeder am Stecken. Frauen empfänglich für okkulte Heilsversprechen. Kassierte jedes Mal ein Vermögen von Männern und Frauen. Als er in Rom Fuß fassen wollte, erwischte ihn die päpstliche Polizei. Um seinen Kopf zu retten schloss er vor dem Gerichtshof ein verräterisches Geschäft. Beschuldigte Freimaurer, sie hätten ihn ohne sein Wissen zu einem der zwölf Großmeister gemacht, die französische Revolution vorbereitet.
Die Kirche, ständig in Angst vor revolutionären Bestrebungen, wandelte die Todesstrafe 1791 in lebenslänglich um. Sie konnte diese Auskünfte gut mit Hilfe der Inquisition zur Verteidigung ihrer Unfehlbarkeit einsetzen. Cagliostro starb nach zwei Schlaganfällen. Begraben in der Kirche Sant Leo, Rom. Wo Porcus einst begraben wird, das wissen die Götter. Vielleicht im Magen von Schweinefressern. Schweine sind dumm und plump. Selber schuld, wenn sie gefressen werden. Porcus sei es gegönnt.
Nach etlichen Jahren bringt es ein Zufall ans Licht. Porcus der Übeltäter in Sachen Annegret und Portandus. Sie haben sich nicht mehr gesehen. Partys vermieden, Wichtigeres vorgeschoben oder unentschuldigt fern geblieben. Portandus inzwischen mit drei Töchtern gesegnet oder geschlagen. Wie man´s nimmt. Auch ParvumPlumbum und seine Annegret haben einen Sohn. Der soll einmal den Vater beerben. Privatbankier werden.
Der Nachbar hat seine alte Mutter im Haus einquartiert. Ihr die letzten Tage zu versüßen. Die aber weiß besseres zu tun, als nur am Fenster ihres Dachstübchens zu sitzen. Ein Glaserl Port vor sich, den neusten „Wiener Kurrier“, und nur ins Grüne zu gucken. Von wegen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, sagt sie sich. Und folgert: Wer sagt eigentlich, dass Gott ein Mann ist?
Die clevere Oma schaut hinaus, beobachtet, was sich in der Nachbarschaft ereignet. Vor allem in den Abendstunden und später. Wenn eine Party die Nacht zum Tage macht. Wie damals mit den Lateinern nach dem Einzug ins neue Haus. Die Wienerin ist ein ausgesprochener Nachtmensch. Und neugierig wie Frauen sind, sagt ihr Sohn, der es wissen will. Aber auch redelustig. Erzählt, was sie beobachtet den Kindern und allen, die es wissen oder auch nicht wissen wollen. So kam die Angelegenheit ans Tageslicht. Porcus also doch das Schwein. Vermutlich. Sehr vermutlich. Sehr vermutlich hoch zehn.
Oma sah einen Mann, etwa im Alter ihres Nachbarn, auf dem untersten Ast eines Kirschbaums sitzen. Die Szene im Garten beobachten. Sah, wie er den Kopf wendete von links nach rechts. Und wieder nach links. Als verfolge er jeden Schritt der Beteiligten. Besonders von Portandus und Annegret, der Frau ihres Sohnes. Er muss auch gesehen haben, als Portandus auf sie zuging, ihr ganz nahe stand und ihre Hand ergriff. Oma sah ihn zum Telefon greifen, hörte leise jemanden seinen Namen rufen: „Fritz“. Dann sprang er herunter vom Ast, als hätte er gesehen, was er wollte. Oma weiß nicht, dass Portandus, gewollt oder nicht gewollt, in der Schule sein größter Gegenspieler war. Fritz der Vorname Schweins.
Portandus, der erste, der ihn der Lüge überführte. Erzählte, dass er es war, der sie verpfiff, als sie mit den Mädchen schmusten. Portandus, als einziger der Klasse konsequent. Sprach nie mit ihm. Ignorierte ihn regelrecht. Als gäbe es dieses Schwein nicht. Dieses Schwein aber, das sie Porcus nannten, sann auf Rache. Sie sollte später kommen. Die Party bei ParvumPlumbum gerade recht. Wie aber sollte man ihn überführen? Wo sollte man ihn finden, beweisen, um ihn zu bestrafen? Mit was auch immer. Porcus bleibt das Rätsel, das er immer war. Nicht nur ein Schwein.
Ein gemeinsames Abendessen mit dem Nachbarn und seiner Mama bei ParvumPlumbum bringt Licht in diese dunkle Angelegenheit. Oma erzählt, mit einiger Verspätung, leider Gottseidank, von ihren Beobachtungen am Partyabend. „Ich habe einen Mann auf dem Ast des Kirschbaumes gesehen. Irgendjemand rief ihn Fritz. Er telefonierte mit einem dieser neumodischen Telefone, die man sinnigerweise Handy nennt. In der Hand, wo sonst? Dann sprang er vom Ast und lief davon. Er schien es eilig zu haben“.
ParvumPlumbum protestiert. „Gnädige Frau mit Ihren altersschwachen Augen können sie doch nichts mehr klar erkennen. Wie wollen Sie gesehen haben, ob es ein Mann oder ein Junge war, der telefonierte? Sie hören auch nicht mehr so gut wie früher, erzählte mir ihr Sohn. Wie können Sie seinen Namen verstanden haben? Sieht sich in die Enge getrieben und geht in die Offensive. Niemand darf erfahren, wer ihn anrief in dieser Nacht. Schon gar nicht ihn als Kumpel von Porcus entlarven. Eifersüchtig war er damals. Zum ersten Mal richtig eifersüchtig. Er hätte Portandus umbringen können. Annegret will es genau wissen.
Lässt sich die Geschichte noch einmal erzählen. Fragt und bekommt immer dieselben Antworten. Klar und bestimmt. „So beschränkt ist diese Dame nicht. Porcus ist das Schwein.“ Es klingt so definitiv, als hätte sie damals mit den anderen in derselben Klasse gesessen. Und Porcus Schweinereien miterlebt. ParvumPlumbum gibt sich geschlagen. Es dauert noch ein paar Tage, bis er zum Telefon greift, Portandus anzurufen und um Aussprache zu bitten.
Sie treffen sich am nächsten freien Samstag. Vor dem „Ürigen“ in der Düsseldorfer Altstadt. Sie könnten draußen sitzen. Der Straßenlärm lässt keine Lauscher zu. Ein neutraler Ort, meint Portandus. Er will ParvumPlumbum die Peinlichkeit ersparen, in seinem Haus auf Annegret zu treffen. Erinnert zu werden an das damalige Missverständnis.
„Es war Porcus, der dich verriet. Und ich Arschloch hörte auf ihn. Glaubte ihm mehr als dir. War damals mächtig eifersüchtig. Kannst du mir verzeihen? Bitte.“ „Erzähl doch mal, wie es war.“
Portandus erzählt ihm wie alles damals abgelaufen ist. „Was, Porcus auf einem Ast? Wie auf der Kö, als er uns beim Schmusen beobachtete und anschließend dem Klassenlehrer petzte. Lacht kurz auf, schweigt. Portandus erzählt weiter: Porcus, das Schwein wieder auf einem Ast, ja. Er scheint einer seltenen Rasse von Schweinen anzugehören, die auf Bäume klettern kann. Von einem Ast die Umwelt beobachten. Ob es was zu fressen gibt. Ha ha ha.“ Jetzt lacht Portandus über den eigenen Scherz, der eigentlich keiner ist und kriegt sich nicht mehr ein. Lacht noch lange.
ParvumPlumbum irritiert, schweigt. Für ihn war es damals