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Porcus das charakterlose Schwein. Otto W. Bringer
Читать онлайн.Название Porcus das charakterlose Schwein
Год выпуска 0
isbn 9783741861680
Автор произведения Otto W. Bringer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Stalingrad fiel. Auf allen Schlachtfeldern starben Millionen Soldaten. In Konzentrationslagern sieben Millionen Juden, Roma, Zindis, Kriegsgefangene. Weil das Gewissen in Wächtern offensichtlich ausgeschaltet war. Schlummerte, als es wach sein sollte. „Der Untertan“, Heinrich Manns berühmtes Buch charakterisiert diese deutsche Mentalität. Ob Kaiser oder Führer? Hauptsache einer befiehlt. Wir folgen. Letzter Grund für die großen Kriege des letzten Jahrhunderts.
Die Kindersoldaten bekamen eine Uniform in der Farbe der Luftwaffe, blaugrau. Bridgesähnliche Hose, Bluse mit Schulterklappen, Stiefel, Käppi und Stahlhelm. Zu sonntäglicher Heimfahrt oder Bummel auf der Kö eine Schirmmütze. Einen Tornister mit Kochgeschirr. Tabletten gegen ungewollte Versteifung des Gliedes. Sie nannten es „Hängolin“. Führers „Mein Kampf“. Fertig war der Flakhelfer. Ein fast perfekter Soldat.
Flak auf Deutsch Flugabwehrkanone. Sie sollten helfen, Granaten in die Rohre zu schieben. Die leeren Hülsen nach dem Schuss wieder in Bunkern zu lagern. Besser waren die dran, die am Messtisch arbeiteten. Oder am Horchgerät. Beide unentbehrlich, feindliche Flieger auszuspähen, ihren Standort zu bestimmen. Damit die Schüsse aus den vier Rohren der Batterie sie trafen. Wieviel blind in die Luft geballert wurden, hat niemand gezählt. Kanoniere machten ihrem Herzen Luft aus Pflichtgefühl gemischt mit Angst.
Geplant war täglicher Unterricht in der Stellung. Schule sollte nicht zu kurz kommen bei allem Militärischen. Ihr Klassenlehrer Dr. Battes kam zum Unterricht in die Baracke drei. Deutsch und Geschichte. Professor Wernke, ihnen den Logarithmus beizubringen. Pater Johannes Kleine-Natrop das Wort Gottes. Sie lernten und lernten und bereiteten sich aufs Notabitur vor. Aber der Stress des Alltags machte keinen Spaß.
Unteroffiziere ärgerten sie mit läppischen Befehlen. Leutnant Ypsilon durch seine arrogante Art. Ordnete an, ihn jederzeit zu grüßen. Stramm zu stehen, wenn er vorbei ging. Mit an die Schläfe gelegter Hand zu grüßen. Wehe, einer machte es zu lässig. Hatte die Hacken nicht knallen lassen beim Strammstehen. Zwanzig Kniebeugen waren die geringste Strafe. Draußen, ob es regnete oder die Sonne vom Himmel brannte wie Feuer.
Eines Tages waren sie es leid. Beschwerten sich bei Dr. Battes. Sie wussten, er war Hauptmann im ersten Weltkrieg. Der, auf Seiten seiner Schüler, kam am folgenden Morgen in voller Uniform. An seiner Brust prangte der Pour le Mérite, am Hals das Eiserne Kreuz erster Klasse. Und sonst noch, was sie nicht kannten.
Als der Leutnant, nichts ahnend die Baracke betrat, der Unterricht müsste beendet sein, sah er den Klassenlehrer Dr. Battes. Erschrocken riss er die Hacken zusammen, dass sie knallten. Hand an die Mütze: „Heil Hitler Herr Hauptmann!“ „Guten Morgen Herr Leutnant. Das reichte. Ab da benahm er sich freundlicher. Ständig die Furcht im Nacken, angepfiffen zu werden von seinem Vorgesetzten Generalleutnant Übler, wegen falsch verstandener Kameradschaft. Da kann man mal sehen, wozu Uniformen gut sind.
Zweimal feierten sie Weihnachten in einer Flak-Batterie. Das erste in Düsseldorf-Hamm, nahe der gefährdeten Eisenbahnbrücke über den Rhein. Ziel vieler Bombenangriffe. Das zweite in Düsseldorf-Kalkum, den zwischen Kaiserswerth und Lohausen liegenden Flughafen zu verteidigen. Ganz in der Nähe des Diakonissen-Mutterhauses. Ebenso nur ein Katzensprung zu Tante Mathilde und Onkel Willi. Vetter zweiten Grades von Portandus´ Mutter. Er war Aufpasser eines Gaskessels. Die Tante verwöhnte Portandus mit Aprikosenkuchen.
Weihnachten 1943 in Kappeshamm, so nannten sie den ländlichen Vorort. Das Zentrum des Kohlanbaus. Major Oebel ordnete an, eine Zehnmetertanne aufzustellen. Er besaß in seinem Zivilleben eine Brotfabrik in Köln. Gut katholisch, nahe liegend. Als es langsam dunkelte, war die ganze Batterie angetreten, rund um die Tanne. Die mit vielen elektrischen Kerzen illuminiert in den schwarzen Himmel strahlte. Allen Verdunkelungsvorschriften zum Trotz.
Generalleutnant Uebler, der ranghöchste in dieser Runde hob an: „Hohe Nacht der klaren Sterne.“ Neumodisches Weihnachtslied der nationalsozialistischen Jugendbewegung. Kaum einer sang mit. Sie kannten das Lied von ihren nächtlichen Fahrten, aber die Texte nicht bis zur letzten Strophe.
In die relative Stille nach der letzten Strophe tönte die markige Stimme des Brotbäckers Major Oebel: „Stille Nacht, Heilige Nacht.“ Uebler verstummte, verkrümelte sich. Junge und ältere Soldaten aber sangen aus voller Brust das schönste Lied der Christenheit. Vom kräftigen Bariton des Brotbäckers Oebel angeführt.
„Da wird einem öbel und übler“ frotzelten sie nicht lange danach. Erzählten es immer wieder, wenn sie sich trafen, Jahre später und Jahrzehnte noch.
In der Kommandatur ihrer Stellung waren auch Mädels beschäftigt. Luftwaffenhelferinnen genannt. In eine besonders hübsche verguckte sich Portandus, Helene Schuwerak. Lenchen genannt. Kein Problem miteinander ins Gespräch zu kommen. Bereits am dritten freien Samstag gingen sie ins Apollotheater. „Quax der Bruchpilot“ mit Heinz Rühmann gucken. Es gab einiges zu lachen, anderes zu fürchten. Ende gut, alles gut.
Zum ersten Mal mit einer Frau allein. Sein siebzehnjähriges Herz aufgeregt. In seinem Kopf die kühnsten Fantasien. Seine Hand auf ihrem Knie nicht abgewehrt. Portandus machte sich Hoffnung. Nicht vergebens, wie es den Anschein hatte. „Du kannst bei mir übernachten, wenn du willst“. Sie wohnte in Düsseldorf, vom Apollo zweimal um die Ecke.
Natürlich wollte er. Sagte nicht „aber gern“, sondern „wenn du ein Bett für mich hast.“ Sie hatte. Es war eine Couch. Sie legte ein frisches Nesseltuch darauf, holte eine flauschige Wolldecke, ein Sofakissen für den Kopf. Und verschwand ins Bad. In seinem Kopf schlugen die Gedanken Purzelbaum. Sah sie schon im hauchdünnen Nachthemd an seinem Bett stehen. Vielversprechendes Lächeln im schönen Gesicht. Sich herunter neigen, seine Lippen küssen. Hörte den Himmel voller Geigen.
Sie kam. In einen dicken Bademantel gehüllt. Kein blankes Knie, kein Busenansatz zu sehen. Setzte sich auf die Kante der Couch, nahm mit sicherem Griff seine Hände, legte ihre Innenflächen zusammen: „Jetzt wird gebetet: Jesukindchen klein, mach mein Herzchen rein. Soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“
Er schlief unruhig. Wälzte sich dauernd hin und her. Sein Kopf das reinste Martyrium. Hätte ich sie doch einfach an mich gerissen, geküsst. Und so weiter und so weiter. „Hast du gut geschlafen?“ Zum Frühstück gab es weich gekochtes Ei. Toast mit Erdbeermarmelade. Eine große Tasse Schokolade für ihn. Sie, drei Jahre älter als er, trank Gerstenkaffee, genannt Muckefuck. Sonderration für die Woche. Wenn er sich später an diesen ersten Versuch erinnerte, als fast Volljähriger eine Frau zu besitzen, musste er schmunzeln. Lachte hellauf, so einfältig kann nur ein Katholik sein. Zu nichts anderem fähig als beten. Dabei den großen Verführer im Kopf, die unreifen Gedanken eines Spätpubertierers.
Wo aber war Porcus geblieben die lange Zeit? Nicht dabei, als es zur Flak ging. Auch nicht beim nachgeholten Abi, Februar 1946. Irgendwie fehlte er ihnen. Mensch braucht einen, den er hassen kann. Man munkelte, er habe sich krankschreiben lassen im Krieg. Seine Leber sei geschädigt. Nachsichtige vermuten, dass ihm mehr als eine Laus über dieselbe gelaufen ist. Grund für sein menschenfeindliches Verhalten. Porcus wurde vom aktiven Wehrdienst befreit.
Wo also steckt er jetzt. Die Lateiner hockten zusammen beim vierten Treffen nach Friedensschluss. Alle bereits vor dem Abschlussexamen. Avis dem Dr. der Orthopädie. ParvumPlumbum als Dipl. Betriebswirt. Portandus als Dipl. Architekt und Dr. der Kunstgeschichte. Molerus hatte bereits den Brennstoffgroßhandel seines Vaters übernommen. Wie gesagt, sie hockten bei Altbier und Röggelchen. Machten sich heftige Gedanken. Über einen, der zu ihrem Leben gehörte. Auch wenn sie ihn für das Arschloch in der dritten Potenz hielten.
ParvumPlumbum meinte, er hätte ihn gesehen, wie er in die Untergrundbahn stieg. Dann aber aus den Augen verloren. Avis vermutete ihn in der DDR. Agricola konnte keine Meinung haben. Er war in den letzten Kriegstagen gefallen. Als sie dies hörten, schwiegen sie belämmert und sehr traurig. Der Mensch Karl Otto Bauer war allen sympatisch. Nicht nur, weil er sie mit dem Jazz