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      Wolfgang Kirchner

      Wenn alles in Scherben fällt

      Vom Überleben in schlechten Zeiten

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Widmung

       Erweitertes Impressum

       1.

       2.

       3.

       4.

       5.

       6.

       7.

       8.

       9.

       10.

       11.

       12.

       13.

       14.

       15.

       16.

       17.

       18.

       19.

       20.

       21.

       Wolfgang Kirchner

       Impressum neobooks

      Widmung

      Für meinem Bruder Detlef

      Erweitertes Impressum

      Dies ist die Neufassung eines Buches, das unter dem Titel „Wir durften nichts davon wissen“ bei Rowohlt in der Reihe „Rotfuchs“ (Auflage: 55.000) erschien.

      © Wolfgang Kirchner 2015

      Wolfgang Kirchner

      Bayerische Str. 8

      10707 Berlin

      [email protected]

      Coverillustration:

      Philipp Süchting

      [email protected]

      Dank an Klaus Ratje!

      1.

      „Palmsonntag, den 25. März…“

      Mama sitzt im Luftschutzkeller am Tisch und schreibt Tagebuch. Eine Stalllaterne wirft flackerndes Licht auf den dicken Kalender, in den sie mit winziger, krakeliger Schrift Eintragungen macht. Ab und zu spitzt sie den Bleistift, damit die Buchstaben dünn bleiben und so viel wie möglich auf eine Seite geht. Denn es gibt viel zu erzählen.

      „Freitag hat sich die Waffen-SS in unserem Haus einquartiert“, schreibt meine Mutter. „Sie sind mit zwei Raupenfahrzeugen gekommen, die haben sie in unseren Garten gefahren und dabei den Mirabellenbaum beschädigt. Die Fahrzeuge wurden bis zu den Ketten eingegraben und mit Tarnnetzen bespannt. In unserer Küche haben sie eine Funkstation eingerichtet. Klara muss jetzt auf dem Ofen in der Waschküche das Essen für uns alle kochen. Klara ist wütend auf die SS. Bei jedem Fliegerangriff kommen sie zu uns herunter.“

      Ich sitze neben Mama und schaue ihr beim Schreiben zu. „Leg dich auf die Matratze unterm Tisch“, sagt sie. Später, als sie müde wird, muss ich ein wenig rücken, und sie legt sich neben mich. Wir hören das Poltern der Soldatenstiefel über uns, die fernen Abschüsse und nahen Einschläge der Granaten. Wenn es besonders laut kracht, schrecken meine jüngeren Geschwister aus dem Schlaf hoch, und aus der dunklen Ecke nahe dem Notausgang höre ich Großvater stöhnen. Der fünfzehnjährige Achim, mein ältester Bruder, liegt neben der Tür zur Waschküche und liest im Schein einer Kerze ein Buch. Wenn die Kleinen aufschrecken und sich gleich darauf schlaftrunken wieder fallen lassen, deckt er sie behutsam zu. Er lauscht auf den Artillerielärm, und sein Kopf geht mit, als folge er der Geschossbahn.

      „Die Russen stehen auf den Danziger Höhen und schießen in die Stadt hinein – über uns hinweg!“ sagt er beruhigend.

      Wir wohnen in einem Vorort von Danzig, der Langfuhr heißt, auf der ‚besseren’, der Villenseite von Langfuhr, am Rand des Jäschkentaler Waldes. Hier stehen viele prunkvolle Häuser, umgeben von großen Gärten. Unsere Villa ist ein Haus mit vielen Erkern, Türmchen mit Steinkugeln obendrauf, mit Balkons und Terrassen. Jetzt sind die meisten Fenster ohne Glas, und die Jalousien hängen schief herab: Der Luftdruck einer Bombe, die im Haus nebenan eingeschlagen ist, hat die Scheiben zum Platzen gebracht. Seit diesem Tag stehen die elf Zimmer unseres Hauses leer; seitdem trauen wir uns nicht mehr aus dem Luftschutzkeller.

      Ehe ich einschlafe, schaue ich mich im halbdunklen Keller um. Diti, mein zweitältester Bruder, ist wieder mal nicht da. Papa hat uns verboten, nachts und besonders bei Artilleriebeschuss hinauszugehen. Aber der dreizehnjährige Diti lässt sich nichts mehr verbieten. Wahrscheinlich sitzt er auf der Treppe, die von der Waschküche in den Garten führt, und raucht heimlich eine Zigarette. Ich bewundere ihn, weil er so mutig ist. Ich bin zehn Jahre alt und der Ängstlichste von allen, gelte als das ‚Muttersöhnchen’.

      Im Halbschlaf höre ich Ditis Stimme: „Ich weiß, was die Raupen geladen haben…“

      Ich wache auf. Diti beugt sich über unsere Mutter und flüstert, damit Vater nicht aufwacht: „In der einen Raupe sind Maschinengewehre, funkelnagelneu, in Holzkisten, und Munition…“

      „Deswegen weckst du mich?“ fragt Mama.

      “Und in der anderen Raupe sind Brote! Nichts wie Brote! Eckige, schwarze Soldatenbrote, hart wie Ziegelsteine.“

      “Kommissbrote?“ Meine Mutter fährt hoch. Vorsichtig kriecht sie unter dem Tisch hervor,

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