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»Es ist Lea, die Tochter deines Bekannten, den du heute auf dem Tempelplatz getroffen hast.«

      Vielleicht wäre es gut, wenn sein Sohn sich eine Frau nähme, dachte Terach. Es könnte sein, dass er dann ein wenig ruhiger und verantwortungsvoller wird und nicht mehr so viel mit seinen Kumpeln in der Stadt herumstreicht.

      Ein wenig fühlte sich Terach beschämt, weil er sich nicht selber schon für seine Söhne nach Frauen umgesehen hatte, wie das viele andere Väter üblicherweise taten. Doch er meinte, sie wären alt genug, um sich eine Frau zu suchen, wenn sie die Zeit dazu für gekommen hielten.

      »Gut, ich werde mit Leas Vater verhandeln«, sagte er. »Wenn er bereit ist, sie dir zu geben, so soll es sein.«

      Haran fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Das hatte er, seit er ein Kind war, nie mehr getan.

      Ein paar Tage später war Terach ausgegangen, ohne jemandem zu sagen, wohin. Er blieb länger weg als gewöhnlich, wenn er eine Götterstatue einem Kunden brachte. Als er endlich zurückkehrte, teilte er seinem Sohn mit, er sei bei Sanherib gewesen. Der erwarte, dass er am nächsten Tag noch einmal mit seinem Sohn vorbeikomme, damit man auch ihn kennen lerne und man, wenn er, Sanherib, ihn für würdig befinde und Lea auch einverstanden sei, einen Ehevertrag aushandeln könne.

      Haran ging am Nachmittag des nächsten Tages mit seinem Vater zu Sanheribs Haus. Das Klopfen seines Herzens war fast so laut wie Terachs Klopfen an der Tür.

      Ein Diener öffnete, bat die beiden Männer mit einer untertänigen Handbewegung herein und führte sie in den Wohnraum, wo Leas Eltern auf sie warteten.

      »Du möchtest also meine Tochter Lea zur Frau nehmen«, begann Sanherib, nachdem sie sich ausgiebig begrüßt und sich dann in einer Ecke auf den Boden gesetzt hatten. »Ich kenne deinen Vater als einen ehrbaren Mann. Er hat mir gesagt, dass du in seiner Werkstatt arbeitest und in der Lage bist, eine Frau zu ernähren.«

      »Ich kann dir, ehrenwerter Sanherib, versprechen, deiner Tochter Lea ein guter Ehemann zu sein. Ich werde sie lieben und beschützen.«

      »Nach dem Besuch deines Vaters hat auch Lea mir versichert, dass sie deine Frau werden möchte.« Und zu seiner Frau sagte er, sie möchte jetzt Lea hereinholen, damit Haran und Lea ihr Eheversprechen vor beiden Vätern bestätigen sollten.

      Lea trat mit gesenktem Blick vor ihren und Harans Vater, die sich beide, wie auch Haran, erhoben hatten. Heimlich warf sie Haran mit einem zwinkernden Auge einen Blick zu, ohne den Kopf zu heben.

      Nachdem sie bekräftigt hatten, einander zu lieben und treu zu sein und Lea wieder in ihr Zimmer geschickt worden war, setzten sich die Männer wieder, und die beiden Väter begannen über die Mitgift zu verhandeln, während Leas Mutter hinausging, um Früchte zu holen, die sie in einer Schale neben den Männern auf den Boden stellte. Dann zog auch sie sich zurück.

      Alles, was die beiden Väter vereinbart und mit einem Handschlag bekräftigt hatten, sollte bald bei einem Notar in einen Ehevertrag gefasst und beurkundet werden.

      Nun griffen die drei Männer zu den Früchten. Eine Weile redeten sie noch miteinander und Haran beantwortete höflich die Fragen seines zukünftigen Schwiegervaters.

      Terach und Sanherib trafen sich einige Tage später im Haus des Notars. Der stellte eine Statuette des Gottes Nanna, die Terach als sein Werk wiedererkannte, zwischen die beiden Männer, nahm dann von einem Gestell eine Tafel getrockneten Lehms und ritzte mit einem Griffel darin ein, was Sanherib und Terach ihm diktierten:

      »Sanherib, Sohn des Naob, gibt dem Haran, Sohn des Terach, seine Tochter Lea zur Frau und verpflichtet sich, ihr als Mitgift zu geben: 300 Ringe aus reinem Silber, 400 Silberplättchen, 5 Kissen, 3 wollene Decken, 6 Oberkleider, 4 tönerne Krüge, 6 tönerne Teller, 2 goldene Armspangen, eine goldene Halskette. Sollte Haran seine Frau Lea verstoßen, so ist er verpflichtet, ihr diese Mitgift vollständig zurückzugeben oder, was nicht mehr vorhanden ist, zu ersetzen. So vereinbart und beschworen im Angesicht des Gottes Nanna und beurkundet zu Ur im neunten Jahr des glorreichen Sieges des Königs Rim-Sin über die Stadt Isin.«

      Als dies alles aufgeschrieben war, gab der Notar dem Sanherib den Griffel in die Hand, damit er sein Zeichen unter den Vertrag einritze. Dasselbe tat nach ihm auch Terach.

      Zum Schluss drückte der Notar sein Siegel in den Lehm.

      Sanherib und Terach zahlten jeder dem Notar für seine Arbeit zehn Silberringe.

      Sobald die Lehmtafel gebrannt sein würde, könnte Sanherib sie abholen, um sie dann Lea in ihre Ehe mitzugeben. Es war das Inventar ihres eigenen Besitzes, den die beiden Väter vereinbart hatten und den sie bei einer allfälligen Trennung von Haran würde zurückfordern können oder den im Fall ihres Todes nach Brauch und ungeschriebenem Gesetz ihre älteste Tochter erben würde.

      Im Haus des Terach wurde dem jungen Paar eine Kammer im oberen Stockwerk über den Wohn- und Schlafgemächern der Eltern und Brüder eingerichtet.

      Es gab kein großes Fest, als Lea in Terachs Haus zog mit ihrer Habe. Nur bei den adeligen oder sehr wohlhabenden Bewohnern der Stadt war es Brauch, eine Eheschließung öffentlich zu feiern.

      Leas Eltern und Geschwister hatten sie in ihr neues Heim begleitet. Im Wohnraum im hinteren Teil des Erdgeschosses setzten sich alle auf die Kissen, die auf dem festgepressten Boden ausgebreitet waren. Sia hatte in verschiedenen Schüsseln herrlich duftende Speisen in ihre Mitte gestellt. Alle griffen herzhaft zu. An diesem Tag wurde ausnahmsweise anstelle von Bier und Wasser aus tönernen Krügen Wein ausgeschenkt. Man plauderte und lachte, und als Sanherib mit den Seinen aufbrach, mussten sie ihn in ihre Mitte nehmen und ihn stützen. Der Wein hatte seinen Kopf benebelt und die Beine schwach gemacht.

      Haran und Lea gingen in ihre Kammer, liebten sich und wurden glücklich.

      Abram will mehr wissen

      Abram sann noch lange über die Sonnenfinsternis nach. Er war beeindruckt. Doch anders als viele der Einwohner des Landes hatte er keine Angst. Für ihn war es ein Naturereignis, wie Haran es erklärt hatte. Sonne und Mond waren sich begegnet. Sie waren nicht zusammengestoßen. Der Mond hatte sich nur vor die Sonne geschoben. Er musste also näher bei der Erde sein als die Sonne.

      Wovor hätte er Angst haben sollen? Sonne und Mond waren Gestirne wie all die Sterne. Es waren keine Götter, die den Menschen Glück oder Unglück bringen konnten. Und es waren nicht die Götter in den Tempeln, die die Bahnen der Gestirne lenken konnten. Nicht weil der Mondgott und der Sonnengott sich gestritten hatten, war es zu diesem Ereignis gekommen. Ja, wenn es so wäre, dann wären vielleicht Sonne und Mond zusammengestoßen. Ein Glück, dass die Götter nicht allmächtig waren!

      Abram dachte darüber nach, warum die Priester während der Zeremonie ihr Gesicht und ihre Hände nicht zur Sonne, sondern zum Hochtempel und zur Statue des Gottes Nanna im heiligen Raum gewandt hatten. Und er zog daraus den Schluss, dass die Priester die lebendige Kraft des Gottes Nanna, des Mondgottes, in der Statue sahen und nicht im Mond. Also halten sie nicht den Mond selbst für einen Gott, sondern die Statue ist der Gott, der Gott, der den Mond auf seiner Bahn lenkt. Doch wie sollte eine hölzerne, von Gold überzogene Statue eine solche Kraft haben? Weder sie selbst noch ihr Wille, wenn sie überhaupt einen hätte, könnte so etwas tun.

      Nein, musste es nicht einen einzigen, allmächtigen Gott geben, der alles erschaffen hat, den Himmel und die Unterwelt, der den Mond, die Sonne und die Sterne lenkt? Der auch die Erde erschaffen hat und alles, was darauf lebt, die Menschen und die Tiere, die Pflanzen, den Sand und die Steine, das Meer und die Flüsse?

      Was waren das auf einmal für Fragen?

      Abram erschrak, denn das, was er da dachte, war etwas ganz anderes, als was er bisher gehört und als Kind auch geglaubt hatte. Aber es war ein glückhaftes Erschrecken, so wie eine Ahnung oder gar eine neue Einsicht einen Menschen wandeln kann und diese Wandlung in einem Furcht auslöst, weil man nicht weiß, wie sie unsere Zukunft beeinflusst, einem aber zugleich auch ein Gefühl von Freiheit zu einem Neuanfang in einem besseren, bewussteren Leben gibt.

      Woher

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