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spürte, wie sie Mitleid mit dem Mann bekam. Viele hielten sie für lächerlich jung und unerfahren, verstoßen und ausgesondert, ein hässliches Geschöpf, um das zu kümmern sich nicht lohnte. Aber in ihr steckte so etwas wie eine tiefe Lebensweisheit. Ich kann es mir nicht erklären, aber er tut mir einfach nur leid ...

      Inès war zu einem fast auseinanderfallenden kleinen Kleiderschrank gegangen und holte eine ›Chat-a-neufs-queues[2] heraus. Sie wusste, dass sie diese, bei ihrem reichen Kunden, nicht übermäßig stark einsetzen musste. Er mochte es nicht, blutig geschlagen zu werden, wie das bei vielen ihrer anderen Kunden der Fall war. Sie wollte ihn so schnell wie möglich wieder loswerden, um das verdiente Geld in Alkohol anlegen zu können.

      Als er hörte wie sie das Schlaginstrument durch die Luft schwang und sich das eindeutige Geräusch im heruntergekommenen Zimmer verbreitete, erschauerte er vor Erregung.

      »Los, aufs Bett mit dir und streck' deinen Arsch richtig raus!«, befahl Inès herrisch. »Ich glaube, ich muss dir mal wieder zeigen, wie der Hase hier läuft!« Sie wedelte mit der Spitze der Gerte, die sie in der linken Hand behalten hatte, in die Richtung der Schlafstätte und tippte mit einer Stiefelspitze ungeduldig auf den unsauberen Zimmerboden.

      Er legte sich auf das nicht gemachte Bett und blendete aus, was vor ihm hier passiert sein mochte. Sein Wunsch nach Erlösung ließ ihn das ignorieren.

      »Das ging aber schon mal bedeutend schneller, du Hund …!« Mit einem gezielten Schlag der ›Chat-a-neufs-queues‹ auf seinen nackten Hintern, trieb Inès ihn an, worauf er sich mit einem ersten lauten Stöhnen bei ihr bedankte.

      Ich brauche das heute einfach ..., dachte er bei sich, als er den scharfen Knall des Schlages hörte und das Brennen auf seiner Haut spürte.

      Amélie blickte durchs Fenster nach draußen, aber sie nahm nicht wirklich wahr, was sich ihr draußen zeigte. Der Mann ist nicht die dominierende Gestalt, nicht die Persönlichkeit, für die er sich ausgibt, stellte sie still fest. Im Grunde genommen ist der Mann nur ein Sklave seiner Gefühle. Er ist nun mal so geschaffen und muss sich diesem Zwang unterwerfen. Er kann sich nicht dagegen auflehnen. Frauen stehen hoch über ihm, weil sie seine Gefühle steuern können und nicht so wild und verbissen darum kämpfen müssen wie er. Dieser Mann muss immer wieder diese Bestätigung fühlen, egal wie und mit welchen Mitteln. Wenn es auf die normale Weise nicht mehr geht, muss er einen anderen Weg einschlagen. Eine Frau muss das sicher niemals tun. Als der Knall erfolgte, zuckte sie kurz zusammen und warf einen Blick über ihre Schulter.

      Immer wieder heizte Inès ihm verbal ein und schlug mit der ›Chat-a-neufs-queues‹ zu. Inzwischen zierten rote, glühende Striemen die Haut seines Hinterns, die sich aber schnell wieder zurückbilden würden.

      Sein gequältes Stöhnen erfüllte den Raum. Es wurde intensiver, lauter und zog sich mehr und mehr in die Länge.

      Mit einem letzten, harten Schlag trieb ihn Inès über die Grenze seiner Lust, was er mit einem animalischen Aufschrei quittierte.

      Augenblicklich sackte er auf dem Bett in sich zusammen. Er fühlte sich erleichtert und irgendwie von einer schweren Last befreit.

      Reglos hatte Amélie ihnen zugewandt dagestanden. Er tut mir leid, ging es ihr durch den Kopf. Eigentlich müsste ich wirklich Mitleid mit ihm haben. Er kommt, weil er das braucht und Inès spielt ihm alles nur vor. Sie interessiert sich nur für sein Geld, ansonsten ist er ihr völlig gleichgültig. Und ihm bleibt kein anderer Weg … Das muss bestimmt schrecklich für ihn sein, so seinen Zwängen unterworfen zu sein. In diesem Moment kamen Zweifel in ihr auf, ob sie solch ein Leben als Prostituierte und Kunden wie ihn wirklich wollte.

      Sie fühlte sich unwohl und peinlich berührt, als sie den reichen Mann so auf dem Bett liegen sah.

      *

      Eine Viertelstunde später stand Pierre wieder angezogen vor ihnen. Kühl und gelassen zückte er seine Brieftasche. Er reichte Inès einige Scheine und drückte auch Amélie einen in die Hand.

      »Ist das wirklich für mich?« Fassungslos starrte sie die orangefarbene Banknote an. Nie zuvor hatte sie einen Fünfzig-Euro-Schein besessen, geschweige denn in der Hand gehalten.

      »Klar!«, lachte Inès.

      »Dann bis zum nächsten Mal«, lächelte Pierre zufrieden und ließ sich von Inès zur Tür bringen.

      Noch immer starrte Amélie den Geldschein an.

      »Pierre ist mein nobelster Kunde«, meinte Inès, die neben sie getreten war.

      »Aber ich habe doch gar nichts getan«, murmelte Amélie leise.

      »Ich weiß auch nicht, warum er das so wollte.« Inès zuckte die Schultern. »Er hat einfach seine Macken. Die muss man nicht verstehen.«

      »Sind die denn alle so?« Amélie schaute sie mit großen Augen an.

      »Nein, die sind alle verschieden und doch irgendwie auch wieder gleich gestrickt«, erwiderte Inès lächelnd. »Einige wollen mir einfach nur auf meine bestrumpften Füße oder die Stiefel spritzen, andere soll ich mit einem Dildo in den Arsch ficken, damit sie zum Höhepunkt kommen.« Sie lachte kurz auf. »Ich hab' sogar einen, der kann nur, wenn er Damenwäsche trägt und man ihn wie ein Mädchen behandelt … Die meisten wollen angeschrien und beschimpft werden. Und natürlich die Peitsche spüren.«

      »Aber warum?«, fragte Amélie erschrocken. »Ich würde mich wehren, wenn mich jemand auspeitschen wollte, wirklich.«

      »Tja, ›Ma Petit‹, das ist so eine Sache. Die brauchen das einfach«, erwiderte Inès lapidar.

      »Hast du nie weiter darüber nachgedacht?«, hakte sie nach.

      »Nein, wozu auch?«

      Amélie stand auf. »Ich muss jetzt gehen.«

      »Willst du es denn immer noch machen? Ich meine nachdem …« Inès verschluckte den Rest und deutete stattdessen aufs Bett, leicht ihre Gerte schwingend.

      »Ich muss mir über Vieles klar werden, denke ich«, entgegnete Amélie ausweichend.

      Inès, die ihre Gerte und ›Chat-a-neufs-queues‹ beiseite gelegt hatte, kam wieder näher. »Ich mache dir einen Vorschlag, ›Ma Petit‹ ... Wenn du dich wirklich dazu entschließen solltest, … nun, dann würde ich dich anlernen.« Sie trat einen Schritt zurück und schaute an ihr herab. »Machen wir uns nichts vor. Für die normale Tour kannst du dich ja nicht anbieten, dafür bist du einfach nicht hübsch genug. »Aber für meine Kundschaft bist du genau richtig. Wenn wir das richtig aufziehen, dann kannst du damit dein Geld machen. Versprochen!« Sie machte es ihr so schmackhaft, wie sie konnte und ließ Amélie nicht ahnen, dass es auf Ausbeutung hinauslaufen würde. »Na, was meinst du zu meinem Vorschlag?«

      »Ich werde jetzt erst mal gehen.«

      Inès lächelte vielsagend. »Du weißt ja, wo du mich findest, und wenn du es dir überlegt hast, dann komm' halt zu mir.«

      »Ja.«

      ***

      

Kapitel 3

      Als Amélie wieder auf der Straße stand, atmete sie erst einmal richtig tief durch. In ihrer Rocktasche steckte sicher verwahrt die fette Banknote. Nie zuvor hatte sie soviel Geld besessen. Fünfzig Euro, dachte sie und lächelte still vergnügt in sich hinein. Was ich mir davon alles kaufen kann.

      Ein paar halbstarke Jungen strichen an ihr vorbei und holten sie in die Wirklichkeit zurück. »Seht mal, da ist die bescheuerte ›Souriceau‹!«

      Komisch, ich habe gar keine Angst mehr vor ihnen, ging es ihr durch den Kopf, während sie es sogar wagte, die Burschen anzuschauen. Nein, wirklich, ich fühle mich befreit. Jetzt weiß ich ja alles! Ich kenne den Schlüssel zu euren Geheimnissen. Ihr könnt mir nichts mehr vormachen! Nichts! »Warum lasst ihr

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