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wünschen, Monsieur«, verbeugte er sich und ließ sie wieder allein.

      Pierre nahm das Besteck und legte ihr etwas auf ihren Teller.

      In Amélies Augen leuchtete es auf. »So etwas Feines habe ich noch nie bekommen.«

      »Wenn du magst, dann kannst du das jeden Tag haben!«, schmunzelte ihr Gastgeber.

      Amélie lächelte ihn an und wieder war da dieses hübsche Lächeln auf ihrem Gesicht, das sie viel zu selten zeigte. »Wollen Sie mich jetzt jeden Tag hierher einladen?«

      »Nein, ganz sicher nicht«, lachte er.

      »Habe ich doch gewusst.« Der helle Schein in ihren Augen erlosch.

      »Nun iss dich erst einmal satt, und erst dann erzähle ich dir alles«, forderte er sie mit sanfter Stimme auf.

      Amélie bemühte sich, manierlich zu essen. Zu Hause hatte man ihr dergleichen nie beigebracht. Aber Miss Dupont, ihre Nachbarin, besaß einen Fernsehapparat und dort schaute sie oft zu. Dort hatte sie auch gesehen, wie vornehme Leute essen und wusste, dass die ihr Essen nicht wie Wilde herunterschlangen. Sie ließ es sich munden und bemerkte nicht, wie er sie die ganze Zeit über lächelnd beobachte.

      Er studierte sie genau und er schien zufrieden mit dem, was er sah. Ein Juwel unter einer rauen Schale, dachte er bei sich. Ich habe es gewusst. Mein Instinkt hat mich nicht betrogen. Aber noch weiß ich nicht, was genau es ist … was an ihr mich so anzieht. Sie hat etwas Wissendes an sich, so als könne ihr so leicht niemand etwas vormachen. Und dann dieses kurze aufblitzende Lächeln. Sie sollte wirklich mehr lächeln. Es steht ihr ausgezeichnet ... Geschickt fragte er sie während des Essens aus.

      Es fiel Amélie nicht auf, dass sie ihm binnen einer Viertelstunde ihre ganze Lebensgeschichte erzählte.

      Pierre war mit dem Gehörten zufrieden. Erst als sie ihm stolz erzählte, dass sie jetzt bei Inès in die Lehre gehen würde, runzelte er die Stirn. »Nun, da scheine ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen zu sein«, stellte er fast schon düster fest.

      »Warum?«

      »Nun, Amélie, das möchte ich dir ja jetzt alles erzählen.« Er schaute sie an und blickte dann auf ihren Teller. »Bist du satt geworden?«

      »Ja, ich kann ich nicht mehr«, dabei strich sie über ihren Bauch. »Schade, es ist noch so viel da.«

      »Du hast wohl oft Hunger?«

      »Ja«, gestand sie mit gesenkten Lidern.

      »Wenn du auf meinen Vorschlag eingehst und tust, was ich dir sage, wirst du nie wieder Hunger haben«, lockte er sie.

      »Nein?«

      »Du kannst dich darauf verlassen.«

      »Kann ich noch etwas zu trinken haben?«

      »Später!« Er schaute sie ernst an. »Erst einmal möchte ich mir dir reden. Nicht, dass es am Ende heißt, ich hätte dich betrunken gemacht und du hättest von nichts auch nur die geringste Ahnung gehabt.«

      Jetzt wird er mich wohl verführen, dachte sie und atmete tief durch. Jetzt wird es soweit sein. Ob ich anfangen muss? Soll ich mich gleich ausziehen? Nach dem guten Essen bekomme ich bestimmt kein Geld mehr von ihm. Das ist schon so viel wert gewesen, mehr kann ich bestimmt nicht verlangen.

      »Du wirst auf keinen Fall mehr zu Inès gehen, hörst du, Amélie!?«, ermahnte er sie.

      »Aber ich will doch Geld verdienen!«

      »Verrätst du mir, was du mit dem Geld anfangen willst?«

      »Was ich damit anfangen will? Das kann ich dir wohl sagen. Als aller erstes möchte ich mir etwas zum Anziehen kaufen. Kleider und dergleichen, was man halt so braucht. Und natürlich Schuhe, schicke, herrliche Schuhe!« Mit einem Lächeln auf den Lippen träumte sie von einer strahlenden Zukunft.

      »War das schon alles?«, hakte er schmunzelnd nach.

      »Nein, ... wenn ich dann richtig gut Geld verdiene und etwas zurücklegen kann, dann möchte ich mir eine eigene Wohnung nehmen. Für mich ganz allein, das ist mein Traum. Mit einem Badezimmer, einer extra Küche und einem herrlich großen, weichen Bett. Da werde ich dann leben und glücklich sein. Und ganz sicher darf mich niemand von der Straße dort besuchen. Ich möchte so gern eine Dame sein.« Etwas verlegen über ihre, für ihn vielleicht so alberne Wünsche, stieg ihr die Röte in die Wangen.

      »Das muss dir nicht peinlich sein«, bemerkte er sanft.

      »Wissen Sie, da auf der Straße, da haben wir eine Edeldirne, die ist eine echte Dame. Also, die hat richtig schicke Klamotten und reich … reich ist sie auch. Sie kann sich alles leisten und Manieren, die hat sie auch. So wie Lena möchte ich einmal werden. Nicht wie Inès. Bei der will ich ja bloß lernen, mehr nicht. Wenn ich alles weiß, dann hau' ich ab. Ja, das habe ich vor.«

      »Und wie hat dich Inès dazu gebracht, bei ihr in die Lehre gehen zu wollen?«

      »Sie hat mir gesagt, für den normalen Strich sei ich zu hässlich. Aber die anderen Kerle, na ja, wie Sie einer sind, Pierre … Also, die brauchen ja auch die Frauen, und das verstehe ich gut. Wie sehr ihr die Frauen braucht, das habe ich heute kapiert. Und dann werde ich für Männer wie Sie da sein. Ich werde sie für eine bestimmte Zeit glücklich machen und sie werden mit mir zufrieden sein. Inès sagt, die komischen Typen, die sehen die Nutten gar nicht richtig an, die denken nur an das andere, und da könne man ruhig hässlich sein.«

      »Na ja, ganz so stimmt das dann aber auch nicht«, erwiderte er mit einem Lächeln.

      »Ich werde das machen«, beteuerte sie.

      Sie biss sich leicht auf die Unterlippe, und in diesem Augenblick wirkte sie auf ihn richtig rührend, wie sie so vor ihm saß – so schmal und unheimlich zerbrechlich, mit ihren dünnen Schultern, dem spitzen Gesicht und strähnigem Haar. Willst du das wirklich?, fragte er sich. Ist es nicht ein wenig verrückt und naiv? Es gibt doch schon so viele von dieser Sorte hier in der Gegend. Warum ausgerechnet du, du kleines, verdrecktes Ding? Aber sie hatte ihm auf Anhieb gefallen. Dort bei Inès – da waren ihm ihre intensivblauen Augen aufgefallen. Die ganze Zeit hatte er an diese Augen gedacht, in denen er sich wieder versenken wollte. Inès, die alte Schlampe, denkt doch die ganze Zeit über immer nur ans Geld, und es ist ihr völlig gleichgültig was ihre Kunden dabei empfinden. Aber dieses süße, kleine Ding hier, das hat mich anders gesehen, auch wenn es die ganze Zeit versucht hat aus dem Fenster zu schauen. Er wollte es einfach wagen. Wenn es nicht so klappte, wie er es sich vorstellte, dann konnte er sie immer noch wegschicken. Was habe ich denn schon zu verlieren? Nichts! »Ich würde dir alles geben«, sagte er lächelnd.

      Amélies Augen wurden ganz groß. »Wie?«, flüsterte sie. »Was willst du mir alles geben?«

      Er lehnte sich zurück. »Hör zu, Amélie! Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen. Wenn du damit nicht einverstanden bist, bien, dann trennen wir uns, und du hast einen schönen Abend verbracht.«

      »Ein Geschäft?«, wiederholte sie unsicher. »Ich habe so etwas noch nie gemacht. Oder nennt man das in der feinen Gesellschaft vielleicht so?«

      Jetzt war es an ihm, verblüfft zu sein. »Was meinst du denn jetzt?«

      »Wollen Sie denn nicht mit mir schlafen?«, fragte sie naiv. »Haben Sie mich denn nicht deswegen mitgenommen und mir das Essen spendiert?«

      »Ach so, jetzt verstehe ich was du meinst!« Er versuchte nicht lauthals zu Lachen, um sie nicht zu verschrecken. »Nein, Amélie. Du weißt doch, dass ich so etwas gar nicht will. Diesbezüglich kannst du ganz beruhigt sein.«

      »Für krumme Sachen lasse ich mich aber nicht anheuern, das habe ich Raphael auch schon gesagt. Nein, so etwas mache ich nicht!«, kam es ihr laut und kraftvoll über die Lippen. »Ich sollte einmal Schmiere stehen. Nein, mit der ›Police Nationale‹ will ich nichts zu tun haben! Also, dafür bin ich nicht zu haben, das sagte ich gleich! Alles, ja, … aber keine krummen Sachen, Monsieur Pierre!«

      Er schmunzelte

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