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Mal in den Spiegel geschaut hat. Aber ich wollte es auf keinen Affront ankommen lassen. Also ging ich ihr, so gut es ging, aus dem Weg.

      Ruth trug eine viel zu enge Bluse, so dass sich ihre weiblichen Rundungen anschickten, aus dem kleinen Fetzen herauszuquellen. Außerdem hatte sie sich mit irgend so einem indianischen Traumfänger-Schmuck dekoriert, was das Ganze nicht unbedingt appetitlicher machte. Zu allem Unglück konnte jeder, ob er nun wollte oder nicht, die Konturen eines String-Tangas unter ihrer weißen Leinenhose erkennen. Langsam verging mir die Lust auf mein Heißgetränk.

      Ruth hatte die Angewohnheit, die männlichen Kollegen mit ihren Blicken zu durchbohren, vermutlich weil sie selbst gerne einmal wieder angebohrt worden wäre. Wahrscheinlich wollte sie mit ihrem starren Blick die Männer am HEB hypnotisieren, um sie willig zu machen. Dieser nonverbalen Aufforderung kam jedoch niemand nach, auch ich nicht.

      Außerdem fasste Ruth ihre männlichen Kollegen im Zweikampf gerne an. Durch einen sanften Druck am Oberarm verlieh sie ihrem „ich kann Dich gut verstehen“ Nachdruck. In Wirklichkeit verstand sie aber rein gar nichts. Wir wollten von Ruth nicht angefasst werden, weder am Oberarm noch sonst wo.

      Ist mir sowieso ein Rätsel, warum Ruth auch mich immer so fixierte, bin ich doch eher die unauffällige Sorte von Mann: 1,88 Meter groß, 75 kg schwer, athletisch mit samtbrauner Haut, schulterlanger blonder Mähne und blauen Augen. Im Prinzip also der Durchschnittstyp.

      Vielleicht reduzierte sie mich ja nicht nur auf mein Äußeres und achtete auch auf meine inneren Werte. Wer weiß?

      Der liebe Gott und natürlich Ruth, Du kleines Luder.

      Jedenfalls hielt sich Ruth für unglaublich unwiderstehlich, ich dagegen hielt sie für unglaublich blöd.

      Ich kann mich gut an ein Gespräch der Hauswirtschaftskolleginnen erinnern, als es darum ging, nach welchem Notenschlüssel Klassenarbeiten zu bewerten seien. Ruth war der felsenfesten Überzeugung, man müsse stets 100 Punkte vergeben, um ein Umrechnen in eine Prozentzahl zu ermöglichen. Es war für Ruth mathematisch nicht nachzuvollziehen, dass fünfundzwanzig Punkte in einer Klassenarbeit, bei der maximal fünfzig Punkte erreicht werden können, so etwa 50 Prozent ausmachten. Dies überstieg bei weitem ihren intellektuellen Horizont, der sich auf Kochrezepte, Modezeitschriften, Dildos und Brustimplantate beschränkte.

      Endlich hatte ich meinen doppelten Espresso in der Hand, da klingelte es schon zur nächsten Stunde, die Pause war vorbei.

      Ich bin so dankbar für diese regenerativen Augenblicke!

      Kapitel 6

       Akademische Würden

      Ich bin´s, Carl.

      Warum quälst Du mich so? Ist das Bestandteil Deiner Therapie?

      Eigentlich möchte ich meine Beweggründe nicht offenbaren. Warum ich auf die wahnwitzige Idee kam, Lehrer zu werden, um mich ein Leben lang freiwillig mit diesen Mega-Deppen herumzuschlagen.

      Nun gut, aber das wird ziemlich hardcore, ich muss nämlich weit in meiner Vergangenheit ausholen.

      Ist doch beim Therapeuten immer so, dass erst einmal die Vergangenheit aufgearbeitet wird.

      Und Vergangenheit gibt es reichlich, je älter ich werde!

      Nach erfolgreicher Berufsausbildung, jetzt hatte ich endlich etwas Handfestes gelernt, schrieb ich mich an einer renommierten Universität für das Fach Wirtschaftspädagogik ein. Diesen Vorgang nennt man Immatrikulation. Kann man leicht verwechseln mit Ejakulation, weil man sich so freut, dass man an dieser heiß begehrten und altehrwürdigen Universität einen Studienplatz ergattern konnte.

      Wirtschaftspädagogik ist im Prinzip ein Betriebswirtschaftslehre-Studium (kurz BWL), nur anspruchsvoller. War zumindest früher so.

      Den typischen BWL-Studenten erkennt man übrigens am Gel in den Haaren, Markenklamotten und dem BMW-Cabrio von Papi oder Mami. Der Wirtschaftspädagoge, der meistens im Schuldienst landet, kommt entweder mit dem Fahrrad oder einer alten Karre zur Uni. Auch klamottenmäßig stellt er sich auf sein späteres Berufsleben ein, indem er Cordhose und alte Pullunder aufträgt.

      An der Uni lernte ich in überfüllten Hörsälen bei unterdurchschnittlich motivierten Professoren eine ganze Menge. Leider aber nichts für den Schuldienst.

      Bereits im Vorstudienmonat, also noch bevor das eigentliche Semester begonnen hatte, mussten die Studienanfänger Vorlesungen in Mathematik belegen.

      Der Mathematikprofessor war ein arroganter Pinsel und vermutlich von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät eigens dafür engagiert worden, die Studenten möglichst schlecht auf die bevorstehenden Klausuren vorzubereiten. Das machte er auch ziemlich gut.

      Wenn er an dem Raunen im Hörsaal merkte, dass er wieder einmal einen Sachverhalt beschissen erklärt hatte, stellte er nüchtern fest:

      „Wenn Sie das jetzt auch nicht verstanden haben, erhöht sich Ihr tägliches Arbeitspensum von 8 auf 10 Stunden.“

      Viele Erstsemester wurden natürlich dadurch verschreckt. Sie schmissen bereits in den ersten Wochen ihr Studium wieder hin. Das war ganz im Sinne der Uni, denn bereits in den 1980-igern studierten eindeutig zu viele BWL.

      Aber nicht mit Carl Cato!

      Ich hatte herausgefunden, dass es sogenannte ´Übungen für Ausländer´ gab. Hier wurden Ausländer aus den verschiedensten Nationen in die Geheimnisse der höheren Mathematik von fähigen Leuten eingeweiht, die sich nebenberuflich ein bisschen Geld dazuverdienen wollten. Deutschen Studenten war die Teilnahme an dieser Veranstaltung auch erlaubt, allerdings durften wir nur teilnehmen, wenn wir den ausländischen Studenten nicht die Sitzplätze wegnahmen.

      Das ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass bereits damals an den Universitäten die Integration von Deutschen gelebt wurde. Von wegen Unis wären reaktionär!

      Jedenfalls konnte ich mir so die Mathe-Vorlesungen von dieser Professorensackgesichtnase sparen und bestand die Klausuren auf Anhieb.

      Bereits im darauf folgenden ersten Semester, als ich mich mit Jura- und Statistikvorlesungen plagte, belegte ich zusätzlich eine Übung ´Wirtschaftspädagogik für Einsteiger oder so ähnlich´, die von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Popolew geleitet wurde. Bei der aller ersten Sitzung begrüßte uns Doc Pop, wie wir in liebevoll nannten, in seinem Seminar mit den Worten:

      „Wenn ich noch einmal neu beginnen könnte, würde ich Sie nicht mehr wählen!“

      Gemeint waren natürlich wir Studenten.

      Chapeau! Was für ein grandioser Einstieg in das Studium der Wirtschaftspädagogik! Offensichtlich hatte Doc Pop von Studenten auf gut Deutsch gesagt die Schnauze voll. Da saß er aber nicht gerade an der richtigen Stelle! Vielleicht war er aber auch nur angefressen, weil es nicht für eine Professorenstelle gereicht hatte.

      Frisch motiviert zeigte Doc Pop uns dann eine Folie über die Bildungslandschaft in Deutschland. Er wollte uns klar machen, dass wir uns an der Uni im so genannten tertiären Bildungssektor befänden. Nach erfolgreichem Studium und mit dem Titel Diplom-Handelslehrer in der Tasche würden wir dann im sekundären Bildungssektor an Berufskollegs eingesetzt werden. Interessiert eigentlich keine Sau.

      Kaufmännische Berufskollegs sind Schulen mit unterschiedlichen Bildungsgängen, z.B. der Berufsschule, dem Wirtschaftsgymnasium, der Handelsschule und manchmal auch der Baumschule.

      Ein Kommilitone, der ganz in meiner Nähe saß, scherzte leider etwas zu laut, dass von tertiär zu sekundär doch offensichtlich ein Rückschritt sei. Doc Pop ließ sich zwar nichts anmerken und überhörte diesen Einwand, aber ich vermute, dass besagter Kommilitone noch heute versucht, die Prüfung in ´Wirtschaftspädagogik für Einsteiger oder so ähnlich´ zu bestehen.

      Ich jedenfalls hielt die Klappe und habe im ersten Anlauf die Prüfung bestanden und meinen Schein erhalten. An der Uni

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