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Auto gehen wollte, wo der Fahrer während des Fototermins - schlafend - auf mich gewartet hatte, ging die Stalltür auf und Hassan, Laylas Bruder mit den hellblauen Augen, stand unmittelbar vor mir. Ich konnte gerade noch rechtzeitig stehen bleiben, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, doch für einen Moment, der etwas länger als nötig war, standen wir ganz nah voreinander und wieder trafen sich unsere Blicke. Wie schon einen Tag zuvor spürte ich das Feuer in mein Gesicht schießen, aber ich konnte den Blick nicht abwenden und er konnte - oder wollte - es auch nicht. Wir bewegten uns erst jeweils einen Schritt zurück als Layla näher kam, um uns einander vorzustellen. Hassan erklärte ihr jedoch, dass wir uns schon gestern bei dem gemeinsamen Treffen mit ihrem Vater kennengelernt hatten. Sein Englisch war ebenso perfekt wie ihres. Sicher war er auch in England zur Schule gegangen oder hatte zumindest dort studiert.

      Layla war begeistert, ihren Bruder zu sehen. Es war deutlich zu spüren, dass sie sich sehr nahe standen und sie ihren Bruder ein wenig anhimmelte – was ich diesem Fall sehr gut nachvollziehen konnte. Außerdem hatte sie nun in ihm auch einen Begleiter für ihren Ausritt gefunden, zu dem sie ihn ohne große Anstrengung überreden konnte. Wie es schien, waren alle Mitglieder dieser Familie begeisterte Reiter.

      Als er sich ihr ganz zugewandt hatte, nutzte ich den Moment für einen stillen Abgang. Noch einen Blick von ihm hätte ich an diesem Tag nicht mehr überstanden. Ich war so schon aufgewühlt genug. Selbst als ich im Auto saß, spürte ich mein Herz noch im Hals klopfen und ich hoffte nur, dass weder Hassan noch Layla bemerkt hatten, wie mich das plötzliche Treffen mit Hassan aus der Bahn geworfen hatte. Was war bloß los mit mir? Wahrscheinlich war ich es einfach nicht gewohnt auf diese Art angesehen zu werden – so lange, so intensiv. Aber warum sah er mich überhaupt? Sonst war ich doch für jeden unsichtbar. Was dachte er sich nur dabei? Wollte er mich absichtlich verunsichern? Sich einen netten Spaß mit der kleinen Fotografin aus Deutschland erlauben?

      Ich nahm mir ganz fest vor, ihm ab sofort aus dem Weg zu gehen und - ganz wichtig - Blickkontakt zu vermeiden!

      Wieder am Hotel angekommen, wartete mein Chef schon auf mich. Ich hatte mich etwas verspätet, was er nur damit kommentierte, dass ich wohl schon das arabische Zeitgefühl übernommen habe. Nach dieser kleinen Stichelei, auf die ich nicht weiter einging, stiegen wir sofort in unsere Besprechung ein. Jeder berichtete von seinem ersten Shooting – mein Chef hatte den Vormittag mit dem Bräutigam und dessen Falken verbracht – und zeigten uns gegenseitig ein paar Auszüge. Je länger wir uns besprachen, planten und die ersten Bilder bearbeiteten, desto mehr fand ich wieder in meinen Rhythmus zurück und als ich mich später auf den Weg zu meinem Zimmer machte, um mich für den Abend frisch zu machen, hatte ich die Begegnung mit Hassan schon fast wieder vergessen.

      Kapitel 5

      Die restliche Woche verlief reibungslos und ohne weitere Ablenkungen durch gutaussehende Brüder mit hellblauen Augen. Mein Chef und ich nahmen - je nach Programmpunkt - abwechselnd oder gemeinsam an den vorgesehenen Fototerminen teil und bearbeiteten in den verbleibenden Pausen schon erste, vielversprechend wirkende Bilder. Trotzdem blieb hin und wieder etwas Zeit, um die Weiten der Hotelanlage zu ergründen - selbstverständlich als Recherche für die bevorstehende Hochzeit - und für das ein oder andere Sonnenbad am großen Hotelpool mit Blick aufs Meer. Wann würde ich wohl jemals wieder die Gelegenheit bekommen mir im April die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen? Und dann auch noch in einem so traumhaften Ambiente. Die Sonne war so schön warm und dank eines stetig wehenden Lüftchens immer angenehm und gut auszuhalten.

      Ich hatte lange mit mir gekämpft, ob es wohl angemessen ist, einen Bikini mit auf eine Geschäftsreise zu nehmen. Unfähig diese Entscheidung selbstständig zu treffen, hatte ich meine große Schwester Lea um ihren Rat zu dieser Frage gebeten. Aber für sie stellte sich die Frage, des ob eigentlich überhaupt nicht. Ihr lag in ihrer Eigenschaft als Modeexpertin vielmehr am Herzen, dass ich bloß nicht einen meiner alten, noch etwas kindlichen, Bikinis einpackte.

      Da sie mir – zu Recht – nicht glaubte, dass ich mir gerade erst einen neuen Bikini gekauft hatte, stand sie noch am selben Abend vor meiner Tür und hatte eine Auswahl von zehn Bikinis aus ihrer Boutique und eine Flasche Prosecco, als Nervennahrung wie sie meinte, im Gepäck. Scheinbar hatte sie die Mission Aufhübschen doch noch nicht ganz aufgegeben.

      So machte sie es sich also mit einem Glas Prosecco, das sie immer wieder großzügig auffüllte, auf meiner Couch gemütlich und ließ mich die einzelnen Modelle nach und nach präsentieren, wobei sie jedes Modell ausführlich zu kommentierten wusste. Zwischendurch - immer wenn sie einen Bikini als geeignet empfand - bekam ich zur Belohnung auch ein paar Schlückchen ab und so wurde es nach und nach ein lustiger Schwesternabend, der tatsächlich damit endete, dass ich zwei neue Bikinis - einen pinken und einen türkisfarbenen Push-up Triangel-Bikini - besaß.

      Nachdem meine Schwester zu späterer Stunde und leicht angeschwipst Loblieder auf meinen flachen Bauch, meine schlanke Taille und meinen straffen Hintern gesungen hatte, packte ich die Bikinis mit einem - jedenfalls für diesen Abend - stark gewachsenen Selbstvertrauen in den Koffer. Bevor Lea sich an diesem Abend wieder auf den Heimweg machte, nahm sie mir noch das Versprechen ab, dass ich beide Bikinis mindestens zweimal in Abu Dhabi tragen würde, was ich ihr in meiner Prosecco-Laune sogar ohne zu zögern per Handschlag zusicherte.

      Ohne den Prosecco im Blut ärgerte ich mich zwar ein bisschen, dass ich mich von meiner Schwester zu der Push-up Version hatte überreden lassen. Ich fühlte mich nicht ganz wohl damit, die Aufmerksamkeit auf diesen Teil meines Körpers zu ziehen, erst Recht nicht in einem arabischen Land. Da auch ich jedoch einsehen musste, dass die Bikinis meine Figur wirklich vorteilhaft in Szene setzen und ich meine alten Bikinis ohnehin zu Hause gelassen hatte, hielt ich mein Versprechen, sonnte mich brav und schwamm jeden Tag ein paar Bahnen in dem wohl temperierten Pool.

      Nach den ersten paar Tagen in der Sonne stellte ich abends in meinem großen verspiegelten Badezimmer sogar ganz überrascht fest, dass meine sonst so schneeweiße Haut einen zart beigen Farbton angenommen hatte. Ich hatte sogar auf der Nase und den Wangen ein paar kleine, vereinzelte Sommersprossen bekommen und fühlte mich rundum wohl in meiner - nicht mehr ganz so blassen - Haut.

      Der große Tag stand kurz bevor. Mein Chef und ich trafen uns am Vorabend zu einer letzten strategischen Besprechung mit dem Hochzeitsplaner Mohammed, der mit uns noch ein letztes Mal den leicht geänderten zeitlichen Ablauf durchsprach und die verschiedenen Örtlichkeiten für die Vorbereitung von Braut- und Bräutigam, die Hochzeitszeremonie, den Empfang, das Paar- und Familienshooting und die anschließende Feier im Bankettsaal abging, welche alle auf dem weitläufigen Hotelgelände des Shangri-La gelegen waren.

      Das Brautpaar hatte sich eine pompöse westliche Hochzeit gewünscht. Sowohl Layla als auch Karim hatten lange im Ausland gelebt und dort studiert – Layla in England, Karim in den USA. Und wie Mohammed uns verriet, hatten sich die Väter nach einigen längeren Diskussionen mit Karim und schließlich ein paar Krokodilstränen von Layla dazu durchgerungen, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen und ihnen bei der Gestaltung der Feierlichkeiten freie Hand zu lassen. Layla hatte bei der Planung also doch ein größeres Mitspracherecht gehabt, als ich zunächst angenommen hatte. Eigentlich habe Layla alle Entscheidungen betreffend der Hochzeit ganz allein getroffenen. Teilweise habe sie aber Karim denken lassen, dass die Ideen von ihm stammten, sagte Mohammed mit einem Augenzwinkern. Ihr Vater sei nur für den wirtschaftlichen Teil zuständig.

      Als Vorbild hatten ganz offensichtlich die aus den Medien bekannten großen Hochzeiten amerikanischer Stars gedient. Das Beste war hier gerade gut genug gewesen. Geld spielte ganz offensichtlich keine Rolle. Allein von den Schauplätzen, der aufwendigen, sehr stilvollen Dekoration – alles war in den Farben schwarz, rot und weiß gehalten - und dem geplanten Programm war mir klar, dass dies eine Traumhochzeit werden würde, die auch in Hollywood nicht besser hätte inszeniert werden können. Sogar die geladenen Gäste waren darum gebeten worden, die vorgegeben Hochzeitsfarben bei ihrer Kleiderwahl zu berücksichtigen und auch das anwesende Personal – so auch mein Chef und ich – hatte eine passende Garderobe zur Verfügung gestellt bekommen. Alles, wirklich alles war bis ins letzte Detail perfekt geplant und aufeinander abgestimmt worden. Und das gleichermaßen gutaussehende wie auch sympathische

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