ТОП просматриваемых книг сайта:
Liebe ohne Grenzen. Isabel Fischer
Читать онлайн.Название Liebe ohne Grenzen
Год выпуска 0
isbn 9783738001815
Автор произведения Isabel Fischer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Neben so einer Schwester wären wahrscheinlich viele Mädchen verblasst, aber bei mir kommt hinzu, dass ich wirklich so blass bin, dass man fast durch mich hindurchsehen kann. Ich bin einfach weiß. Sehr, sehr weiß. Und auch ich habe natürlich blonde Haare, allerdings sind diese wesentlich dünner und kürzer als die meiner Schwester und kerzengerade. Von Engelslocken kann ich nur träumen. Selbst wenn Lea vor Parties manchmal versucht hatte mich „aufzuhübschen“, wie sie es immer nannte, und mir die Haare auf Lockenwicklern aufdrehte, purzelten diese - als würden sie gegen meine Haare protestieren - bei der kleinsten Bewegung direkt wieder von meinem Kopf. Also gab meine Schwester das Projekt Aufhübschen wieder auf und nahm mich wie ich war. Unsichtbar!
Mein kleiner Bruder Lars, ebenfalls ein Blondschopf, ist ein kleines Mathematikgenie und studiert mittlerweile Luft- und Raumfahrttechnik an irgendeiner Eliteuniversität und bildet sich darauf ziemlich viel ein. Er ist aber der ganze Stolz meines Vaters, der ihn bei jedem Heimatbesuch in seinem Höhenflug noch bestätigt.
Meine Eltern lieben mich mit Sicherheit nicht weniger als meine Geschwister und lassen mich ihre Liebe und Unterstützung immer spüren. Aber ein Leben im Schatten von zwei so herausragenden Geschwistern ist nicht gerade die ideale Voraussetzung für ein starkes Selbstbewusstsein und ein großes Auftreten. Sobald die beiden einen Raum betreten, wissen die Leute, dass sie da sind. Sie sind offen, laut und stets präsent. Ich höre hingegen auf Familienfesten häufig: „Mensch, Linda, du bist auch schon da? Ich habe dich gar nicht kommen sehen.“ Und solche Aussagen bekomme ich nach ein bis zwei Stunden Anwesenheit zu hören.
Vielleicht entwickelte ich deshalb eine Leidenschaft für die Fotografie, damit ich mich hinter meiner Kamera verstecken konnte. Ich begann meine Fotografiekarriere also auf unseren Familienfesten, wo mich die Leute ja ohnehin meist nicht, oder erst wenn sich das Fest dem Ende zuneigte, sahen und so gelang es mir, wunderschöne und ungestellte Momentaufnahmen von meiner Familie einzufangen. Alle waren begeistert von diesen natürlichen Bildern und so wurde ich auch schnell im Bekanntenkreis weiterempfohlen, um auf Taufen und Geburtstagen die Fotos zu machen und konnte auf diese Weise mein Taschengeld etwas aufbessern.
So kam ich sogar nach meinem Abitur zu einem dreimonatigen, kostenlosen Aufenthalt in England, da die Tochter einer entfernten Verwandten, die vor vielen Jahren nach England ausgewandert war, heiratete und ich mit der Fotografie von der Verlobungsfeier, über den Junggesellinnen-Abschied und der Hochzeiten bis zum Aufbruch in die Flitterwochen beauftragt worden war. Trotzdem blieb mir noch genug Zeit, meine Englischkenntnisse aufzufrischen.
Man kann also in gewisser Weise sagen, dass auch ich meine Nische gefunden habe. Dass ich letztendlich, nach meiner Ausbildung, in der Hochzeitsfotografie gelandet bin, war nur die logische Konsequenz daraus. Und ich liebe es! Wenn ich schon nicht meine eigene Romanze erleben darf, so kann ich wenigsten immer wieder, an jedem Hochzeitswochenende aufs neue, Teil einer wunderschönen Liebesgeschichte sein, deren Höhepunkte ich in Bildern festhalten darf. Am Hochzeitstag bzw. an den Hochzeitstagen sind ohnehin alle Augen auf die Braut gerichtet. Es ist trubelig, so viele Leute, die hin und her huschen und mich gar nicht beachten. Ich kann also immer wieder still und heimlich den Traum von 1001 Nacht miterleben und dabei die schönsten Momente der Braut festhalten, während mein Chef immer den Bräutigam begleitet. Alle meine Bräute sind südländische Schönheiten mit ihren dicken, glänzenden schwarzen Haaren und ihrem olivfarbenem Teint. Mit dem auffälligen Make-Up und den tollen Frisuren, den pompösen Brautkleidern ist jede von ihnen in meinen Augen eine orientalische Prinzessin. Und so fotografiere ich sie auch. Wunderschön und königlich!
Die Bräute waren allesamt immer begeistert und so haben mein Chef und ich uns tatsächlich in den letzten Jahren in unserer Region einen Namen gemacht. Die Hochzeiten wurden immer größer, eleganter – und zur Freude meines Chefs – teurer. Wenn ich so sehe, welches Honorar wir zum Teil für eine Fotostrecke einnehmen, sollte ich doch einmal den Mut aufbringen, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.
Selbstständig machen, lohnt sich für mich nicht. Davon brauche ich gar nicht erst zu träumen – worauf mich auch mein Chef regelmäßig hinweist. Erstens bin ich keine besonders gute Geschäftsfrau – man siehe mein Gehaltsgespräch – und zweitens bräuchte ich dann ebenso einen männlichen Fotografen im Team, wie mein Chef mich als Fotografin braucht, wenn ich weiterhin auf türkischen und arabischen Hochzeiten fotografieren will. So ist das nun einmal in dieser Welt. Mit Frauen wollen die wenigsten Geschäfte machen. Und als Arbeitgeberin, die für einen Angestellten verantwortlich ist und, noch schlimmer, diesen anweisen muss, wie er seine Arbeit zu erledigen hat, eigne ich mich beim besten Willen nicht. Solange mein Chef mich also nicht rausschmeißt, werde ich wohl bis zu seiner Rente mit ihm zusammenarbeiten und hoffentlich irgendwann den Mut aufbringen doch einmal eine Gehaltserhöhung anzusprechen.
Vor wenigen Monaten war es dann soweit. Uns gelang, wie mein Chef meinte, der Durchbruch. Über einen ehemaligen, scheinbar ausgesprochen zufriedenen Kunden, erhielten wir per Email eine Anfrage für eine Fotostrecke in Abu Dhabi. Wir sollten für eine ganze Woche gebucht werden. Flüge, Unterbringung im 5-Sterne-Hotel mit Verpflegung selbstverständlich inklusive. Vielmehr erfuhren wir über den Auftrag nicht. Es sollte uns dann alles vor Ort erläutert werden. Allerdings war der Email die für meinen Chef wesentliche Information beigefügt - unser Honorar! Ich habe ihn noch nie so schnell einen Vertrag zusammenstellen, unterschreiben, einscannen und verschicken gesehen. Dabei machte er schon Pläne, den Laden für diese Woche im April zu schließen. Da sei eh nicht viel los und etwas besseres könnte uns gar nicht passieren, sagte er. Ich wartete vergebens auf die Frage, ob mir dieser Auftrag und insbesondere die Reise auch Recht sei. Er setzte einfach voraus, dass ich ohnehin nichts besseres vorhatte und damit hatte er leider Recht, da es in meinem Privatleben gerade besonders trist aussah. „Okay, also dann eine Hochzeit in Abu Dhabi,“ dachte ich.
Gehört hatte ich den Namen schon ein paar Mal. Mein Vater und mein Bruder guckten leidenschaftlich gerne Formel 1, wenn mein Bruder übers Wochenende zu meinen Eltern kam, um seine schmutzige Wäsche bei meiner Mutter abzuladen und sonntags wieder frisch gewaschen und gebügelt mitzunehmen. Ein klassisches Männerprivileg. Die armen Kreaturen sind ja nicht in der Lage eine Waschmaschine und ein Bügeleisen zu bedienen. Auf jeden Fall wusste ich daher, dass seit ein paar Jahren eines dieser Rennen in Abu Dhabi stattfand. Aber damit endete mein Wissen auch schon.
Weil ich diese Wissenslücke vor meinem Chef selbstverständlich nicht zugeben wollte, da wir ja quasi Türkei- und Arabien-Experten waren – er war dies tatsächlich – setzte ich mich abends nach der Arbeit an meinen Laptop und begann etwas zu recherchieren. Ich musste ja schließlich wissen, was mich in diesem fernen Land erwartete - ob ich dort als Frau Auto fahren durfte, ob ich mich komplett verschleiern musste, welche Verhaltensregeln es ganz allgemein gab. Erste wichtige Information: Abu Dhabi ist kein eigenes Land, sondern die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate und zugleich, das größte der sieben Emirate.
Ich lass über Scheich Zayed, den Vater der Nation, über unglaubliches Wirtschaftswachstum in den letzten 30 Jahren und den damit verbundenen Reichtum der Einheimischen, über deren Leidenschaft für die edelsten aller Pferde, die Araber, sowie für Falken und die Falkenjagd. Ich sah Bilder von unendlichen Weiten, nur ein paar Sandhügel, goldschimmernd in der gleißenden Sonne, von unglaublichen Bauwerken, einerseits modern aber doch aus einer anderen Welt. Als ich mich mit brennenden Augen müde ins Bett legte, zeigte mein Wecker schon 1.30 Uhr an. Hatte ich mich so lange mit dem Thema Abu Dhabi beschäftigt? Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Ich war begeistert und fasziniert von dieser anderen Welt, die nur 6,5 Flugstunden von Deutschland entfernt war und doch viel weiter weg schien.
In dieser Nacht träumte ich von einem arabischen Prinzen und einer arabischen Prinzessin, von der Wüste, von wunderschönen schwarzen Araber-Pferden und einer Traumhochzeit in einem der goldenen Paläste, die ich auf der Tourismus-Website der Vereinigten Arabischen Emirate auf Bildern gesehen hatte. Und ich durfte diese märchenhaft erscheinende