Скачать книгу

Emir, »ich habe hundert Rosse, die

       mehr zu schätzen sind. Ich gäbe sie nicht um tausend

       Pfund lauteren Goldes her. Wenn du alle Pferde

       Frankreichs zusammenbrächtest, ich möchte sie nicht

       gegen eines meiner Rosse vertauschen. Aber gleich

       sollst du es sehen.« »Herr,« sagte der schlaue Galopin,

       »warum sollte ich es sehen? Ich verstehe nichts

       von Pferden. Wenn ich eines schnell laufen sehe, so

       halte ich es für einen guten Traber. Lieber wäre es

       mir, Ihr gäbet mir ein wenig zu essen. Lange trieb ich

       auf dem Meere und der ganze Körper ist mir durchnäßt.

       « »Bei meinem Haupte,« rief der Emir, »du bist

       ein Esel«, und stieß aus Zorn das Schachbrett um.

       Galopin konnte es kaum erwarten, daß er das Roß zu

       sehen bekäme. »Herr,« lenkte er ein, »zürnt mir nicht.

       Wenn Ihr es wünscht, so will ich es gern anschauen.«

       Das Wunderpferd stand in einem wohl mit Stahl ver-

       ankerten Gerüste, dessen geringsten Pfeiler kein

       Saumtier hätte tragen können. Mit drei goldenen Ketten

       war es um den Hals gefesselt und vier Paar

       Spannstricke hielten ihm die Füße zusammen, über

       der Haut mit Filz gepolstert. Futter und Hafer hatte es

       genug vor sich und es trank aus einem Gefäße, das

       mit Gold eingelegt war. Wasser lief vor ihm in einem

       Kanale und drei Kerzen brannten im Raum. Dreißig

       Wächter mußten das Roß behüten, und wenn fünfzehn

       schliefen, mußten die anderen fünfzehn wachen.

       Keiner hätte sich schlafend ertappen lassen dürfen: er

       wäre geblendet und des Landes verwiesen worden.

       Lubien nahm den Vorhang weg: das Tier hatte eine

       zarte Flanke und war an Kopf und Füßen weiß gezeichnet.

       Dann fragte er den Spitzbuben: »War das

       deinige so kostbar?« – »Nein,« sagte dieser, »ich will

       es Euch nicht verhehlen: nie sah ich ein so schönes

       Roß und auch nie eines so wohl verwahrt.« Dabei

       aber murmelte er zwischen den Zähnen, daß ihn keiner

       hörte: »So gut wird es doch nicht bewacht sein,

       daß ich es nicht stehlen kann. Herr Elias, wenn Ihr

       dieses Roß habt, so könnt Ihr Euch rühmen, daß im

       weiten Frankreich kein Ritter je auf einem solchen

       saß. Aber es ist gut verwahrt. Bei der Seele meines

       Vaters, lieber wäre es mir, wenn es draußen an einem

       Baume angebunden wäre.«

       Von nun an hatte Galopin keine Ruhe mehr, und

       seine Gedanken waren stets bei dem Rosse. Die

       Wächter setzten sich zum Mahl, dann gingen sie

       schlafen, da sie an nichts Böses dachten und auf den

       kleinen Spitzbuben wenig achteten. Die andere Hälfte

       wachte beim Roß. Galopin trat an das Gerüst, stützte

       sich auf das Geländer und betrachtete das Tier. »Heilige

       Jungfrau Maria,« betete er, »verschaff' mir das

       Pferd, aber so, daß es mich weder tritt noch verwundet.

       « Das Tier erschrak vor seinem Atem und sprang

       mit allen Vieren zugleich. Die Wächter griffen zu

       ihren Waffen und suchten den Raum wohl siebenundzwanzigmal

       ab. Galopin stand im Schatten, und sie

       bemerkten ihn nicht, obwohl sie ihn fast berührten.

       Kein Wunder, daß der Dieb in Furcht geriet.

       Da die Wächter nichts fanden, setzten sie sich zum

       Schachspiel, und der eine sagte zum andern: »Was

       hat das Tier gehabt?« – »Bei meinem Kopf,« sagte

       der Oberste, »es ist zu fett und ruht zu viel, beim

       kleinsten Anlaß erschrickt es.« Galopin hatte ein Zauberkraut

       in der Tasche, das zog er nun hervor und rieb

       es, so daß der starke Geruch hervordrang. Er warf es

       durch die beiden Gitter hindurch, und die Wächter

       schliefen von dem starken Dufte ein. Nun war das

       Pferd unbewacht. »Bei Gott,« frohlockte der Dieb,

       »ihr seid mattgesetzt. Der Emir wäre ein Dummkopf,

       wenn er euch nicht sämtlich hängen lassen würde.«

       Dann nahm er das Gerüst bei den Gittern und riß es

       um. Er trat zu dem Pferde, streichelte ihm die Seiten

       und gedachte es fortzuführen. Doch das Roß kannte

       ihn nicht, es faßte ihn mit den Zähnen, stieß ihn zu

       Boden, hob ihn dann wieder in die Höhe und schleuderte

       ihn fünfzehn Fuß weit davon. Er rannte gegen

       einen Pfahl, daß er fast die Besinnung verlor, und rief

       Gott an, er möge ihn um Elias willen nicht verlassen.

       Als er furchtsam vorwärtskroch, fand er einen Prügel,

       den er beim dicken Ende packte. Dreißig Schläge gab

       er dem Tier auf die Flanken, bis es ruhig ward und

       sein Übermut verflog. »Halt die Füße still,« rief er,

       »es wäre Torheit, wenn du dich bewegtest.« Nun legte

       er dem Roß den Sattel auf, warf ihm den Zaum über

       den Kopf und schlug die Ketten herab.

       Galopin bestieg den verhängnisvollen Gaul, aber er

       konnte nicht reiten und stellte sich wie ein Tor. Beim

       ersten Schritt des Tieres lag er unten und hätte sich

       fast Rippen und Arme zerbrochen. Er schwur, nie

       wieder hinaufklettern zu wollen, und führte das Roß

       hinter sich her; so schnell schritt er, daß es ihm kaum

       folgen konnte. Das Pferd sah, daß er ein kleiner

       Knirps war, und hatte wenig Respekt vor ihm, es warf

       den rechten Fuß vor und stieß ihn zu Boden. Diesmal

       blieb er unbeschädigt, sprang leichtfüßig wieder auf

       und packte das Tier nun beim Leibgurt. Nie hätte der

       kleine Spitzbube das gute Roß gestohlen, wenn es

       sich besser gewehrt hätte. Doch er nahm einen ellen-

       langen Stock und gab ihm elf Schläge auf die feisten

       Flanken, bis es ruhig stand und ihm der Leib zitterte

       wie ein Lorbeerblatt. »Sicher«, sagte Galopin, »ist

       Gewalt oft nützlich. Rühr dich nicht oder du mußt es

       büßen.« Dann band er dem Tier einen Strick um den

       Hals und führte es so,

Скачать книгу