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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
mehr zu schätzen sind. Ich gäbe sie nicht um tausend
Pfund lauteren Goldes her. Wenn du alle Pferde
Frankreichs zusammenbrächtest, ich möchte sie nicht
gegen eines meiner Rosse vertauschen. Aber gleich
sollst du es sehen.« »Herr,« sagte der schlaue Galopin,
»warum sollte ich es sehen? Ich verstehe nichts
von Pferden. Wenn ich eines schnell laufen sehe, so
halte ich es für einen guten Traber. Lieber wäre es
mir, Ihr gäbet mir ein wenig zu essen. Lange trieb ich
auf dem Meere und der ganze Körper ist mir durchnäßt.
« »Bei meinem Haupte,« rief der Emir, »du bist
ein Esel«, und stieß aus Zorn das Schachbrett um.
Galopin konnte es kaum erwarten, daß er das Roß zu
sehen bekäme. »Herr,« lenkte er ein, »zürnt mir nicht.
Wenn Ihr es wünscht, so will ich es gern anschauen.«
Das Wunderpferd stand in einem wohl mit Stahl ver-
ankerten Gerüste, dessen geringsten Pfeiler kein
Saumtier hätte tragen können. Mit drei goldenen Ketten
war es um den Hals gefesselt und vier Paar
Spannstricke hielten ihm die Füße zusammen, über
der Haut mit Filz gepolstert. Futter und Hafer hatte es
genug vor sich und es trank aus einem Gefäße, das
mit Gold eingelegt war. Wasser lief vor ihm in einem
Kanale und drei Kerzen brannten im Raum. Dreißig
Wächter mußten das Roß behüten, und wenn fünfzehn
schliefen, mußten die anderen fünfzehn wachen.
Keiner hätte sich schlafend ertappen lassen dürfen: er
wäre geblendet und des Landes verwiesen worden.
Lubien nahm den Vorhang weg: das Tier hatte eine
zarte Flanke und war an Kopf und Füßen weiß gezeichnet.
Dann fragte er den Spitzbuben: »War das
deinige so kostbar?« – »Nein,« sagte dieser, »ich will
es Euch nicht verhehlen: nie sah ich ein so schönes
Roß und auch nie eines so wohl verwahrt.« Dabei
aber murmelte er zwischen den Zähnen, daß ihn keiner
hörte: »So gut wird es doch nicht bewacht sein,
daß ich es nicht stehlen kann. Herr Elias, wenn Ihr
dieses Roß habt, so könnt Ihr Euch rühmen, daß im
weiten Frankreich kein Ritter je auf einem solchen
saß. Aber es ist gut verwahrt. Bei der Seele meines
Vaters, lieber wäre es mir, wenn es draußen an einem
Baume angebunden wäre.«
Von nun an hatte Galopin keine Ruhe mehr, und
seine Gedanken waren stets bei dem Rosse. Die
Wächter setzten sich zum Mahl, dann gingen sie
schlafen, da sie an nichts Böses dachten und auf den
kleinen Spitzbuben wenig achteten. Die andere Hälfte
wachte beim Roß. Galopin trat an das Gerüst, stützte
sich auf das Geländer und betrachtete das Tier. »Heilige
Jungfrau Maria,« betete er, »verschaff' mir das
Pferd, aber so, daß es mich weder tritt noch verwundet.
« Das Tier erschrak vor seinem Atem und sprang
mit allen Vieren zugleich. Die Wächter griffen zu
ihren Waffen und suchten den Raum wohl siebenundzwanzigmal
ab. Galopin stand im Schatten, und sie
bemerkten ihn nicht, obwohl sie ihn fast berührten.
Kein Wunder, daß der Dieb in Furcht geriet.
Da die Wächter nichts fanden, setzten sie sich zum
Schachspiel, und der eine sagte zum andern: »Was
hat das Tier gehabt?« – »Bei meinem Kopf,« sagte
der Oberste, »es ist zu fett und ruht zu viel, beim
kleinsten Anlaß erschrickt es.« Galopin hatte ein Zauberkraut
in der Tasche, das zog er nun hervor und rieb
es, so daß der starke Geruch hervordrang. Er warf es
durch die beiden Gitter hindurch, und die Wächter
schliefen von dem starken Dufte ein. Nun war das
Pferd unbewacht. »Bei Gott,« frohlockte der Dieb,
»ihr seid mattgesetzt. Der Emir wäre ein Dummkopf,
wenn er euch nicht sämtlich hängen lassen würde.«
Dann nahm er das Gerüst bei den Gittern und riß es
um. Er trat zu dem Pferde, streichelte ihm die Seiten
und gedachte es fortzuführen. Doch das Roß kannte
ihn nicht, es faßte ihn mit den Zähnen, stieß ihn zu
Boden, hob ihn dann wieder in die Höhe und schleuderte
ihn fünfzehn Fuß weit davon. Er rannte gegen
einen Pfahl, daß er fast die Besinnung verlor, und rief
Gott an, er möge ihn um Elias willen nicht verlassen.
Als er furchtsam vorwärtskroch, fand er einen Prügel,
den er beim dicken Ende packte. Dreißig Schläge gab
er dem Tier auf die Flanken, bis es ruhig ward und
sein Übermut verflog. »Halt die Füße still,« rief er,
»es wäre Torheit, wenn du dich bewegtest.« Nun legte
er dem Roß den Sattel auf, warf ihm den Zaum über
den Kopf und schlug die Ketten herab.
Galopin bestieg den verhängnisvollen Gaul, aber er
konnte nicht reiten und stellte sich wie ein Tor. Beim
ersten Schritt des Tieres lag er unten und hätte sich
fast Rippen und Arme zerbrochen. Er schwur, nie
wieder hinaufklettern zu wollen, und führte das Roß
hinter sich her; so schnell schritt er, daß es ihm kaum
folgen konnte. Das Pferd sah, daß er ein kleiner
Knirps war, und hatte wenig Respekt vor ihm, es warf
den rechten Fuß vor und stieß ihn zu Boden. Diesmal
blieb er unbeschädigt, sprang leichtfüßig wieder auf
und packte das Tier nun beim Leibgurt. Nie hätte der
kleine Spitzbube das gute Roß gestohlen, wenn es
sich besser gewehrt hätte. Doch er nahm einen ellen-
langen Stock und gab ihm elf Schläge auf die feisten
Flanken, bis es ruhig stand und ihm der Leib zitterte
wie ein Lorbeerblatt. »Sicher«, sagte Galopin, »ist
Gewalt oft nützlich. Rühr dich nicht oder du mußt es
büßen.« Dann band er dem Tier einen Strick um den
Hals und führte es so,