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Mutter oft zu dem Laden, um ihr beim Tragen zu helfen. Milch holte Paul mit der Kanne beim Milchhändler. Den Metzger konnte man nur selten aufsuchen, da Wurst und Fleisch teuer waren. Metzger Unangst hatte jedoch ein wöchentliches Sonderangebot parat; die sogenannte Metzelsuppe. Diese Brühe blieb beim Wurstkochen im großen Kessel übrig und wurde gegen einige Pfennige abgegeben. Heute siebzehn Uhr Wurstbrühe. Gefäß ist mitzubringen, stand an jedem Montag auf einem Schild im Schaufenster. Man musste sehr pünktlich sein, da dieses Angebot sehr gegrenzt, das heißt, schnell zu Ende war. Paul hatte oft Pech, da er in der Reihe zu weit hinten stand. Wenn er aber doch mal Glück hatte, eilte er mit der gefüllten Milchkanne stolz nach Hause, denn es war ein Festmahl angesagt. Mutter Anna gab reichlich Nudeln in die Brühe, löste einige Maggiwürfel darin auf , gab gehackte Petersilie dazu und stellte die Wurstsuppe, wie sie jetzt hieß, auf den Tisch. Metzger Unangst war entweder ein Menschenfreund oder ein schlechter Metzger. In seiner Metzelbrühe mussten nicht wenige Würste, meist Blutwürste, einem Gemetzel zum Opfer gefallen sein, da reichlich Wurstmasse und vor allem Grieben, das heißt die kleinen Speckwürfel von der Blutwurst, in der Brühe schwammen. Hatte er einige Würste mit Absicht angestochen oder waren sie doch nur einfach geplatzt? Egal, Paul träumte oft von der köstlichen Wurstsuppe, die es viel zu selten gab.

      Zwei Jahre nach Kriegsende war Pauls kleine Familie vom Haus der Großeltern in der Dürkheimerstraße, da Großvater Alfred endlich wieder seine Praxisräume benutzen wollte, in eine kleine Wohnung unter dem Dach, in der Beethofenstraße in Oggersheim, umzogen. Ab und zu konnte Paul dort sogar etwas Geld verdienen. Ihr Hausherr, der alte Bohlander in der Beethovenstraße, trank aus Gesundheitsgründen gerne einen Cognac mit einem rohen Ei, alles in einem Wasserglas verrührt. Dazu schickte er Paul mit einem Schnapsglas und sechzig Pfennig zur nächsten Gastwirtschaft um die Ecke, Zum Goldenen Hirschen. Für fünfzig Pfennig wurde ihm dort das Schnapsgläschen mit Asbach Uralt gefüllt; die zehn Pfennig, welche übrig waren, durfte er als Botenlohn behalten. Von der Gastwirtschaft bis nach Hause balancierte er das Gläschen die hundert Schritte mit äußerster Vorsicht. Doch als er es einmal nicht schaffte, da auf dem unbefestigten Gehweg ein Stein im Weg lag und er darüber stolperte, war es mit diesem Verdienst zu Ende. Der alte Bohlander bevorzugte es fortan, den Schnaps in der Gaststätte selbst zu konsumieren, wobei es nicht nur ein Asbach sein konnte, denn wenn er zu Hause ankam, war er selten nüchtern. So kam es, dass er eines Abends trotz des geringen Verkehrs in Oggersheim vor ein Auto lief und tödlich verunglückte. Die Trauer im Haus an der Beethovenstraße war sehr verhalten, denn der Alte hatte nach seiner Trinkerei oft herumkrakelt und die Mitbewohner belästigt. Sein Tod wirkte, so schlimm sich das anhört, wie eine Befreiung.

      Die Mitbewohner waren neun Personen, das heißt zu zehnt lebten sie vor dem Tod des Alten in dem kleinen Haus. Da waren die alte Frau Bohlander, ihr Sohn Josef mit seiner Frau Sonja und die beiden Töchter Zita und Hera, die alle in den drei Räumen mit Küche im Erdgeschoss wohnten. Ein Stockwerk höher unter dem Dach hausten Mutter Anna mit Paul und den zwei Geschwistern. Diese Dachwohnung erwies sich als sehr beengt und bestand im Grunde nur aus zwei bewohnbaren Räumen unter der Dachschräge mit je einem Fenster zur Straße. Diese Zimmer dienten als Schlafzimmer, während der dritte Raum, lediglich mit einem winzigen Dachfenster ausgestattet und früher als Mansarde genutzt, nunmehr Wohnraum und Küche war. Ein kohlebefeuerter Herd darin bildete die einzige Heizquelle der ganzen Wohnung, welche keinerlei Dachisolierung hatte und daher im Winter von Eiseskälte durchdrungen und in heißen Sommern zum Glutofen wurde. Das also war der Lebensraum der kleinen Familie. Für Paul und seine Geschwister bedeuteten die widrigen Umstände keine große Beeinträchtigung ihres jungen Lebens, während Mutter Anna sehr unter diesen Verhältnissen litt und dies vor ihren Kindern zu verbergen trachtete. Bohlanders sechsunddreißig jähriger Sohn Josef war schwerverletzt als Afrikakämpfer aus dem Krieg zurückgekehrt. Wegen der Verwundung konnte er nicht mehr, wie vor dem Krieg, in einer Gießerei arbeiten. Er war auf Arbeitssuche und noch nicht lange mit der vierzigjährigen Sonja verheiratet, die zuvor von einem Tanzlehrer geschieden worden war, der sich eine Jüngere genommen hatte. Aus dieser ersten Ehe entstammten die beiden Töchter, die zwanzigjährige Zita und die achtjährige Hera. Paul und Hera freundeten sich schnell an und waren fast unzertrennlich.

      So waren sie auch beide in der Nähe, als der alte Bohlander zu Lebzeiten einige seiner Hühner schlachtete. Dazu muss gesagt werden, dass zu dem Wohnhaus ein Anbau mit Plumpsklo, ein Hof und ein Holzschuppen gehörten. Ein Teil des Hofes war mit Pflastersteinen befestigt und ein anderer Teil diente als Hühnergehege; der Holzschuppen war teilweise Hühnerstall und Abstellraum. Diesen Holzschuppen betrachtete Paul als unguten Ort, da er von einigen Wespenvölkern bewohnt wurde, die ihre Nester aus dem alten Holz des Schuppens gebaut hatten. Die Wespen waren äußerst aggressiv und stechfreudig, was Paul zu spüren bekam, als er einmal im Schuppen auftragsgemäß nach einer Schaufel suchte. Alle hatten sie im Haus Angst vor den Wespen und forderten den Alten immer wieder auf, etwas dagegen zu tun. Der wiegelte stets mit den Worten ab: „Wenn ich die ausräuchere, bringe ich den Schuppen in Gefahr. Der brennt mir glatt ab.“ Die Hühner von der Rasse der Friesenhühner, wurden offenbar nicht gestochen, jedoch einmal im Jahr dezimiert, indem drei von ihnen zur Kirmeszeit, hier Kerwe genannt, den Tod auf dem Hackklotz im Hof fanden. Paul und Hera sahen zu, wie der alte Bohlander ein Huhn an den Beinen fasste, es flatternd auf den Klotz bugsierte und schnell mit dem Beil den Kopf abhackte. Dann ließ er das getötete Tier los, worauf es kopflos und blutend eine gewisse Strecke über den Hof flatterte, ehe es zuckend liegenblieb. Ungerührt ergriff der alte Bohlander das nächste Tier und setzte das grausame Schauspiel fort. Währendessen hatte die alte Frau Bohlander einen großen Bottich mit heißem Wasser herangeschafft, in welchen nun die toten Tiere eingetaucht wurden und darin einige Zeit verblieben. Paul empfand den Geruch, welcher diesem Gefäß entstieg, als scheußlich, ihn zu beschreiben, als schwierig. Er nannte ihn den Geruch des Todes. Auch Hera fand das Geschehen widerlich, insbesondere die nachfolgende Prozedur des Federrupfens. Dazu wurde ein Huhn dem Bottich entnommen, im Sitzen zwischen die beschürzten Beine geklemmt und mit der Hand die Federn herausgerissen, ab und zu wieder eingetaucht und erneut an den Federn gezogen, bis schließlich das nackte Huhn ohne Kopf, aber mit den Beinen und Füßen dalag.

      Pauls größter Kummer bestand darin, dass die zehnköpfige Hausgemeinschaft nur eine einzige Toilette zur Verfügung hatte. Dieses Plumpsklo lag außerhalb des Hauses im Anbau und bestand aus einem dicken Brett mit runder Öffnung, welche man mit einem Holzdeckel mit Griff verschließen konnte. Der Abtritt, das heißt das Brett, befand sich über der Jauchegrube, die einmal im Jahr geleert wurde. Die Tür dieser einfachen Toilette ging zum Hof hinaus und bestand aus primitiven, groben Brettern, die durch etliche Lücken eine zugkräftige Belüftung des stillen Ortes zuließ. Das Schlimmste für Paul bestand nun in der Ungewissheit des Besetztseins dieser sanitären Einrichtung. Da der Weg von der Dachwohnung über die steile Treppe nach unten und danach über den Hof bis zu diesem Häuschen, bei Blockierung durch einen der Hausbewohner, wieder zurück, bei der notwendigen Wiederholung also viermal gegangen werden musste, wenn man Pech hatte sogar sechsmal, beschäftigte Paul sich, ohne, dass es ihm bewusst wurde, mit dem Problem der Wahrscheinlichkeiten. Er löste diese Aufgabe, indem er vor dem ersten Gang ganz oft vor sich hersagte: „Es ist nicht besetzt, es ist nicht besetzt, es ……“ Es funktionierte verblüffend oft. Negative Höhepunkte des Toilettengangs bildeten die Winternächte, in welchen Paul nur mit Nachthemd bekleidet über den eiskalten Hof eilte, um danach in dem Häuschen von unten aus der Grube und von vorne durch die Ritzen der Tür eisig angehaucht zu werden.

      Hera und Paul waren oft auf den Wiesen unterwegs, wo sie allerlei Kleingetier fingen und es zum Entsetzen beider Eltern nach Hause brachten. Sehr beliebt waren Heuschrecken, die man zum Weitsprung und so zu Wettkämpfen animieren konnte. Später, als Hera etwas älter wurde, spielten sie zusammen oft in der Küche bei Mutter Anna mit den Soldatenfiguren, welchen sich später noch Indianerfiguren hinzugesellten, beschäftigten sich mit dem Basteln von kleinen Schiffen, mit dem Bau von Häusern aus Papier und vielem anderen, wobei Paul meist die Ideen beisteuerte. Als Hera zehn wurde, war zu bemerken, dass sie in diesem Alter bereits Anzeichen von großen Brüsten zeigte. Dies konnte man leicht feststellen, da Hera darauf beharrte, in der samstäglichen Badewanne, die Mutter Anna in der Küche mit heißem Wasser für ihre Kinder befüllte, ebenfalls mit Platz zu nehmen. Es war ein vergnügtes, unschuldiges Plantschen und Toben der nackten Kinder. Heras Körperbau war schlank, so dass die erwähnten Anzeichen

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