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sollte. Die erste Rolle dabei war diesmal Tetzel zugedacht, der denn auch am 20. Januar vor den etwa dreihundert Patres über 106 Thesen disputierte, die ihm, wie es damals meist geschah, ein Professor der Ortsuniversität, der Dr. Konrad Koch genannt Wimpina, gemacht hatte. Sie richteten sich selbstverständlich alle gegen die 95 Thesen Luthers. Bei dieser Demonstration zugunsten des zu den anerkannten Größen der sächsischen Provinz gehörenden Bruders Tetzel ließ man es aber in Frankfurt nicht bewenden. Man erörterte vielmehr auch sehr eingehend die Frage, wie man den unverschämten Wittenberger Ketzer zur Strecke bringen könne, und da man von dem Vorgehen des Mainzer Erzbischofs nichts wusste, so beschloss man endlich, Luther in aller Form wegen Verdachtes der Ketzerei in Rom zu denunzieren. Diese Denunziation wog viel schwerer als die Denunziation des Mainzer Erzbischofs. Denn der bloße Verdacht der Ketzerei genügte schon, um gegen jemanden das kanonische Verfahren wegen Ketzerei einzuleiten, insbesondere aber, wenn diese Denunziation von den sächsischen Dominikanern ausging, denn der nächste Vertraute des Kardinals Medici, Nikolaus von Schönberg, war ein Sachse und Dominikaner. Auch der einflussreichste Theologe der Kurie, der Kardinal Cajetan, war ein Mitglied dieses Ordens, und da er zur Zeit das Generalat bekleidete, besonders interessiert und verpflichtet, jede Verunglimpfung desselben abzuwehren. Wie und wann diese zweite Denunziation nach Rom gelangt ist, wissen wir nicht. Fest steht nur, dass die sächsischen Dominikaner jetzt schon frohlockend auf der Kanzel verkündeten, Luther werde in vierzehn Tagen oder vier Wochen auf dem Scheiterhaufen enden. Auch die Universität Wittenberg suchten sie auf alle Weise in Verruf zu bringen, und selbst Kurfürst Friedrich ließen sie nicht ungeschoren. lm März wagte dann Tetzel einen neuen Vorstoß, indem er von Halle aus einen Buchführer mit Hunderten von Exemplaren seiner Frankfurter Thesen nach Wittenberg schickte, um dort unter der Hand gegen Luther zu wühlen. Die Studenten nahmen aber dem unglücklichen Menschen, als er am 17. März nach Wittenberg kam, seinen ganzen Kram weg und veranstalteten schließlich nachmittags 2 Uhr ein possenhaftes Autodafé, bei dem sie etwa achthundert Exemplare der Schrift dem Feuer überantworteten. Luther war über diesen törichten Streich sehr empört. Er urteilte mit Recht, dass seine Lage dadurch noch gefährlicher geworden sei. Spalatin hatte aber inzwischen schon diese Gefahr und den Schaden, den die Universität durch jede Kränkung der Anhänger „der soliden Theologie“ erleiden werde, dem Kurfürsten so eindringlich vorzustellen gewusst, dass derselbe in eben jenen Tagen Luther und Karlstadt förmlich in seinen Schutz nahm. Trotzdem sah Spalatin es aber sehr ungern, dass Luther jetzt gerade für etliche Wochen Wittenberg verlassen sollte, um an dem Kapitel seiner Kongregation zu Heidelberg teilzunehmen. Wie leicht konnte er unterwegs von den feindlichen Dominikanern aufgehoben und dann auf irgendeine Weise nach Rom geschleppt werden! Spalatin veranlasste daher den Kurfürsten, Staupitz anzuweisen: Luther in Heidelberg ja nicht zu verziehen noch aufzuhalten, sondern ihn so schnell als möglich wieder nach Wittenberg zurückzuschicken, und ließ ihm außerdem eine ganze Anzahl besonders köstlicher Kredenzen (Empfehlungsbriefe) an die kurfürstlichen Beamten und die Fürsten, deren Gebiet er bei der Reise nach Heidelberg passieren musste, mit auf den Weg geben.

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      Die Heidelberger Disputation – Abschied von dem alten Erfurt

      Am 11.April 1518 verließ Luther, wie es die Regel befahl, mit dem Bruder Leonhard Beier als Socius itinerarius Wittenberg. Die Reise ging zunächst über Bitterfeld nach Leipzig und von dort dann über Weißenfels, Saalfeld, Gräfenthal, Judenbach nach Koburg. Hier langten die Wanderer am Abend des 15. April sehr müde an. Noch am selben Abend teilte Luther Spalatin zu dessen großer Befriedigung mit, dass ihn unterwegs niemand behelligt habe. Nur in Weißenfels habe der Ortspfarrer, ein Wittenberger Magister, ihn erkannt und freundlich bewirtet. In Judenbach sei er zufällig dem kurfürstlichen Rat Degenhard Pfeffinger begegnet und habe ihn veranlasst, nicht nur für ihn, sondern auch für seine beiden Begleiter das Mittagessen im Betrage von zehn Groschen zu bezahlen. „Du weißt ja“, fügt er hinzu, „dass ich solche reiche Leute, besonders, wenn sie mir freundlich gesinnt sind, gern ärmer mache. Auch hier soll der Kastner des Kurfürsten, den ich noch nicht gesehen habe, weil er auf die Feste gegangen ist, unbedingt für uns zahlen. Ich habe die Sünde, zu Fuß gegangen zu sein, vollkommen gebüßt und bedarf daher für sie keines Ablasses. Nirgends fanden wir einen Wagen, der uns hätte mitnehmen können. Und so muss ich ununterbrochen weiter contritio, poenitentia, satisfactio (Buße) leisten.“ Am Sonntag Misericordias Domini (18. April) erreichte er endlich, wie er schreibt, Würzburg und gab dort noch am Abend seinen Kredenzbrief bei dem Fürstbischof Lorenz ab. Der Fürst lud ihn alsbald zu sich auf sein hoch über der Stadt thronendes Schloss Marienburg und fand solches Gefallen an ihm, dass er kurz vor seinem Tode (Februar 1519) an den Kurfürsten schrieb, er möge den frommen Mann Dr. Martinus ja nicht wegkommen lassen, da demselben Unrecht geschehe. Er versprach, ihn auch sogleich auf seine Kosten nach Heidelberg weitergeleiten zu lassen. Aber Luther lehnte dies Anerbieten dankend ab. Er hatte im Augustinerkloster, in dem er abgestiegen war, mehrere Ordensbrüder, darunter Johann Lang aus Erfurt, getroffen, mit denen er die Reise zu Wagen fortsetzen konnte.

      Am 21. oder 22. April langte er wohlbehalten im Augustinerkloster zu Heidelberg an, und kurz danach, am 25., ward daselbst statutengemäß von Staupitz das Kapitel der Kongregation eröffnet. Wie Staupitz den „Lutherschen Lärm“ beurteilte, zeigt zur Genüge die Tatsache, dass er Luther den ehrenvollen Auftrag erteilt hatte, mit dem Wittenberger Bruder Leonhard Beier als Respondenten in dem großen Saale des Klosters die übliche öffentliche Disputation zu halten und die dazu nötigen Thesen zu liefern. Von dem Ablass ist in diesen Thesen nirgends die Rede. Auch seine neue Anschauung von der Buße berührt Luther darin mit keinem Worte. Sie handeln nur von Erbsünde, Sünde, Gnade, freiem Willen und Glauben, insbesondere aber von der Unfähigkeit des Menschen, aus eigener Vernunft und Kraft das Gute zu wollen. Sie richten sich also, wie die 97 Thesen vom 4. September 1517, vor allem gegen die Ockhamisten, die in der Korona nicht bloß sehr zahlreich, sondern auch rechtlich stattlich vertreten waren. Von den Erfurtern war z. B. sein alter Lehrer Usingen, der 1512 ins dortige Schwarze Kloster eingetreten war, erschienen. Um die Ockhamisten herauszufordern, hatte er auch zwölf philosophische Thesen aufgestellt, in denen er sich speziell gegen die Metaphysik des Aristoteles wandte und Pythagoras, Anaxagoras, Parmenides und vor allem Plato gegen Aristoteles ausspielte. Er empfand sonach damals anscheinend das Bedürfnis, in der Metaphysik ganz von Aristoteles loszukommen. Aber er hat diese Studien später nicht fortgesetzt, sondern es bei diesem einen Versuch bewenden lassen. Die Heidelberger Professoren der Theologie, die sich an der Disputation beteiligten, behandelten ihn, obgleich sie mit seinen Lehren nicht einverstanden waren, freundlich und achtungsvoll. Nur der fünfte und jüngste, Georg Schwarz aus Löwenstein, konnte seinen Unmut nicht verbergen, erregte indessen bloß allgemeines Gelächter, als er einmal zornig ausrief: „Wenn das die Bauern hörten, würden sie Euch steinigen.“ Die jugendlichen Zuhörer aber waren von dem fremden sächsischen Professor geradezu begeistert.

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       https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Bucer

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       Martin Bucer, Stich von Balthasar Jenichen

       Martin Bucer (* 11. November 1491 in Schlettstadt; † 1. März 1551 in Cambridge; auch Martin Butzer oder Butscher) gehört zu den bedeutenden Theologen der Reformation und gilt als der Reformator Straßburgs und des Elsass.

       Bucer trat mit fünfzehn Jahren als Mönch dem Dominikanerorden bei und immatrikulierte sich 1517 an der Universität Heidelberg. Hier kam es bei der Heidelberger Disputation 1518 zu einer folgenreichen Begegnung mit Martin Luther. Bucer wandte sich der protestantischen Theologie zu und wurde 1521 auf eigenen Wunsch aus dem Dominikanerorden entlassen. Ab Mai 1521 arbeitete er für Pfalzgraf Friedrich II. als Hofkaplan und erhielt 1522 durch Franz von Sickingen eine Pfarrstelle in Landstuhl. Hier heiratete er die ehemalige Nonne Elisabeth Silbereisen und zog mit ihr nach Weißenburg im Elsass. Dort unterstützte er den dortigen Pfarrer Heinrich Moterer bei der Einführung der Reformation und wurde deswegen vom Speyrer Bischof Georg exkommuniziert. 1523 wurde er vom Papst Hadrian VI. gebannt und suchte als Vogelfreier erfolgreich Asyl

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