rum und treibt sich mehr in der Welt herum als an ihrem Studienplatz. Das wusste ihr Vater aber nicht, George hat es uns verraten. Meist hatten wir mit ihm zu tun und seinem Vater. Hamilton Senior war ein typischer Selfmade Man. Er strahlte Autorität aus. Alles musste nach seiner Nase gehen. Leonore lernten wir auch kennen. Rieke bekamen wir nie zu Gesicht, da sie im Ausland ist. Wir agierten in der Firma und in der Villa, da hatte Hamilton sein privates Büro. Also die Villa, die ist geil, aber du warst ja selber drin.“ „Die Firma ist liquide?“, fragte Schwenk plötzlich. Julius runzelte die Brauen. „Millionenumsätze. Sie haben sich in all den Jahrzehnten ein Vermögen erwirtschaftet. Wurde was gestohlen?“ Schwenk schüttelte den Kopf. „Der Mörder war direkt nach den Schüssen weg. Aber Leonore Hamilton kontrolliert alles durch, auch den Tresor, ihre Pelzmäntel im Kleiderschrank und ihre Schmuckschatullen. George, ihr Sohn, ist noch in Nürnberg.“ Miriam erinnerte sich. „In der Düsseldorfer Fabrikation werden die Prototypen entwickelt und hergestellt. Von dort aus gehen die Aufträge in die anderen Werke, auch nach Asien. Dort werden sie zu Billigpreisen gefertigt. Der weltweite Absatz ist unglaublich. Bei den Bilanzen schlackern einem die Ohren.“ „Haben die Hamiltons da die Weihnachtsmärkte nötig?“, fragte Schwenk. Miriam lächelte nachsichtig. „Abgesehen von einer gewissen Sentimentalität geht es auf den Märkten um das direkte Schwätzchen mit den Kunden, um ihre Interessen zu erfahren, neue Trends aufzuspüren und bei der Konkurrenz zu spionieren. Man darf die Einnahmen dort nicht unterschätzen. Für jeden Marktstand sind Unmengen an Waren nötig.“ Julius klopfte mit den Fingern auf den Tisch. „Dieter, was ist mit der Tatwaffe?“ Schwenk verzog die Lippen. „Eine Beretta! Wir schätzen, illegal besorgt.“ Columbo schob seinen Kopf auf Julius rechtes Knie und schielte zum Schokoladenkuchen. Julius kraulte sein weiches Fell. „Und die Tatwaffe ist ebenso verschwunden wie der Mörder?“ „Ja, vom Täter weit und breit keine Spur. Er hat sich bestimmt irgendwo schnell umgezogen, hinter Büschen, in einer Mauernische, weiß der Geier wo, und dann sein Fahrrad in ein Auto umgeladen. Da es heute nur geplästert hat, sind seine Spuren schnell verwischt, auch wenn sich unsere Spurensucher den Arsch aufreißen.“ Miriam seufzte. „Kalendarisch ist erst zwei Tage vor Weihnachten Winteranfang, in knapp zwei Wochen. Aber an der Kälte merkt man, der Winter graut schon. Und wenn es jetzt noch schneit, könnt ihr am Tatort Schnee schaufeln.“ „Verdammt!“ Schwenk lud sich ein zweites Stück Torte auf den Teller. „Und ich komme wieder nicht zum Essen.“ „White Christmas!“, sagte Miriam und patschte ihm einen dicken Löffel Sahne auf seine Torte.
3. George
George Hamilton hatte die Nachricht vom Tod seines Vaters erst am Abend erhalten. Seine Mutter hatte wie unter Drogen gesprochen. „Ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Ich verbiete dir, bei diesem fürchterlichen Regen und mitten in der Nacht über die Autobahnen zu rasen.“ „Aber du kannst jetzt nicht alleine in unserer Villa bleiben, dort wo alles passiert ist!“, hatte George geantwortet. „Und die Rosados sind in Urlaub.“ „Keine Sorge!“, hatte Leonore erwidert. „Unsere Villa ist voll mit Kripobeamten. Ich bin sehr gut beschützt. Sie haben mich schon verhört, wegen dem Alibi und so. Aber Doktor Schatz ist gekommen, er hat ihnen weitere Befragungen verboten und mir starke Schlaftabletten mitgebracht. Vor morgen Mittag bin ich nicht ansprechbar. Wenn du in der Frühe losfährst, reicht es.“ Danach hatte George eine Mail mit den Neuigkeiten an seine Schwester nach Argentinien geschickt, sie solle sich in den nächsten Flieger werfen. Er war nicht sicher, ob die Mail Rieke erreicht hatte, es kam keine Antwort. Ansonsten gab es nichts zu tun. George saß wie auf glühenden Kohlen. Draußen prasselte der Regen wie im Trommelwirbel gegen die Fenster. Endlich, es war schon weit nach Mitternacht, hörte er den Schlüssel im Schloss. Er hastete zur Tür. Liane schälte sich aus ihrem dicken Lammfellmantel und zog sich die bunte Wollmütze vom Kopf. Ihr langes brünettes Haar glitt über ihre Schultern. Sie strahlte George an, aber als sie sein ernstes Gesicht sah, verfinsterte sich ihre Miene. „Bei dem Wetter hättest du in Paris bleiben sollen“, sagte George. „Die schleschte Wetter begann erst in Metz, isch wollte schnell zu dir zurück.“ Er nahm sie in die Arme und sog ihr Parfüm ein, eine Mischung aus Jasmin und Orange. „Es ist etwas Schreckliches passiert.“ George holte tief Luft und berichtete von dem Mord an seinem Vater. Liane riss fassungslos die Augen auf. „Und sie haben diese Täter noch nischt? Wer kann getan haben?“ George zuckte mit den Achseln. „Ein Raubüberfall? Morgen werde ich in Düsseldorf mehr erfahren.“ „Dann du musst jetzt in die Bett.“ George nickte und fügte sich ihren Anordnungen. Sie gingen nach oben zu den Schlafräumen. Seit Jahrzehnten gehörte die Wohnung in Nürnberg den Hamiltons. Das war praktisch, wenn sie regelmäßig die Produktion im Nürnberger Werk überprüften und gerade jetzt, um die Weihnachtsmärkte zu bestücken. George konnte sich kaum noch an die alten 70er Jahre-Tapeten erinnern, zwischen denen seine Großmutter gelebt hatte. Die Gemäuer sahen zahlreiche Renovierungen. Im letzten Jahr hatten sie den Dachboden dazu gekauft. George setzte seine Ideen um, eine Modernisierung über zwei Etagen, mit offener Küche, zwei stylischen Wohninseln und einem großen Büroraum für ihn und seinen Vater. Die neuen drei Schlafzimmer lagen nun auf dem Dachboden. George hatte gegen seinen Vater aufbegehren müssen, der mit Sentimentalität an den alten Räumen seiner längst verstorbenen Mutter hing. Der Senior sträubte sich gegen die massiven Veränderungen, Wände einreissen, neue Böden, aber George setzte sich durch. Wäre es Henriekes Idee gewesen, der Alte hätte seinem Liebling zur Belohnung einen Sportwagen geschenkt. George seufzte, und er musste um jedes bisschen Anerkennung kämpfen. Er verbesserte sich in Gedanken, ... hatte kämpfen müssen. Das war nun für immer vorbei. Er ließ sich auf das weiche Kissen fallen und bemerkte die Bleischwere in seinen Gliedern. Vielleicht hatten ihn die letzten Tage mit den Weihnachtsmärkten so erschöpft und Lianes Anwesenheit, die sie weiß Gott nicht mit philosophischen Gesprächen vergeudeten. Er fühlte ihren nackten Körper neben sich. Er wollte noch etwas mit ihr besprechen, aber ihm fielen direkt die Augen zu.
Er schlief wie ein Stein und wachte erst am Morgen auf. Er richtete sich benommen im Bett auf und betrachtete Lianes nackte Schultern, ihre helle Haut und ihre brünetten Locken, die sich wie Jugendstilornamente um ihr ovales Gesicht schmiegten. Als er sie vor einem halben Jahr kennen lernte, gab sie sich wie eine Mimose. Er hatte schwer und viele Wochen baggern müssen, damit sie ihn erhörte. Aber gerade das hatte ihn gereizt, sie zu erobern.
Er blickte durch die halb geöffneten Vorhänge. Hinter der gläsernen Scheibe quälte sich eine fahle Sonne durch den diesigen Morgen, aber der starke Regen hatte endlich nachgelassen. Es nieselte nur noch leicht. George griff nach seinen Boxershorts. Liane räkelte sich schlaftrunken.
George hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Liebling. Ich muss jetzt los, meine Mutter braucht mich. Ich melde mich, wenn ich die wichtigsten Dinge erledigt habe.“
Liane küsste ihn auf die Lippen. „Vergiss misch bis dahin nischt, Chéri.“
„Wie könnte ich dich je vergessen. Du bist das Beste, was mir in der letzten Zeit passiert ist.“
„Soll isch disch nach Düsseldorf begleiten, zu deine Maman?“
„Oh nein, Liane. Im Moment geht dort sicher alles drunter und drüber. Ich muss erst die Lage sondieren. Später vielleicht.“
„Ja“, hauchte sie.
George hatte ihr erst nach und nach mehr von seiner Familie erzählt. Liane schien zwar neugierig auf seine Verwandten, aber sie hatten beschlossen, ihre Verbindung noch eine gewisse Zeit vor ihnen geheim zu halten, sie vertrösteten sich auf den geeigneten Moment. Doch für eine Gegenleistung würde George diese Abmachung brechen. Aber er musste seine Worte unverfänglich wählen. George verschwand im Bad.
Danach wählte er aus dem Schrank einen konservativen, anthrazitfarbenen Anzug aus. Das machte einen guten Eindruck bei Behörden. Er band sich eine dunkle Krawatte um und schlüpfte in die Anzugjacke. Er blickte aus dem Dachfenster auf die regennassen Straßen Nürnbergs. Am Himmel hingen dunkle schwere Wolken. Es sah nicht nach weiterem Regen aus, eher nach Schnee. Er musste sich beeilen, wenn er nicht über eisglatte Autobahnen rasen wollte.
Liane war gerade aufgestanden und machte an der Wand wie jeden Morgen ihre Ballettübungen, sie spreizte die langen Beine zu einer Raute und streckte dann ein Bein hoch bis zu ihrem ausgestreckten Arm. Sie trug nur einen
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