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sind zunächst mal völlig unvoreingenommen, neugierig, wissbegierig, offenherzig und urteilsfrei. Sie werden jedoch schon recht früh eines Besseren belehrt, wie zu Beginn des Buches bereits beschrieben.

      Bald schon fangen auch die Kinder an zu urteilen und vor allem zu verurteilen. Häufig verurteilen sie sich selbst, da sie merken, sie bekommen nur positive Zuwendung, wenn sie sich so verhalten, wie man es von ihnen erwartet.

      Zum Beispiel der Satz „sei immer schön fleißig“. Man kann nicht immer fleißig sein, es ist auch nicht gut, denn das Leben will immer Ausgleich.

      Und vor allem muss Zeit für Besinnung da sein.

      Hört das Kind den Satz „sei immer fleißig“ jedoch oft genug, wird es einen Mechanismus entwickeln, der seinen natürlichen Drang, auch mal nichts zu tun und zu genießen, unterdrückt.

      Doch dieses Unterdrücken kostet Kraft und tut weh, weil das Kind lernt, du bist nicht gut, irgendetwas stimmt mit dir nicht.

      Dieses Muster ist auch noch im Erwachsenen enthalten. Da sind wir wieder bei dem „unnützen Sauerstoffverbraucher“.

      Sagt diesem Erwachsenen nun jemand so etwas wie, die Arbeit könnte längst fertig sein, trifft er damit genau die Wunde, die seit der Kindheit da ist. Dem Getroffenen ist sofort klar, dieser „unnütze Sauerstoffverbraucher“ hat ihn verletzt.

      Nein, hat er nicht!

      Er selbst hat sich schon vor sehr langer Zeit verletzt, indem er sich sagte, du bist nicht gut, du bist nicht fleißig genug. Der gegenüber hat nur kurz den Finger in die Wunde gelegt.

      Genau genommen hat er den Finger in die Wunde des kleinen Kindes in dem Erwachsenen gelegt, und dieses kleine Kind antwortet auch.

      Es sind die Gefühle des kleinen Kindes in uns, die antworten und reagieren.

      Wir müssen lernen, in uns zu horchen und zu fragen, was uns das Kind in uns mitteilen möchte.

      Es ist vor langer, langer Zeit verletzt worden. Es war damals machtlos dagegen, doch wir müssen verstehen, dass wir nun erwachsen sind und selbst und neu entscheiden können.

      Um das zu verstehen, muss das Kind in uns jedoch erst einmal das Gefühl haben, dass man ihm zuhört.

      Indem wir verstehen, was das Kind wütend, traurig oder ängstlich gemacht hat, verstehen wir die daraus entstandenen Verhaltensmuster in unserem Leben.

      Erst ab da sind wir frei und wirklich erwachsen.

      Bis hierhin sind wir quasi wie leere Hüllen scheinbar erwachsener Menschen, in denen kleine Kinder hocken.

      Lass dein Kind wachsen, nimm es mit, wachse in deine Silhouette hinein.

      Hierzu empfehle ich dir, Folgendes zu tun.

      Such dir einen ruhigen Ort, an dem du sicher nicht gestört wirst, und nimm dir mindestens eine halbe Stunde Zeit.

      Du kannst dich hinlegen oder setzen, so wie es dir am liebsten ist.

      Nun schließt du die Augen und atmest ruhig ein und aus.

      Stelle dir jetzt vor, wie du eine kleine Feder mit jedem Atemzug hin und her bewegst. Mit jedem Einatmen nimmst du die Feder in dich auf und atmest sie wieder aus. Mit jedem Atemzug sinkt die Feder tiefer. Zunächst nur bis in den Hals, dann bis zur Brustmitte, dann bis zum Bauchnabel und dann bis ganz unten. In deinem Beckenboden bleibt die Feder liegen.

      Nun bist du ganz bei dir.

      Nun rufe in Gedanken dein inneres Kind. Warte, egal wie lange es dauert, es wird vor deinem geistigen Auge erscheinen.

      Sieh es dir nun genau an.

      Welches Gefühl hat es?

      Lass dieses Gefühl, was du verdrängt hast, nun zu. Du bist nun erwachsen und nicht mehr schutzlos ausgeliefert. Du entscheidest nun für dich und entscheidest selbst, wer dich verletzt.

      Nun frage das Kind, was es dir sagen möchte, höre ihm genau zu, egal ob es weint, schreit, um sich schlägt, aufstampft oder vor Angst zittert. Hör dir an, was es zu sagen hat.

      Dann nimmst du dieses Kind in den Arm, so als wäre es dein Kind und du seine Mutter oder sein Vater. Sei so zu ihm, wie du es dir damals als Kind in dieser Situation von deinen Eltern gewünscht hättest. Auch wenn du aus irgendeinem Grund nur einen Elternteil hattest oder vielleicht sogar im Heim aufgewachsen bist.

      Halte das kleine Kind fest an deine Brust gedrückt, gib ihm Geborgenheit, bis es sich beruhigt.

      Dann sagst du ihm, dass es genauso, wie es ist, perfekt ist, dass du es bedingungslos liebst und dass du ihm dankbar bist, weil du weißt, dass es sich nur so verhält, weil es dein Überleben sichern will.

      Verweilt so, bis du ein warmes, liebevolles Gefühl im Herzen verspürst.

      Nun stelle dir vor, wie ihr beide, du als Erwachsener und als Kind, in einem silbernen Regenschauer wieder zu einem verschmelzt.

       Immer, wenn du wieder auf einen „unnützen Sauerstoffverbraucher“ triffst, und er dich auf eine Wunde in dir aufmerksam macht, sei ihm dankbar und nimm dir so schnell es geht wieder Zeit, um mit deinem inneren Kind Kontakt aufzunehmen, denn es wird schon eine Weile dauern, bis alle Wunden verheilt sind.

      Zurück zum Herzen

      Wie gesagt, es wird wohl eine Weile dauern, bis alle Wunden geheilt sind, doch wenn du lernst, wieder auf dein inneres Kind zu hören, wirst du schneller zum Ziel kommen.

      Wir kommen als Herzmenschen an, denn das Geistwesen in uns ist voller Liebe und kennt nur Liebe und Barmherzigkeit, und werden dann zunächst einmal irgendwie zu Kopfmenschen.

      Das Ziel ist es, trotz unseres Verstandes und mit allen Erfahrungen, die wir gemacht haben, wieder zum Herzmenschen zu werden.

       Denn wie ich schon sagte, wir sind anfangs wie ein scheinbar unbeschriebenes Blatt, aber tatsächlich steht alles mit unsichtbarer Tinte geschrieben da.

      Und je mehr wir auf dieses Blatt mit sichtbarer Tinte schreiben, was nicht dem entspricht, was ursprünglich dort steht, desto mehr Reibung wird quasi erzeugt. Es passt einfach nicht zusammen, so als würde man ein Haus auf ein Fundament bauen, was nicht zu ihm passt. Zunächst führt es zu Rissen und am Ende stürzt das Haus ein.

       Nun wird der eine oder andere vielleicht sagen, hört sich ja gut an, aber wie hört man sein Herz? Und was ist die Stimme des Herzens überhaupt?

      Die Stimme des Herzens ist die Stimme deiner Seele, also des Geistwesens, welches du eigentlich bist. Die Seele weiß durch den Eintritt in den Körper zwar auch nicht mehr bewusst, wer sie ist, und wie alles zusammenhängt, aber sie weiß es unbewusst, indem sie fühlt, ob sich etwas gut oder schlecht anfühlt.

      Dein Verstand weiß also nur, was du im Laufe dieses Lebens gelernt hast, und das ist absolut subjektiv. Wenn vier Leute um ein Haus stehen, jeder auf einer anderen Seite, und das Haus auf jeder Seite eine andere Farbe hat, wird jeder das Haus aus seiner Sicht beschreiben. Und jeder der vier hat dabei Recht, obwohl jeder eine andere Farbe nennt. Genauso wie die Denk- und Sichtweise verschiedener Kulturkreise auch nicht unbedingt übereinstimmend sind, jedoch aus ihrer Sicht heraus, für jede Kultur die Wahrheit.

       Hierzu nochmals eine kleine Geschichte aus „Die Kuh, die weinte“ von Ajahn Brahm, die sinngemäß so geht.

       Ein weiser König hatte es satt, dass seine Minister niemals zu einer Einigung kamen, da jeder von ihnen überzeugt war, dass es nur eine richtige Meinung gibt, und zwar seine eigene.

      Um sie vorzuführen, organisierte der König ein großes Fest, zu dem das gesamte Volk geladen war. In der ersten Reihe saßen selbstverständlich und selbstgerecht die Minister.

      Als Höhepunkt des Festes ließ der König seinen Lieblingselefanten in die Arena führen. Zusätzlich führte man sieben Männer in die Arena, über die jeder wusste, dass sie seit ihrer Geburt blind waren.

      Nun ging der König höchstpersönlich zu dem ersten Blinden, führte ihn zu dem Elefanten, nahm seine Hand und legte diese auf den Rüssel des Elefanten. Dann sagte er ihm, dass dies ein Elefant ist.

      Die

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