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oder bekommst Schimmelpilze. Dich kann ich doch nirgends mitnehmen!‘

      Er lief schneller, blieb auf einmal stehen, presste seine Handflächen gegen seine Ohren. Ich will diese Stimme nicht mehr hören, weg mit dir, n i e m e h r! Er war nunmehr, in unmittelbarer Nähe des Rheins, vor einem kleinen Boot angelangt, das unweit eines Spazierweges auf eine kleine freie Fläche postiert worden war. Er blieb stehen und schaute dumpf auf den Strom. Wie still es hier ist... Er trat näher und sah zu dem Boot, lauschte: Kein Laut…Oder doch? Was ist das für eine Stimme…, woher kommt sie: N e i n, b i t t e n i c h t! W a s t u n S i e? W e r s i n d S i e? L a s s e n S i e m i c h l o s! Und dann ein langer, heller, bald gedämpfter und zum Ersticken gebrachter Schrei…Hörte er da nicht ein Geräusch, wie von einem Gewicht, das auf den Boden aufschlug? Er trat entsetzt zurück. Was war das eben? Er sah sich um, lauschte: Kein Mensch weit und breit. Er atmete schwer.

      2. Kapitel

       Eine Woche danach

      Kommissar-außer-Dienst Rehles blickte zufrieden in die Weite und begleitete dies mit einer entsprechenden Geste.

      „Immer wieder schön, der Weihnachtsmarkt.“

      Oksana hing an seinem Arm und seinen Lippen. Er deutete auf die herrliche Beleuchtung am Stadthaus, an der Alten Münze, dann hin zu Verkaufsständen und leuchtenden Girlanden, die der Stadt um diese Jahreszeit ein ganz besonderes Flair verliehen. Wer ihn sah, wie er seiner Frau mit stolzem Blick die Schönheit des vorweihnachtlichen Speyer zeigte, hätte fast auf den Gedanken kommen können, Rehles habe das Ganze mit aufgebaut. Sicher, Lemberg, die Heimatstadt meiner Frau, ist eine faszinierende Stadt. Aber Speyer kann sehr gut mithalten. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Oksana hielt sich an ihm fest. Ihr elegantes Schuhwerk war nicht auf der Höhe der kalten Jahreszeit.

      „Magst du einen Glühwein?“

      In Gedanken zückte er schon lässig sein gut gefülltes Portemonnaie.

      „Trinken wir beide eine Glühwein und nachher musst du mir nach Hause tragen.“

      Er schüttelte kennerhaft den Kopf.

      „Nein, nein. So stark ist der nicht. Nicht wie euer Vodka.“

      Er biss sich auf die Lippen. Das hätte ich besser nicht gesagt…Die Erinnerung stieg in ihm auf: Jener erste Abend bei Oksanas Eltern in Lemberg, oder Lviv, wie sie dort sagten…Erst die Schwierigkeiten bei der Verständigung und dann seine Hingabe an ein Ritual, das dort bei bestimmten Anlässen einfach dazu gehörte: Vodka…Dabei nahm er doch sonst immer nur in vertretbaren Mengen sein Bitburger zu sich. Dieser Vodka war Neuland für ihn und stärker als erwartet. Er räusperte sich, während er versuchte, peinliche Vorkommnisse von damals aus seinem Gedächtnis zu tilgen. Oksana neckte ihn: „Kann ich mir noch gut erinnern, wie du unsere Vodka probiert hast. Weißt du noch, wie heißt bei uns? Horilka! Schon stärker als deine Bier. Damals noch ein Glas mehr und kannst du auf Ukrainisch singen.“ Er lachte etwas gequält, zog sie weiter, bahnte sich einen Weg – „Danke, geht schon“ – wich hier aus, drängelte dort, bis sie endlich vor einem Glühweinhäuschen standen. Im Handumdrehen hielten sie ein Glas Glühwein in der Hand, stießen an.

      „Autsch, gut warm.“

      Oksana lachte vergnügt.

      „Musst du langsam machen, so wie Katze.“

      Sie machte es ihm vor. Er blickte verdrießlich. So wie Katze? Nein, nichts für mich, da warte ich lieber. Er blies über den heißen Wein, während Oksana wohlige Laute von sich gab. Fehlt nur noch, dass sie anfängt zu schnurren…Seine Stimmung wurde wieder besser.

      „Ha!“ rief er auf einmal aus.

      „Was hast du?“

      „Da vorne…, die Schneebel!“

      „Wer?“ „Sandra Schneebel, bisher unsere Auszubildende. Wird übernommen.“ „Ach so.“ Sie sah in die Richtung, in die sein Finger zielsicher deutete. Unweit von ihnen stand eine junge Frau mit schwarzem, lockigem Haar, die ihnen halb den Rücken zudrehte. Sie unterhielt sich lebhaft mit einer anderen jungen Frau. „Willst du hingehen und ihr begrüßen?“ „Sie begrüßen.“ „Am Ende gefällt dir noch und machst ihr schöne Augen!“ Rehles wusste nicht genau, ob sie es nun ernst meinte. Er nahm vorsichtig einen Schluck Glühwein, schüttelte den Kopf: „Keine Sorge, ich glaube, da gibt es andere, die ihr hinterher sehen...“ „Ach, ja?“

      „Wa…“, er hielt gerade noch rechtzeitig inne.

      „Wie?“

      „Wa…s ich gerade sagen wollte: Der Puhrmann hat, glaube ich, ein Auge auf sie.“

      Von Wagner sage ich besser nichts. Wo er doch so oft bei ihr im Eiscafé vorbeischaut. Ist schließlich mein Chef. Nur nichts anbrennen lassen.

      „Ah, du meinst eure, wie sagt man, oberste…?“

      „Hauptkommissar.“

      Sie kniff ein Auge zu.

      „Hat ein Auge auf sie? Na, wenn nur ein Auge ist…“ In diesem Moment drehte Sandra Schneebel sich um. Sie erkannte Rehles, stieß ihre Freundin an und beide kamen näher. Der Kommissar fuhr eine Hand aus. „Oksana, das ist Sandra Schneebel. Oksana, meine Frau.“ Nun kreuzten sich Arme und Hände. Oksana nahm Sandra heimlich ins Visier: Ist sie sehr hübsch…Kein Wunder, dass diese Puhrmann oder wie heißt, um sie herum schleicht wie um Brei. Wagner arbeitet auch mit diese Sandra. Bestimmt gefällt sie ihm auch. Kommt er vielleicht deswegen nicht mehr so oft in Eiscafé? Hm. Ihr Mann trat von einem Fuß auf den anderen. Was nun? Den Damen einen Glühwein spendieren? Geht ganz schön ins Geld. „Einen Glühwein, die Damen?“ Bevor sie noch protestieren konnten, bestellte er. Sandra war vergnügt: „Noch änner? Oh, wei!“ Dann dankten beide. Er trank zügig aus und erhob erneut die Hand. „Für uns dann auch noch einen, bitte.“ Oksanas Protest kam zu spät. „Musst du mir nachher nach Hause tragen, quer durch Stadt. Kann ich sowie schlecht laufen, mit diese Schuhe.“ Sandra Schneebel probierte den Glühwein. „Huu, der iss noch heiß!“ Nun war wieder einmal die Erfahrung eines Mannes gefragt, der mit beiden Beinen fest im Leben stand. „Am besten, man trinkt ganz vorsichtig, so wie eine Katze.“ Sandra und ihre Freundin lachten fröhlich. Oksana dachte, sie höre nicht richtig. Sie sah ihren Mann aus den Augenwinkeln an und setzte für einen Moment einen Schmollmund auf.

      3. Kapitel

      Am nächsten Morgen verließ Oberkommissar Wagner Schramm’s Kaffeerösterei in der Gilgenstraße. Er spürte, wie die Tasse Columbian Medellin ihre Wirkung zu entfalten begann. Ah…, das tut gut! Die Luft war angenehm frisch und kühl, Straßen glänzten von frisch gefallenem Schnee, es atmete sich leicht. Er hüllte sich tiefer in seinen Mantel und rieb sich die Hände. Während er vor seinem geistigen Auge einen Kalender überflog und die Anzahl der noch freien Tage ausrechnete, steuerte er auf den Durchgang am Altpörtel zu. Ein Mädchen huschte aus einer Tür von Blumen Nothhelfer und ließ, eine Passantin begrüßend, ihren Charme spielen. Speyer, wahrlich kein schlechtes Pflaster… Ob ich für immer hier bleibe? Er blickte auf Schnee, der ringsum gut verteilt war. Was nun? Sehen, ob irgendein Bistrot aufhat, in dem ich ein vernünftiges Frühstück bekomme? Auf einmal wurde ihm bewusst, dass er seit etlichen Tagen einen Termin vor sich herschob: Es hilft ja alles nichts, muss mal wieder zum Friseur. In der Wormser Straße angekommen, passierte er die alteingesessene Buchhandlung Oelbermann, überquerte die Straße und lenkte dann seine Schritte zum Haarparadies Hammer. Er schaute hinein: Noch war kein anderer Kunde da. Er trat ein, hängte seinen Mantel auf. Ein junger Mann begrüßte ihn freundlich. „Nehmen Sie Platz. Ich komme gleich.“ Es dauerte nicht lange – „So, jetzt!“ – und der Friseur stand hinter ihm. Er holte einen Umhang und brachte ihn so an, wie es sich gehörte. Eine flinke Handbewegung und schon entdeckte Wagner einen Spiegel hinter sich. „Wie sollen wir’s schneiden?“ Wagner sah sich um. Wir? Ist noch jemand da? „Kürzer.“ Der Friseur

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