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der Lusitania schweifen. Genau genommen war er jetzt Kommandant eines Kriegsschiffes, eines Hilfskreuzers. Er sah auf den Funkspruch in seiner Hand. »Mr Bestic, berechnen Sie den Kurs zum Fastnet-Felsen an der Südwestecke Irlands. Dort erreichen wir Kriegsgewässer und werden von dem Kreuzer Juno nach Liverpool eskortiert.«

      »Was sagen Sie zu der Anzeige in der New York Times, Sir? Meinen Sie, dass sie als eine Warnung für unser Schiff zu verstehen ist?«

      »Die Deutschen rasseln nur mit den Säbeln. Selbst wenn sie es auf uns abgesehen haben, sind wir viel zu schnell für die. Leinen los, Mr Jones. Schicken Sie sie auf See.«

      IRISCHE SEE - 7. MAI 1915

      Lærke hatte bereits beim Lunch davon gehört. Der Schiffsdetektiv William Pierpont nahm kurz nach der Abfahrt drei blinde Passagiere fest. Man munkelte, sie seien deutsche Spione. Da sie sich weigerten, nähere Auskünfte zu erteilen, sperrte man sie in eine Kabine in den unteren Decks. Das sprach sich herum, und die Gefahr schien nunmehr nicht nur in der dunklen See zu lauern, sondern auch unter den Passagieren an Bord. Angst und Verunsicherung wuchsen. Besonders bei Lærke selbst. Sie war Alexander zwar einige Male begegnet, doch der schien sie überhaupt nicht zu sehen, geschweige denn mit ihr reden zu wollen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wann und wie man sie und die Dokumente von Bord schaffen würde.

      Thomas, der sonst nicht von Lærkes Seite wich, betrat den Smoking Room und setzte sich an einen freien Tisch.

      »Mr Bennet, Sir. Darf ich Ihnen etwas bringen?«

      »Alexander, schön Sie zu sehen. Ja, ich möchte einen Scotch.«

      »Gern. Mit Soda?«

      »Ja bitte. Noch eins, meine Gattin fühlt sich nicht wohl. Könnten Sie ihr bitte einen Tee und ein wenig Zwieback aufs Zimmer bringen? Danke.«

      »Selbstverständlich, Sir. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes.«

      »Nein, nur eine kleine Magenverstimmung.«

      »Ich werde mich persönlich darum kümmern, Sir.«

      Alexander mixte Thomas einen Uam Var mit Soda und Eis. Nach einem Umweg über die Küche stand er nun mit dem Teewagen vor der Kabinentür der Bennets. Er klopfte zweimal an die Tür.

      »Ihr Tee, Madam!«

      Unter Tausenden würde Lærke diesen Bariton mit dem näselnden britischen Akzent wiedererkennen. Sie warf sich einen Morgenmantel über und öffnete die Tür einen Spalt. Alexander schob sich hindurch.

      »Geht es Ihnen gut, Mrs Bennet?«

      »Ob es mir gut geht? Ich warte seit Tagen auf eine Nachricht von Ihnen.«

      »Sie haben bestimmt von der Festnahme der drei blinden Passagiere gehört.«

      »Sind das auch deutsche Spione?«

      »Ich weiß es nicht. Wir wurden nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass sie an Bord sind. Sie verstehen, dass ich deswegen umso vorsichtiger sein musste.«

      »Aber …«

      Alexander legte ihr den Zeigefinger auf den Mund.

      »Hören Sie mir jetzt genau zu. Sobald wir in wenigen Stunden die Irische See erreicht haben, wird es eine Explosion an Bord geben. Wir werden die Verwirrung nutzen und Sie von Bord bringen.«

      »Eine Explosion? Werden Menschen dabei getötet?«

      »Sorgen Sie sich nicht. Keinem wird etwas geschehen. Wenn Sie die Detonation hören, ziehen Sie diese Sachen hier an.«

      Alexander griff unter den Teewagen und holte ein Paket hervor.

      »Aber mein Mann …«

      »Ich habe ihm etwas in seinen Drink gemischt. Ich werde dafür sorgen, dass man ihn ins Lazarett bringt und er vor unserer Ankunft in Liverpool nicht wieder herauskommt.«

      »Was …«

      »Keine Sorge. Ihm wird nur fürchterlich schlecht sein, und die Nierenschale wird für die nächsten zwölf Stunden zu seinem besten Freund.«

      »Ich werde Thomas nicht wiedersehen?«

      »Nein! Nicht hier an Bord. Wollen Sie das denn überhaupt, ich dachte …«

      »Ich weiß es doch selbst nicht. Er war so gut zu mir.«

      »Wir dürfen jetzt keine Fehler machen. Sobald wir in Deutschland sind, werden wir herausfinden, wo er ist. Dann können Sie zu ihm.«

      »Und was sage ich ihm dann?«

      »Erzählen Sie ihm, dass Sie auf dem Weg ins Lazarett durch die Explosion von Bord geschleudert und von einem dänischen Fischkutter gerettet wurden. Es darf jetzt nichts mehr schiefgehen. Sie bleiben so lange in Ihrer Kabine, bis ich Sie hier abhole. Haben Sie das verstanden?«

      Sie nickte. Ihr war kalt. »Aber wie erkläre ich das gestohlene Paket, wenn ich Thomas wiedersehe?«

      »Geben Sie mir die Schuld. Sagen Sie, ich hätte es entwendet. Ich bin der Einzige, der wusste, was sich in dem Safe befand, und der Ihrem Mann zu Beginn der Reise gezeigt hat, wie man die Kombination einstellt.«

      »Das soll er mir glauben?«

      »Er wird keinen Verdacht schöpfen. Ich habe zur Ablenkung noch einige andere Tresore geplündert. Mich wird er nie wieder sehen. Ich bleibe in Deutschland, wenn alles vorüber ist.«

      Lærkes Atem wurde ruhiger. »Und das viele Geld?«

      »Ganz einfach: Sie haben eine Erbschaft in Ihrer Heimat Dänemark gemacht. Damit wollten Sie ihn überraschen.«

      Hätte sie nur früher mit Alexander sprechen können. All die Gedanken, Fragen und Ängste, die sie in den letzten Tagen quälten, lösten sich mit einem Mal in Luft auf. Nach einem kurzen Moment der Überlegung wurde sie nahezu euphorisch und fasste neuen Mut.

      »Gut, so kann es funktionieren.«

      U-20

      Walther Schweers, Kommandant des Unterseebootes U-20, schaute durch das Fernrohr und maß die Distanz zu dem Passagierdampfer, der erst vor wenigen Minuten beigedreht war und nun genau auf sie zulief. »Jetzt hab ich dich. Rohr eins los.«

      »Käpt’n, das ist ein ziviles Passagierschiff. Ich kann kein Schiff mit Frauen und Kindern an Bord angreifen!«

      »Verdammt, los, Vögele!«

      Karl Vögele stand wie erstarrt und leitete den Befehl nicht an den Torpedoraum weiter.

      Nach kurzem Zögern stieß Schweers den Mann beiseite und brüllte den Befehl selbst ins Rohr.

      »Torpedo läuft.«

      Oberleutnant Scheffler nahm die Stoppuhr und begann zu zählen. Eins, zwei, drei Sekunden …«

      »Das wird Konsequenzen haben, Mann«, herrschte Schweers Vögele an und trat wieder an das Periskop. Als Scheffler bei neununddreißig angekommen war, sah er den Torpedo kurz hinter der Brücke detonieren. Ein leichtes Zittern ging durch das Boot.

      »Treffer!«

      Die Mannschaft brach in Jubel aus. Einige warfen ihre Mützen in die Luft und stimmten Hurragesang an. Währenddessen erfolgte eine zweite, viel heftigere Detonation. Schwieger konnte gerade eben das Gleichgewicht halten, während selbst bei einer Entfernung von siebenhundert Metern zum Explosionsherd seine Männer durcheinandergewirbelt wurden, Rohrleitungen brachen und herumfliegendes Inventar nur knapp seinen Kopf verfehlte.

      »Schadensmeldung!«

      »Wir sind getroffen!«

      »Schnauze halten! Ruhe!« Kommandant Schweers blickte erneut durch das Periskop und sah eine gewaltige Dampfwolke in den Himmel steigen.

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