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liegenden Kastells Stockstadt des transrheinischen limes, der

      hier nicht wie in seinem übrigen Laufe von Wall und Graben, sondern zwischen Miltenberg und Groß-Krotzenburg nur von dem trennenden Flusse gebildet wurde.

      Dieser Glaube bildete sich durch die Funde, die man 1777 bei Niederlegung eines Stadtturmes (Döngesturm) der alten Mauer machte. Es fanden sich dort römische Opfer- und Gelübdesteine eingemauert, und der geistliche Rat Heim, der sie damals beschrieb, folgerte daraus den römischen Ursprung Aschaffenburgs.

      Heute ist, dank der Ausgrabungen des Kreisrichters Conrady (Miltenberg) (4) nachdem schon vorher Herrlein zuerst die festgewurzelte Meinung angezweifelt hatte (5), erwiesen, daß hier nie Römer gesessen, daß alle diese Steine (6), deren Gesimse meist abgeschlagen wurden, um sie als glatte Quadern besser vermauern zu können, aus dem nahen Stockstadt stammen.

      Wahrscheinlich hatte der Mainzer Erzbischof Adalbert I., als er 1122 Aschaffenburgs Mauern, wie wir unten sehen werden, notgedrungen plötzlich erweitern und verstärken mußte, dies Material, soweit es nicht die umwohnenden Landbewohner für ihren Häuserbau benutzt hatten, heranbringen lassen. Bis auf die untersten Fundamente wurde damals das verlassene Kastell umgewühlt, alles, was irgend brauchbar war, wurde fortgeschleppt. Wäre in Aschaffenburg jemals eine römische Ansiedlung gewesen, hätte man gewiß Scherben ausgegraben, die sich an allen derartigen Plätzen in großer Zahl finden. Nachforschungen in dem Boden Aschaffenburgs zeigten aber keine Spur von diesen, und die wenigen Münzen, die man bisher entdeckte, sind keineswegs ein sicherer Anhalt, da sie bei dem regen Verkehr der römisehen Kaufleute fast überall verstreut vorkommen. Auch berührte die alte Römerstraße den Winkel, den der Fluß hier bildet, und an dem unsere Stadt liegt. überhaupt nicht, sondern ging von Stockstadt in gerader Linie auf Obernburg zu.

      In der Merovingerzeit sollen Karl Martell und Pipin der Kurze in diese Gegend gekommen sein, um im Spessart, den vorher schon König Gunther von Worms mit seinen Degen durchzogen hatte, dem Waidwerk obzuliegen. (7)

      Unter Karl des Großen wurde der Spessart, der sich damals noch bis in die Gegenden des Odenwaldes erstreckte (8), königlicher Bannforst; ein schlichtes Jägerhaus, nur aus Findlingen und Holz errichtet, bot gewiß dem hohen Jäger Schutz und Unterschlupf vor Wind und Wetter, und seine Nachfolger, die vorübergehend in Frankfurt residierten (9), werden den Main hinaufgefahren sein und wie einst der große Vorfahr von hier aus durch die wildreichen Wälder gepürscht haben.

      Um 855 findet sich Aschaffenburg urkundlich erwähnt (10) und wir erfahren, daß die Königin Liutgard, die Gemahlin Ludwigs des Jüngeren, in Asseafaburh am 30. November gestorben und ehrenvoll bestattet ruhe. (11)

      Ferner berichtet Ekkehard von Aura, wie auch Girstenbrey angibt, die Hochzeit der beiden eben erwähnten Fürstlichkeiten habe zu Aschaffenburg in Ostfranken stattsgefunden (869) und letztere Stadt sei der Liutgard als Morgengabe und Witwensitz von ihrem Gemahl geschenkt worden. (12) Wurde ein solches Fest hier gefeiert, mußte das ehemalige Jagdhaus Karls des Großen unterdessen erweitert worden sein, und gewiß war auch eine Niederlassung allmählich um dasselbe entstanden. Nach dem Tode der Königin Liutgard, die in Aschaffenburg ihre letzte

      Ruhestätte fand (13), kam die Stadt an die fränkischen Herzöge, die in dieser Zeit der zunehmenden Entwickelung des Sonderstaats in Deutschland auch hier ihre Macht zu entfalten anfingen.

      Inzwischen hatte Eberhard von Franken im Jahre 941 nach dem gemeinsamen Aufstande mit Heinrich, dem Sohne Otto I., Giselbert von Lothringen, Ludwig IV. von Frankreich und Erzbischof Friedrich von Mainz bei Andernach Land und Leben verloren: das Herzogtum wurde nicht wieder hergestellt, und Eberhards Erbgüter geteilt. 974 ist Otto, der Sohn Ludolfs von Schwaben, der Enkel Otto I. im Besitze der civitas Ascafaburc (14). Als er am 31. Oktober 982 auf dem Heimweg von Unteritalien, wo er mit Kaiser Otto II. gegen Griechen und Sarazenen gekämpft hatte, in Lucca starb (15), ließ er sein Land, da er unvermählt geblieben war, ohne Erben, nur für seine Stiftung, die er der Aschaffenburger Kirche gemacht hatte, war schon vorher von ihm in verschiedenen Schenkungsurkunden gesorgt worden.

      Er ist der Erbauer der Stiftskirche zu St. Peter und Alexander und Gründer des Kollegiatstiftes in Aschaffenburg (16); ferner ließ er sich an demselben Orte ein Schloß, oder richtiger ausgedrückt, eine Behausung und Unterschlupfstätte für Jäger errichten, wie es in der hetreffenden Handschrift heißt. (17) „Ravenspurc“ nannte man diesen Sitz, der in der Nähe des damals noch kleinen Ortes Aschaffenburg lag. Nach einer alten Sage (18) stand diese Ravensburg schon zur Zeit Karls des Großen, der sich auf einem Pürschgange nachts in dem dichten Walde verirrte, und gelobte, an der Stelle, wo er den ersten Menschen treffen würde, ein Kloster zu gründen. Früh morgens weckte ihn das Geräusch eines Holzfällers, der ihm mitteilte, daß er in der Nähe der Ravensburg übernachtet habe, und der Kaiser löste bald sein Versprechen ein.

      Möglich, daß diese Sage erst später entstanden, als Otto seine Behausung bereits so genannt hatte, möglich auch, daß letzterer das alte Jagdschloß, das schon seit Karls Zeiten den Namen trug, für seine Zwecke wohnlicher gestaltete, jedenfalls irren alle früheren Geschichtsschreiber des Schlosses (19), wenn sie die Stelle dieses ersten Baues in der Webergasse suchen, wo heute das Forstamtsgebäude und das Kornhäuschen steht (20); alle haben sich durch den Merianschen Stadtplan (21) von 1646 irre leiten lassen, auf dem freilich ungefähr an dem bezeichneten Orte „das alt Schloß“ steht. Auch der Prospekt Aschaffenburgs in dem Kupferstichwerke Ridingers (22) zeigt über einer Reihe von kleineren Gebäuden, die ebenfalls an der obengenannten Stelle stehen, die Worte: „Das Altte Schloß“. Was dies für eine Anlage war, werden wir später erfahren, nur soviel sei gesagt, daß der Zeichner des Planes in der Topographia hiermit eine weit Jüngere Anlage meinte.

      Ottos Leiche wurde von Lucca über die Alpen nach Aschaffenburg gebracht und in Anwesenheit des Erzbischofs Willigis feierlich in der Stiftskirche beigesetzt. Bald darauf kam die Stadt zum Erzbistum Mainz, denn schon im Jahre 989 erbaute Willigis bei derselben die erste Brücke (23) über den Main und fast 820 Jahre blieb sie treu unter diesem Reginiente. Erst im Jahre 1122 wird wieder der Stadt und des Schlosses urkundlich Erwähnung getan. Damals lag Kaiser Heinrich V. mit dem Mainzer Erzbischof Adalbert I. im Streit wegen der Neubesetzung des Würzburger Stuhles und da der ebenso „tatkräftige als weitausschauende und diplomatisch gewandte“ Kirchenfürst deshalb einen festen Zufluchtsort brauchte, um sich vor einer eventuellen neuen Gefangennahme von Seiten des Kaisers zu schützen, so erneuerte er die alten Stadtmauern seiner Residenz Aschaffenburg (24) verstärkte und erweiterte sie und befestigte gleichzeitig das alte Schloß, von dem es heißt, daß es schon seit langer Zeit fast gänzlich verfallen und zerstört war (25).

      Gewiß mußte der Bau möglichst beschleunigt werden, zumal der Kaiser, der von dem kühnen Plane Adalberts gehört hatte, sich persönlich beleidigt fühlte und dies Unternehmen als eine Verletzung der Reichsgesetze ansah. (26) Tag und Nacht werden, die Städter für ihren Herrn gearbeitet, viele Fuhren Steine werden die Einwohner der umliegenden Ortschaften im Frondienst mühsam herbeigeschafft haben, und damals war es auch, daß von Stockstadt als willkommenes Material die bereits behauenen Quaderreste des alten Römerkastells angefahren wurden. Alle römischen Funde, die man in Aschaffenburg machte, waren in dem Mauerwerk, das Adalbert hatte errichten lassen, auch der Döngesturm, den wir oben erwähnten, gehörte in diesen Befestigungsring, gerade er sollte nach seinem Abbruch im Jahre 1777 ein wichtiges Dokument für die angeführte Behauptung liefern. Es kam nämlich hier ein Gelübdestein zutage, den ein gewisser Publius Ferrasius Avitus dem Jupiter geweiht hatte. Nun fand sich in Stockstadt das Bruchstück eines ganz ähnlichen Denkmals (27), dessen Inschrift nach dem Votivstein aus dem Döngesturm unschwer ergänzt werden konnte und es ergab sich, daß beide Steine von demselben Stifter herrühren. Beide waren auch ohne Zweifel einst an demselben Orte, in Stockstadt, aber während der eine an seinem alten Platze verblieb, wurde der andere zum Mauerbau nach Aschaffenburg gebracht. Hieraus folgt, daß auch die anderen beim Abbruch des Turmes gefundenen Steine von dort hierher geschafft wurden und so lange keine anderen wirklichen Beweise für die Entstehung der Stadt aus einer römischen Niederlassung gefunden werden, müssen wir sie, und gewiß mit Recht, auf germanischen Ursprung zurückführen.

      Von der alten Umwallung, die Adalbert hatte errichten lassen, steht noch ein gut Stück oben auf der Anhöhe

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