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Arbeit. Klar, ich könnte mit dem Auto fahren. Das ist aber nicht so entspannend wie mit der Bahn. Klar, die Bahn kommt öfters zu spät. Doch manchmal hat es auch etwas Gutes.

      Als ich vor einer Woche mit der Bahn nach Hause fahren wollte, musste ich selbstverständlich am Bahnhof warten. Ich bin immer einige Minuten früher dort. Just in Time funktioniert noch nicht so. Die Bahn hatte auch prompt Verspätung. Doch im Winter ist das schon fast normal. Durch Schnee und Eis hatte meine Bahn öfters mal ein bis zwei Minuten Verspätung. Doch an diesem Tag war es mehr. Meine Bahn sollte knapp fünfzehn Minuten später einfahren. Doch das war gut so. Während ich auf die Bahn wartete, liefen vor und hinter mir einige Menschen. Kein Wunder: Kam doch gerade eine Bahn an, die den Bahnhof gleich wieder verlassen sollte. Ich beachtete die Menschen kaum. Erst als ich eine Engelsstimme vernahm, sah ich mich um.

      Irgendjemand sang. Gut, es klang für mich und meinem Herzen so, als ob jemand singen würde. Tatsächlich redete nur eine Dame. Meine Blicke wanderten von rechts nach links. Ich drehte mich mehrere Male um. Wer sprach dort? Als ich die Dame sah, war es auch schon zu spät.

      Ich konnte die Dame nur wenige Sekunden sehen. Doch es reichte meinem Herzen, sich in die Dame komplett zu verlieben. Ihre Stimme hatte es mir schon angetan. Ihr Äußeres gab meinem Herzen den Rest. Blöd nur, dass diese Dame in die Bahn einstieg, die jetzt gerade losfuhr. Sollte ich sie jemals wiedersehen?

      Ich versuchte es. Eigentlich fuhr die erwähnte Bahn immer nach meiner. Sofern meine Bahn pünktlich war. In den nächsten Tagen war meine Bahn pünktlich. Trotzdem verpasste ich sie. Absichtlich. Ich wollte die Dame noch einmal sehen. Sie ansprechen. So war ich immer wie üblich am Bahnhof. Ich nahm aber erst den nächsten Zug.

      Mehrere Tage lang hatte ich kein Glück. Die Dame tauchte nicht auf. Oder besser gesagt, ich sah und hörte sie nicht. Bei den Menschen, die am Bahnhof waren, war es auch gar nicht so leicht, diese Dame wiederzusehen. Ich wollte schon aufgeben, da sah ich sie.

      Am siebenten Tag, an dem ich mit Absicht meine pünktliche Bahn verpasste, sah ich diese wundervolle Frau mit der engelsgleichen Stimme wieder. Ich ergriff meine Chance. Ich stieg in ihre Bahn ein. Ich sprach sie an. Ich fragte sie, ob ich sie etwas fragen könne. Sie sagte ja. Ich stellte die Frage und was antwortete sie?

      Sie antwortete mit Ja. Wir trafen uns am folgenden Wochenende im Kino. Seit diesem Tag sahen wir uns jeden Tag. Wir wurden ein Paar. Ein Paar, dass auch noch nach dreizehn Jahren glücklich und verliebt ist. Und wenn nichts dazwischen kommen sollte, so werden wir auch noch zweisam sein, wenn wir alt und grau sind, bis dass der Tod uns scheidet.

      Fünfzehnter Januar

      Es war vor vielen Jahren. Auf dem Kalender stand Januar und ich war mit meinem kleinen Bruder draußen. Draußen hatte es geschneit. Es lag viel Schnee. So weit das Auge blicken konnte, war die Welt um uns weiß.

      Im Winter bauten mein Bruder und ich jedes Jahr eine Schneemannfamilie. Meist konnten wir mehrere Schneemannfamilien bauen. Entweder es war so lange kalt und schneereich, dass wir unseren Vorgarten und Garten mit Schneemännern zustellen konnten oder aber es wurde zwischendurch so warm, dass unsere Schneefamilie in der Sonne schmolz und eine neue Familie gebaut werden musste.

      Im Januar vor vielen Jahren konnten wir die erste Schneemannfamilie des Jahres bauen. Seit fünf Tagen schneite es. Erst zögerlich, dann immer stärker. Langsam wurde es weiß. Die Wälder, die Wiesen, die Stadt und die Straßen.

      Erst am fünfzehnten Januar kamen mein Bruder und ich dazu, das erste Mitglied unserer Schneemannfamilie zu bauen. Wir fingen wie jedes Jahr im Vorgarten an. Dort waren die Schneemänner und -frauen immer etwas kleiner und dünner. Im Vorgarten gab es nicht so viel Schnee wie hinter unserem Einfamilienhaus.

      Mein Bruder kümmerte sich um die Schneefrau. Ich war für den Schneemann zuständig. Mein Bruder und ich rollten beide die untere Hälfte des Schneemanns beziehungsweise der Schneefrau. Wir begannen mit einem kleinen Schneeball, der immer größer wurde.

      Nach einigen Umdrehungen war der untere Teil der Schneefrau und des Schneemanns fertig. Wir konnten mit der Körpermitte beginnen. Wieder begannen wir mit einem kleinen Schneeball. Wir rollten ihn so lange, bis er die passende Größe hatte. Die Körpermitte musste kleiner als der untere Teil sein. Doch zu klein durfte er auch nicht sein. Uns gelang es immer, die Körpermitte kleiner als die untere Hälfte zu rollen. Zu klein wurde sie bei uns nicht.

      Nachdem wir die Körpermitte fertig hatten, setzen wir diese gemeinsam auf den unteren Teil des Schneemanns und der Schneefrau. Die Körpermitte konnte schwer werden. Für mich und erst Recht für meinen kleinen Bruder. Der Kopf war nicht so das Problem. Dieser war relativ leicht.

      Das lag auch daran, dass wir Hilfe bekamen. Nicht von unseren Eltern. Ein braunhaariges Mädchen zog Anfang des Jahres in unsere Straße. Das erfuhr ich von meinen Eltern. Gesehen hatte ich das Mädchen am fünfzehnten Januar zum ersten Mal. Es trug eine weiß-rote Mütze, eine weiße Jacke und rote Hosen. Sie besaß wunderschöne grüne Augen.

      Wunderschön? Ja, ich fand die Augen wunderschön. Das Mädchen auch. Sie war meine erste große Liebe. Sie half uns nicht nur an diesem Tag bei der Schneemannfamilie. In den folgenden Tagen und Jahren war sie immer dabei, wenn mein Bruder und ich eine neue Schneefamilie bauen wollten.

      Das Mädchen wich seit dem ersten Tag, an dem ich sie sah, nicht von meiner Seite. Wir wurden Freunde. Gute Freunde. Zu mindestens für ein Jahr. Danach waren wir mehr. Wir wurden ein Paar. Ein Liebespaar. Und das sind wir auch noch heute. Nach über dreißig Jahren. Wir bauen auch heute noch Schneemannfamilien. Allerdings nicht mehr mit meinem Bruder. Er hat inzwischen seine eigene Familie. Mit ihr baute er Schneemannfamilien. So wie ich und meine Frau mit unseren drei Kindern jedes Jahr eine Schneemannfamilie bauen. Diese Tradition werden wir aufrecht halten, so lange wir können und es schneit. Ganz sicher.

      Sechzehnter Januar

      Es ist Winter. Wer hinausschaut, kann es erkennen. Wer am Fenster steht, sieht die weiße Pracht. Alles ist weiß. Jede Straße und jeder Weg. Jeder LKW und jeder PKW. Jedes Haus und jedes Dach. Jede Wiese und jeder Baum.

      Die Kinder freut es. Im Schnee haben sie viel Spaß. Zum Glück haben sie Mütze und Handschuhe dabei. Ohne sie wäre es draußen zu kalt. Schnee fällt nicht, wenn es warm ist. Schnee bleibt nicht liegen, wenn es warm ist. Schnee braucht Kälte. Am besten, es sind Minusgrade. Dann fühlt sich der Schnee wohl.

      Die Kinder haben im Winter Spaß. Sie bauen einen Schneemann. Gehen rodeln. Doch nicht jedes Kind möchte hinaus. Nicht wegen der Temperaturen. Nicht wegen dem Schnee. Das Kind hat auch im Sommer keine Lust, hinaus zu gehen. Es bleibt lieber zu Hause. Sieht fern oder spielt am Computer.

      Manchmal ist das Kind doch zu bewegen. Es kommt mit hinaus. Es nimmt eine kleine Spielfigur mit. Das Kind bastelte zu hause für die Spielfigur einen Fallschirm. Das Kind befestigte den Fallschirm an der Spielfigur. Nun musste die Spielfigur fliegen. Ein Meter Höhe reichte nicht. Zwei und drei Meter waren auch nicht gerade viel. Zwanzig oder fünfundzwanzig Meter waren in Ordnung.

      Das war der Plan. Nur wenige Kilometer entfernt gab es einen Aussichtsturm. Fünfundzwanzig Meter hoch. Genau passend für die Spielfigur. Doch der Turm stand nicht nebenan. Er war nicht in fünf Minuten zu erreichen.

      Das Kind möchte die Spielfigur fliegen sehen. Es hilft der Mutter dabei, das Auto vom Schnee zu befreien. Zu zweit geht es schneller. Viel schneller. Nach fünf Minuten kann es losgehen. Die Autofahrt beginnt.

      Nach rund einer Viertelstunde ist die Autofahrt zu Ende. Der Turm ist noch nicht zu sehen. Der Turm liegt im Wald. Dorthin gibt es zwar Wege, doch im Winter sind diese kaum befahrbar. Zu mindestens für ein normales Auto. Ein Geländewagen hat vielleicht keine Probleme. Ein Trecker kann die Waldwege im Winter befahren. Doch ein Kleinwagen hätte seine große Mühe. Und ob es erlaubt war? Nicht umsonst sind viele Wege abgesperrt.

      Nein, es hilft nichts. Zum Turm muss gewandert werden. Es sind rund zwei Kilometer. Rund zwanzig Minuten brauchen Mutter und Sohn bis zum Turm. Dann kann die Spielfigur fliegen.

      Fast.

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