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Renaissance 2.0. Christian Jesch
Читать онлайн.Название Renaissance 2.0
Год выпуска 0
isbn 9783754141526
Автор произведения Christian Jesch
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Ambisi hat vollkommen recht, Neyton. Wir beide haben dieselbe Willensstärke wie Ysana sie besaß. Wir werden über Leichen gehen, um unser aller Ziel zu erreichen. Das könntest du nicht. Du bist eher der diskutierende Politiker, der jeden Konflikt vermeiden will. Deswegen eignest du dich auch so perfekt als Repräsentant dieser kleinen Regierung hier. Sie zu, dass niemand von Ysanas Tod erfährt und mach die Bevölkerung glücklich. Was wir am wenigsten gebrauchen können, sind Mitbürger, die sich unterdrückt fühlen und in anderen Städten über uns tratschen. Das macht nur Mår-quell auf uns aufmerksam. Und das können wir nicht gebrauchen."
"Also gut", antwortete Neyton wenig überzeugt und leicht grollend. "Wenn ihr glaubt, das wäre alles so richtig, werde ich mitspielen. Ich hoffe nur, ihr wisst, auf was ihr euch da einlasst."
"Das lass mal unsere Sorge sein", rief Marah ihm hinterher.
"Du wirst schon sehen, wir werden Ysanas Erbe vorantreiben", ergänzte Ambisi. "Wir sollten ihn genauestens unter Beobachtung halten", fuhr sie dann an Marah gerichtet fort, nach dem der Mann die beiden verlassenen hatte. "Ich traue ihm keine Sekunde."
"Das tue ich auch nicht. Ich hatte allerdings auch schon befürchtet, er könnte glauben, aufgrund seines Alters, die Liga und die Armee zu übernehmen. Nur dann würde er vermutlich sofort zu Mår-quell laufen und mit ihr über eine Integration der Mutanten verhandeln."
"Wir sollten ihn, sobald er nicht mehr von Nutzen ist, verschwinden lassen."
"Das habe ich schon alles mit eingeplant", bestätigte das Mädchen ihrer Mitstreiterin. "Apropos geplant", wechselte sie nun das Thema abrupt. "Ich hatte ja schon vorhin gesagt, dass ich noch ein paar weitere Gedanken hatte auf dem Rückweg. Wir sollten die Liga und die Armee dezent neu organisieren."
"Was stellst du dir vor?", unterbrach Ambisi.
"In der Armee gibt es einige Mutanten, die sich nicht wirklich zum Kämpfen eigenen. Ich meine zum Beispiel die Telepathen und Orter oder auch die Empathen. Ihre Fähigkeiten dienen nicht gerade der Zerstörung oder Tötung. Daher habe ich mir überlegt, dass wir diese Leute gegen entsprechende Vernichtungsmaschinen aus der Liga austauschen. Was meinst du?"
"Das ergibt eindeutig Sinn."
"Ich gebe zu, wahrscheinlich werde ich mehr Mutanten aus der Armee abziehen, als ich dir wieder zuführen werde. Aber was nutzen dir Leute, die keinen Schaden anrichten."
"Das ist richtig. Und was hast du dann mit den Mutanten vor, die du übernimmst?"
"Etwas ziemlich gewagtes. Ich will sie zu einer Spezialeinheit ausbilden. Sie an der Waffe und im Nahkampf trainieren. Dann gehen sie in den Geheimdienst und zur Garde. Einige werde ich dann auch wieder dir zuweisen, da ein Telepath, Fernorter, Empath und so weiter an Bord der Schiffe wenigstens etwas nützlich sein kann, während eines Kampfes."
"Es ist immer gut, wenn ein Gedankenleser die Taktik des Gegners in Erfahrung bringt oder ein Empath diesen emotional destabilisiert", überlegte Ambisi laut.
"Und, wenn ein Orter den Feind rechtzeitig ausfindig machen kann. Ich denke mit diesen durchtrainierten Ergänzungen wird deine Armee unschlagbar sein."
"Eine hervorragende Idee, die du da entwickelt hast. Auf so etwas wäre Neyton nie gekommen." Die beiden jungen Frauen schauten sich einige Sekunden an, bevor sie dann in schallendes Lachen ausbrachen. Neyton, der immer noch im Nachbarraum außer Sicht stand, wendete sich wutentbrannt ab und stürmte auf den Gang hinaus, wo er einige Leute zur Seite stieß, die ihm den Weg verstellten.
Als sich die beiden wieder beruhigt hatten, erinnerte sich Ambisi, dass Marah alle Schränke und Schubladen durchwühlt hatte und fragte sie jetzt nach dem Grund dafür.
"Du weißt doch, dass Ysana Unterlagen über die Sturmredner und -bringer hatte, weswegen wir so schnell die anderen Mutanten gefunden haben. Jetzt, wo ihr eidetisches Gedächtnis für immer durch Tandras Mord an ihr verloren ist, habe ich nach den Akten gesucht. Nur gefunden habe ich sie nicht. Ich vermute fast, dass Ysana sie auswendig gelernt und dann vernichtet hat, damit sie niemand anderes bekommt."
"Das würde ihr ähnlich sehen. Nur haben wir dadurch ein schwerwiegendes Problem."
"Ich weiß", bestätigte Marah ihre Sorge. "Wir können lediglich vermuten, wo sich noch weitere der Sturmbringer aufhalten. Da die drei Gruppen, die wir aufgenommen haben, allesamt in stillgelegten Industrieanlagen zu finden waren, möchte ich, dass die Armee weitere dieser Anlagen in der Umgebung aufsucht und nachforscht, ob es dort andere Metamenschen gibt, die sich uns anschließen."
"Das ist in etwa so, wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen."
"Ganz viele Nadeln", stimmte die junge Frau zu. "Aber was sollen wir sonst machen? Mit etwas Glück finden wir in einer der Anlagen Akten, die uns weiterhelfen."
"Ich werde meine Soldaten befragen, ob sie noch Informationen über weitere Orte haben, an denen sich Gleichgesinnte befinden könnten. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Kommandanten der einzelnen Standorte untereinander Kontakt hatten."
"Ja, tu das. Und schicke mir dein weniger nützlichen Mutanten. Ich werde nachher die Liga beauftragen, sich entsprechend bei dir einzufinden. Schick deine Leute in diese riesige Stadthalle oder was das für ein Gebäude ist. Sie sollen sich dort erst einmal weitestgehend einrichten. Ich werde im Laufe des Tages zu ihnen stoßen und sie über ihre neue Aufgabe informieren."
Neyton lief verärgert durch die Gänge zu seinem Büro, wo er die Tür hinter sich zuknallte, um sich dann in seinen Stuhl fallen zu lassen. Da glaubten die beiden Gören doch wirklich, sie wären die einzigen, welche die Liga und die Armee führen könnten, weil er zu weich sei. Verächtlich schnaubte der Mann auf. Lange Zeit grübelte er darüber nach, wie er sich nach dieser Schmach weiter verhalten sollte. Dann kippte er mit seinem Schwingstuhl energisch nach vorne. Was sollte er schon machen? Sie waren zu zweit und hatten die Armee, wie auch die Liga hinter sich. Marah und Ambisi waren beide so durchgeknallt wie Ysana. Schlimmer noch. Das geilte die Mutanten auf. Deswegen folgten sie diesen viel zu jungen Menschen. Aber er würde das nicht ändern. Oder? Mit einem tiefen Atemzug lehnte er sich erneut in seinem Stuhl zurück.
Kapitel 5
Femm betrat die Straße und orientierte sich anhand ihres Comtab und der darauf sichtbaren Karte. Nachdem sie die richtige Richtung gefunden hatte, machte sich die junge Frau erneut auf die Suche nach ihrer Zielperson. Der hatte bereits einen Vorsprung von mindestens zehn Minuten oder mehr. Dieser Umstand ließ Femm jedoch nicht in Hast verfallen. Im normalen Schritttempo durchquerte sie die Straßen der Stadt. Immer wieder vergewisserte sie sich über den aktuellen Standort von Arazeel, der mittlerweile die Dædlænds erreicht hatte und in diese eintauchte. Alles kein Problem, dachte die junge Magus. Alles kein Problem, bis zu dem Moment, wo der Punkt von ihrem Bildschirm verschwand. Abrupt blieb sie stehen und starrte ungläubig auf das Display. Arazeel konnte unmöglich so schnell die Ortungsapp gefunden haben, zumal diese als Teil des Betriebssystem getarnt war. Und trotzdem war der kleine blauen Punkt aus der Karte verschwunden. Femm riss sich zusammen. Als erstes markierte sie die Stelle in der Karte, wo das Signal zuletzt aufgeblinkt hatte, dann stürmte die Frau mit größer werdenden Schritten, die schließlich in ein laufen übergingen, in Richtung Stadtrand. Als sie nicht mehr so viele Menschen auf den Straßen wahrnahm, öffnete die Magus ein Portal und sprang an den ungefähren Ort von Arazeels letzten, sichtbaren Aufenthalt. Dort angekommen, nahm sie erneut das Comtab zur Hand und starrte auf den Bildschirm. Ihre Position wurde durch ein rotes Dreieck dargestellt, das sich einige hundert Meter entfernt von dem Marker, der den letzten Standort ihrer Zielperson anzeigte, befand. Femm war zu überhastet gesprungen und hatte sich total verschätzt. Diesen Fehler musste die Frau so schnell wie möglich korrigieren. Sie ließ sich mehr Zeit, das neue Portal auszurichten und sprang dann ein weiteres Mal. Jetzt war sie an der Stelle angekommen, wo sie das Signal verloren hatte. Doch von dem Jungen war nirgendwo etwas zu sehen. Dabei konnte er noch nicht so weit gekommen sein. Femm nutzte ihre Art der Fernortung und lauschte angestrengt in den Wind, ob sie verräterische Geräusche wahrnehmen konnte.