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Wir denken an..... Heinrich Jordis-Lohausen
Читать онлайн.Название Wir denken an....
Год выпуска 0
isbn 9783753190594
Автор произведения Heinrich Jordis-Lohausen
Жанр Документальная литература
Серия Wir denken an ....
Издательство Bookwire
Das Kriegsende traf ihn als Führer eines niedersächsischen Artillerieregiments. Die anschließenden Jahre nach kurzer Gefangenschaft als Dolmetscher in Salzburg, später als Hilfsarbeiter, Bürosekretär und Handelsvertreter wieder in Graz.
Bereits in seiner Jugend ein Liebhaber schöner Literatur, hatte Jordis-Lohausen schon früh damit begonnen, schöngeistige Essays, Gedichte in Prosa, aber auch belletristische Skizzen zu schreiben. Die abwechslungsreichen Eindrücke des vergangenen Krieges bestärkten diese Neigungen und ließen den Wunsch aufkommen, sich ihnen nach seiner Beendigung vorbehaltlos zu widmen. Seit 1948 ist Heinrich Jordis-Lohausen ständiger Mitarbeiter des Grazer Rundfunks. Die von ihm verfassten Vorträge der Sendereihe « Wir denken an.... » gehören zu den wertvollsten und beliebtesten Programmbeiträgen.
Otto Hofmann-Wellenhof,
Leiter der Literaturabteilung des Senders Alpenland Graz, im Juni 1951.
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Einleitung
Diese Aufsätze sind für den Rundfunk geschrieben, also bestimmt gehört zu werden, nahe gebracht von einer Stimme, die sie Wort für Wort zu wägen versteht. Nicht waren sie ursprünglich bestimmt, von stummen, das bloße Schriftbild festhaltenden Augen aufgenommen, nicht also gelesen zu werden. Auch sind sie geschrieben im Hinblick auf eine knappe und unumstößlich bemessene Sprechzeit – meist nur 13, allenfalls 14 Minuten. Und das zwang wiederum, der Stimme zur Andeutung zu überlassen, wofür ein eigenes Wort oder gar ein eigener Satz aus Zeitmangel nicht mehr bereitstand.
Dass dies so sein musste – nie ist im Rundfunk unbeschränkt Zeit – bewirkt ihren Stil, auch den Zwang, von jedweder Wiederholung abzusehen. Gedacht waren sie mithin als einmalige, flüchtige Visionen, ihr Erscheinen im Druck zwingt sie mit einem Male zur Dauer. Das widerspricht ihrem Wesen. Widerspricht im Grunde dem Wesen jeden Essays. Essay heißt Versuch und Versuche sind nie etwas Fertiges, sind bestenfalls Übergang und Vergänglichkeit. Unwiederholbarkeit ist ihr wesentliches Kennzeichen. Vielleicht ist alle Kunst so. Und vielleicht trennt gerade das sie von jeglicher Wissenschaft (besonders von ihrer eigenen – der Kunst- und Literaturgeschichte). Wissenschaft ist immer fertig. Ist immer das, was gilt und einwandfrei bewiesen werden kann.
Nichts von alle dem, was in diesen Aufsätzen steht, kann bewiesen werden (außer allenfalls einige Quellenangaben und Daten) also ist nichts Wissenschaftliches an ihnen und kann es nicht sein: Vor allem nichts Fachwissenschaftliches. Alles Menschliche widerstrebt dem Versuch, Teil eines Fachwissens zu werden.
Um ein Leben wiederzuerzählen, bedürfte es wiederum eines Lebens. Auch ein zehnbändiges Werk wäre dazu nicht im Stande, und auch ein hundertbändiges nicht. Und doch gelingt zuweilen, einem Augenblick, was ein derartiges Werk nicht vermag, das Wesen einer Gestalt bis auf den Grund zu erhellen. Wer dann sieht, ist begnadet und zugleich verurteilt zu schweigen. Das Tiefst in uns ist wortlos und spottet jeder Beschreibung.
Man kann einen Strom nicht in Eimer fassen – doch gesetzt den Fall, man könnte es, man würde selbst den letzten Wassertropfen jenes Eimers nie auszuloten vermögen. Und man kann eine Kugel nie dadurch beschreiben, dass man die Punkte ihrer Oberfläche abzählt. Man kann sie auch durch den einen einzigen Punkt in ihrer Mitte nicht beschreiben. Man kann – und das ist der einzige Weg – das Wesen einer Kugel nur aus einem jener unzähligen Strahlen erfassen, die pfeilähnlich ihre Oberfläche mit dem Inneren verbinden.
Anderes wollen auch diese Aufsätze nicht sein als solche Strahlen, « Pfeile nach innen » – jeweils einer von den abertausend möglichen, die von der Peripherie unseres lebendigen Seins seiner Mitte zustreben. In dieser Mitte, unendlich fern in dieser Mitte steht der Mensch.
Heinrich Jordis-Lohausen.
Leonardo da Vinci
Die einen wurden Maler, ihren Träumen Gestalt zu geben und ihre Träume waren Ihnen Rechtfertigung ihres Tuns, andere weil ihre Augen sich vergafft hatten in Farben und Formen der Welt, die sie einfingen, um sich nie mehr von ihnen zu trennen. So glichen sie Jägern und ihre Werke Trophäen, deren Wert sich nach der Ähnlichkeit von Bild und Abbild bemaß.
Dieser aber malte, weder zu träumen, noch zu bewahren, sondern um einzudringen in das Geheimnis der Dinge und im Versuch ihrer vollendeten Wiedergabe Rechenschaft zu finden auch über Innerstes und Unsichtbares.
So kam es, dass sein Pinsel mehr aussagte, als seine Augen gesehen. Dass ihm, der die Wahrheit suchte – „die Welt wie sie ist“ – die Dinge ihren Doppelsinn preisgaben und seine Werke zu vollkommenen Spiegelbildern ihrer Oberfläche sowohl wie zu Sinnbildern ihres Wesens wurden.
Doch kann niemand ein Ding vollständig malen und wäre es nur das Blatt vom Ast eines Baums. Keiner kann malen, wenn ihm nicht ein zweiter Sinn, ein zweites Gesicht immer wieder die Hand führt, aus der Fülle der Einzelheiten die einen wegzulassen, die anderen aber hervorzuheben.
So ist Malen ein fortwährendes Wählen und Verwerfen, erwächst jedes Werk aus einer fortlaufenden Folge bewusster und unbewusster Entscheidungen. Mit jedem Strich, den er hinsetzt, setzt ein Maler die eigene Signatur. Mit jedem, den er unterlässt, macht er sein Gemälde durchsichtig für etwas, das, dem Auge nicht fassbar, doch alles Sichtbare trägt und es erfüllt bis an den Rand.
Wie weit er dies kann, wie weit das allmähliche Durchsichtig werden und Durchscheinen eines Tieferen ein Werk über die bloße Sprache der Farben und Formen mit einer zweiten und geheimen begnadet, darin und in sonst nichts, liegt sein Rand.
Selten wissen, die den Pinsel führen, von der verborgenen Magie ihres Tuns. Der bestimmt sein sollte, sie in ungewöhnlichem Grade zu erfahren, wurde in einem Gebirgsdorf der Toskana von einem Bauernmädchen geboren.
Nach diesem Dorf führt er den Namen „da Vinci“. Die Welt nennt ihn Leonardo. Und so auch nannte ihn Florenz, wohin – Ser Piero, sein Vater, ihn als 12-jährigen zur Schule brachte.
Er verwirrte seine Lehrer mit Fragen, die sie nicht beantworten konnten, wandte sich dann aber, ihrer trockenen Gelehrsamkeit satt, der Musik zu.
Man berichtet, „Leonardo hätte aus Literatur und Wissenschaft weit größeren Nutzen gezogen, wäre er weniger unbeständig gewesen. So lernte er wohl viel, begann aber alles, um nichts zu Ende zu führen“ (Vasari).
Auch seine Vorliebe für Musik wich bald einer neuen. Wohl führte, wie es schien, über die zärtliche Leiter der Töne der geradeste Weg zum Herzen der Dinge. Aber niemals ließen Töne sich festhalten. Nie ist mehr als bloß einer uns gegenwärtig und von dem ebenvergangenen bleibt kaum ein Erinnern. Musik ist ein sich von Ton zu Ton fortsetzendes Sterben.
Die Welt hingegen in ihrer ganzen Weite zu fassen, nebeneinander und gleichzeitig, vermag der Mensch nur im Schauen. So wird die sichtbare Welt zur Welt des Gesicherten und Gewussten. Alles ist offenkundig an ihr, alles vergleichbar. Eine bloß hörbare Welt hingegen bleibt flüchtig und unvergleichbar wie Wunder und Glauben.
Weshalb, wer erfahren will, ehe er glauben mag, das Geschaffene neu vor sich hinbreiten und den Spuren des Schöpfers auf tausend Wegen mühselig nachwandern muss.
Und das war Leonardo mit Pinsel und Farbe entschlossen zu tun.
Was darum schon an Leonardos frühesten Zeichnungen bestach, war ihre Genauigkeit und die war so auffällig, dass Ser Piero seinen Sohn zu Verocchio brachte, der Mathematiker, Goldschmied, Maler, Holzschnitzer und Bildhauer in einem war, und ihm auftrug, Leonardo auch in den anderen Künsten jene Gründlichkeit anzueignen, der keine Einzelheit unwichtig blieb.
Doch begab es sich, dass Leonardo im Zusammenfügen des Einzelnen zum Ganzen zu solch wundervollen Maßen gelangte, dass die herbere Arbeit des