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Tschapka. Mike Nebel
Читать онлайн.Название Tschapka
Год выпуска 0
isbn 9783748592488
Автор произведения Mike Nebel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
So ist gut, Männer, genau das seid ihr! Und wie machen wir unseren Job? Wie beim … ? Wie beim … ?“
Nichts rührte sich, Kaportzke musste selbst nachlegen und einmal mehr seine eigene Frage beantworten.
„Wie beim Katzenficken! Mensch, ihr Idioten, wie oft muss ich euch das denn immer wieder an den Latz knallen! Schnell müsst ihr sein, so schnell wie beim Katzenficken, verdammte Scheiße!“
Mal abgesehen davon, dass ich „Wanderheuschrecken“ weder hauchte noch schrie, stellte ich mir drei Fragen: Erstens, Kaportzke sprach vom Zernagen. Nagen Wanderheuschrecken? Ist es nicht eher ein Abfressen, wie das Abfressen von beispielsweise Weizenhalmen? Zweitens, wie viele Aufträge mögen unter einer Panzerung Platz finden? Nehmen wir beispielsweise einmal Kreisches angeblichen Panzer, der, kaum sichtbar, längst das Weite in seinem Knochengerüst gesucht und gefunden haben musste. Folglich konnte seine dürre Gestalt wenig Raum für das Sammeln von Aufträgen bieten. Drittens, und das war meine eigentliche geistige Irrfahrt: Katzenficken? Brachte Kaportzke hier nicht ein weiteres Mal etwas aus der Tierwelt durcheinander? Ich hatte vorher nie, nach dieser obskuren Veranstaltung allerdings auch nicht, kopulierende Katzen beobachtet, ging aber davon aus, dass Kaportzke von Hasen sprechen musste, vom allseits bekannten wilden Rammler. Ich wusste, wovon ich sprach, hatte mir doch vor Jahren in Berlin eine reichlich korpulente Studentin beim Kopulieren den Vorwurf gemacht, ich würde mich bewegen wie ein durchgeknallter Rammler. Da ich damals dachte, alles richtig gemacht zu haben, bedankte ich mich sogar für diesen Vergleich. Aber Katzenficken? Ich drehte mich kurz zu Kreische und fragte: „Katzenficken?“ „Ja, alles schnell.“ Dabei schlug er mit der Handinnenfläche dreimal ganz schnell gegen die andere Hand, mit der er Daumen und Zeigefinger kreisrund zu einem Loch formte. Ach so. Ach so geht das hier. Keine weiteren Fragen. Doch eine noch, die ich mir, nicht ihm, stellte. Warum sehe ich hier keine einzige Frau? Nicht einmal eine Frau war unter den sicherlich fünfzig Drückern auszumachen. Möglich, dass vor mir mal eine, so wie ich, hier reinschnupperte, nur um schon vor der ersten Kaffeepause von diesem Ort des Irrsinns zu flüchten. Der Irrsinn war nichts anderes als Kaportzkes persönlicher Höllenritt vor seiner Bande von traumatisierten, ausweglosen Vagabunden. Die Maske eines über seinen Schädel gezogenen, feuerspeienden Totenkopfes hätte seinen Auftritt sicher stilistisch einwandfrei abrunden können. Ein kleiner Inszenierungsmakel. Eigentlich schade. Zum wortgewaltigen, krönenden Abschluss streckte sich Kaportzke auf sagenhafte zwei Meter fünfundsiebzig empor, um dann mit weitgeöffneten Armen seine wahre Prophezeiung in den Raum zu speien. „Schon Morgen werdet ihr, wie nie zuvor, mir zeigen, dass ihr die besten katzenfickenden Wanderheuschrecken seid, die diese Firma je gesehen hat. Ihr werdet Aufträge einheimsen, als würde es kein Übermorgen geben. Und Übermorgen werdet ihr euch von den Erfolgen des ersten Tages noch hungriger durch die Stadt fressen, als gäbe es kein Überübermorgen. Und am Abend des dritten und letzten Tages werdet ihr mit Stolz in eure Aktenkoffer blicken, reichlich Beute zählen und unser Raubzug wird bis zum Morgengrauen des vierten Tages in einer Orgie der Überschwänglichkeit gebührend gefeiert. Dankt mir! Dankt mir dafür, dass ich euch dahin bringen werde. Die Stadt gehört nun euch!“
Ahmen, Herr Kaportzke. Dann fing Kaportzke an zu applaudieren und alle anderen äfften ihm nach. Außer Kreische und mir. Als die Meute sich wie vollends Benommene sogar dazu hinreißen ließ, im Stehen weiter sich die Hände wund zu klatschen, verzogen Kreische und ich uns an die Hotelbar. Wir verbrachten geschlagene sechs Stunden dort an der Bar, und immer wieder schnarrte mir Kreische ins Ohr, dass er in den nächsten drei Tagen zwanzig Aufträge machen werde. Ganz sicher zwanzig, wenn nicht sogar fünfundzwanzig oder dreißig, mal sehen. Mal sehen, wie es läuft und wie er drauf sein wird. Kreisches Problem war, wie er mir auch ohne Umschweife erzählte, dass er nur den Vormittag gut durchstehen kann. Am Vormittag wirke der Restalkohol noch, ab Mittag nicht mehr, wie er erklärte. Deshalb muss er mittags immer einen Kiosk oder einen Laden anfahren, um seinen Pegel wieder zu korrigieren, anzupassen, aufzuladen. Tut er es nicht, würden ihm am Nachmittag beim Kundengespräch die Augen zufallen. Ich verstand.
Gegen Mitternacht machten sich Kreische, Kaportzke und ein paar andere auf den Weg in die Lido-Bar. Da mir nicht danach war, Kaportzke und auch nicht Kreische, in Handtüchern um die Lenden gewickelt, durch die Lido-Bar umherwandern zu sehen, blieb ich an der Bar zurück und trank einen letzten irgendwas und dachte an den privaten Kaportzke. Ohne Höllenritt und dem arg vermissten Totenschädel. Er war sicherlich ein treusorgender Familienvater, der mit seinen Kindern im Vorschulalter Bauklotztürme baut und bei den ersten Gehversuchen im Lesen sich nützlich und pädagogisch liebevoll einzubringen weiß. Seine geliebte Gattin verwöhnt er an den Wochenenden mit zärtlichen Liebkosungen und nachts schläft er mit ihr regelmäßig ordentlich, ohne auch nur einen Moment an Katzenfickerei zu denken, oder das ein solch schnelles Kopulieren ihn übermannen könnte. Doch da war noch der andere Kaportzke. Der animalische Sektenführer, die selbst ernannte Oberheuschrecke. Ich war mir sicher, seine Frau hatte keine Ahnung von seinem zweiten Ich. Sollte sie ihn jemals posaunend vor seiner Kolonne erleben dürfen oder müssen, sie würde wohl die Kinder vor ihm wegsperren. Und sich selbst auch. Und was die Lido-Bar angeht – klingt doch eigentlich ganz harmlos nach einer Strandbar in Rimini –, jede Stadt hat eine Lido-Bar, mindestens eine, und Kaportzke kannte bestimmt alle. Doppelleben. Er hatte eines und somit zwei Leben. Hat nicht jeder, kann nicht jeder. Ich hatte ein solches nicht vorzuweisen. Ich überlegte, was das zweite Leben in meinem Fall für eines sein könnte. Tagsüber ein Nichts, nachts ein Doppelnichts? Tagsüber Bier, nachts Rotwein? Meine Kreativität ließ weiter nach und ich verzog mich auf Zimmer 102. Dann ging ich die Treppe hoch zu Zimmer 201. Mein Zimmer war 201. Ein kleiner Fall von Doppelleben, Ronny?
Am nächsten Morgen im Frühstücksraum, inmitten vieler aus der Kolonne, war die Welt wie ausgetauscht, wie eine ganz andere. Sämtliche Kolonnenmitglieder verhielten sich so, als wären sie dem Tode nahe, und egal, zu welchem Tisch ich meinen Blick schweifen ließ, von fressenden Wanderheuschrecken waren diese ausgelaugten Gestalten so immens weit entfernt, dass ich mir kaum vorstellen konnte, nur einer dieser tauben Tröpfe könne einen einzigen Auftrag an Land ziehen. Einige waren derart zittrig, dass sie nicht einmal ihr Frühstücksei vernünftig köpfen konnten. Einer schlug dreimal daneben, um dann schließlich aufzugeben und das Ei beiseitezuschieben. Der Einzige, der gut bei der Sache war, war Kreische. Der Restalkohol durchspülte in bester Stunde zur Frühstückszeit Kreisches Körper und Geist mit einer ungestümen Wildheit, die ihn pausenlos in unüberhörbare Selbstgespräche verstrickte. Mal waren seine Gedanken und Auswürfe in der Lido-Bar, mal schleuderte er seine persönliche Meinung über Kaportzke durch den Raum, was er lieber sein gelassen hätte, denn während seiner Arien nahm Kaportzke direkt am Tisch hinter uns Platz. Natürlich bekam er alles mit, wie alle im Umkreis von zehn Metern, doch Kaportzke ließ sich nichts anmerken und blieb ruhig. So ist das eben, wenn das Gehirn, wie in dieser Situation bei Kreische, nicht in Gehirnflüssigkeit, sondern noch in Rum schwimmt. Die meisten waren entweder an seinen unüberlegten Beschimpfungen längst gewöhnt oder zu stark mitgenommen, oder beides. Sie waren damit beschäftigt ihre Köpfe aufrechtzuhalten und nicht auf die geschmierten Marmeladenbrötchenhälften fallen zu lassen. Ich war gespannt auf den Tag, auf meine praktische Übung. Auf das Mitfahren bei einem der Wanderheuschrecken.
Als ich den Raum verlassen wollte und Kaportzkes Tisch streifte, griff er kurz zu. Er zog mich ganz nah fest an sich ran, sicherlich war sein Handgriff auch seinem Restalkohol geschuldet, und ich roch, dass er in der Früh wohl in Rasier- oder Toilettenwasser gebadet haben musste. Kaportzke roch, als wäre er sprungbereit für einen neuerlichen Besuch in der Lido-Bar.
„Luschke, du brauchst noch einen, bei dem du mitfahren kannst. Ich such dir einen aus, warte …“ Kaportzke ging ein paar Tische weiter zu einem Typen, der mir bisher nicht sonderlich auffiel. Ich konnte sehen, wie er mit ihm sprach und mit dem Finger auf mich zeigte. Dann kam er zu mir zurück.
„Du fährst mit Manfred mit. Luschke, hat dir einer schon mal gesagt, was rauskommt, wenn man Luschke ohne - K - ausspricht?“
„Nein, keine Ahnung Herr Kaportzke.“
„Na, Luschke, ist doch nicht schwierig, na, was ist es dann, na?“
„Ich habe keine Ahnung Herr Kaportzke, wirklich