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wegfressen. Tue etwas dagegen oder du landest vor der Tür.« Die scheltende Stimme gehörte zu einer Frau, die dem Tier einen energischen Tritt verpasst hatte. Finn wartete nicht, wie sich die Szene weiter entwickeln würde. Er suchte nach einem Fluchtweg und fand ihn. Er raste vorwärts und behielt ein schweres Eichentor fest im Blick. Es wurde schnell größer, während er darauf zuhielt. Gerade in dem Moment, als er darunter durchhuschte, miaute die aufgescheuchte Katze und versuchte, ihn noch mit einer Tatze unter dem Tor zu erwischen. Doch er hatte wiederum Glück.

      »Warum habe ich mir nur eine Maus als neue Gestalt ausgesucht?«, waren erneut seine Gedanken, während er einem Weg folgte, der das große Anwesen hinter sich ließ. Als sich Finn einmal umdrehte, sah er eine gewaltige Burganlage hinter sich. Auch wenn er diese jetzt aus der Entfernung und aus der Perspektive einer Maus nicht wirklich erkennen konnte, gewahrte er ihre riesigen Ausmaße als dunklen Schatten. Wem sie gehörte und wo er sich befand, konnte er jedoch immer noch nicht sagen. Die Anlage war ihm völlig fremd und wurde schon bald von Büschen und Bäumen verborgen.

      Da eine Haselmaus normalerweise tagsüber nicht aktiv ist, dauerte es auch nicht lange, bis Finn den unwiderstehlichen Drang verspürte, sich schlafen zu legen. Aber wo konnte er das gefahrlos tun. Sich vorher in seine natürliche Gestalt zu verwandeln, kam ihm vor lauter Müdigkeit nicht in den Sinn. Er schleppte sich vorwärts, bis er endlich ein kleines Gebüsch erreichte. Er huschte von der Straße, überquerte einen trockenen Graben und zwängte sich durch dichtes Gestrüpp. Er hangelte sich an dünnen Halmen nach oben und blickte direkt in einen größeren Wald, in dem sogar riesige Felsbrocken verstreut umherlagen. Plötzlich rutschte die kleine Maus ab. Der Elf hatte sich erstaunt eine Pfote vor die Schnauze gehalten und dadurch seinen sicheren Halt verloren. Er stürzte und landete in weichem Gras. Völlig entkräftet schloss er die Augen und fiel in tiefen Schlaf.

      Als Finn endlich erwachte, war es völlig dunkel um ihn. Er hörte Geräusche der Nacht, die ihm seltsam fremd erschienen. Er hatte zuerst vergessen, welche Gestalt er in der vorigen Nacht angenommen hatte. Seine Nase schnupperte. Es roch eindeutig nach frischer Nahrung. Er wusste schon nicht mehr, wann er zuletzt etwas gegessen hatte. War das gestern oder davor? Ehe er sich anders besinnen konnte, folgte er seinen Sinnesorganen. Schon bald knabberte er an einer Beere, deren Saft erfrischend und süß schmeckte. Als sich Finn gestärkt hatte, kehrte die Erinnerung zurück. Doch wo er in diesen Wald eingedrungen war, wusste er schon nicht mehr. Dass es kein Gebüsch war, hatte er bereits festgestellt, als er sich einen ersten Überblick verschaffen wollte und abgestürzt war. Bei seiner Futtersuche, als er nur seiner Nase folgte, hatte er nicht auf den Weg geachtet. Schon bald meinte er, bereits seit Stunden zwischen großen Bäumen hindurchgelaufen oder großen Steinbrocken ausgewichen zu sein. Der junge Elf musste sich dringend orientieren. Ideal wäre sicher einer dieser glatten Granitbrocken. Obwohl das für eine echte Haselmaus sicher ein Leichtes gewesen wäre, rutschte er immer wieder ab. Finn folgte seinem Elfenverstand und schaffte es gerade deshalb nicht, obschon er es ein paarmal versuchte. Als er einen abgebrochenen Ast entdeckte, der weit emporragte und dadurch ebenfalls einen guten Überblick versprach, zögerte er nicht. Diesmal war es für ihn auch als ungeübte Haselmaus nicht besonders schwierig, hinaufzugelangen. Als er sich oben angekommen etwas aufrichten wollte, stürzte er dann doch ab.

      Finns Gedanken kehren in die Gegenwart zurück. Die Sonne hat sich etwa handbreit über den Horizont erhoben, was er hier im Wald jedoch nur erahnen kann. Er merkt es daran, dass sein Körper bereits wieder Ruhe verlangt. Aber er gibt diesmal nicht nach. Wenn er der Schleiereule entkommen möchte, ist dazu jetzt die beste Gelegenheit. Seine Beine scharren und schieben den kleinen Körper unter dem Baumstamm hervor. Vorsichtig schnuppert er. Seine schwarzen Knopfaugen blicken unsicher umher. Sollte der lautlose Jäger der Nacht ihn doch noch fassen? Er hofft inbrünstig, dass es ihm gelingt, den Gestaltwandel zurückzunehmen, und murmelt schnell »Muto speciem«, während er sich fest seine eigene Gestalt vorstellt.

      Gerade als Finn den Spruch beendet, wird es um ihn dunkel. Hat ihn jetzt doch noch die Schleiereule erwischt? Komisch ist aber, dass er keinerlei Schmerzen verspürt. Doch das könnte daran liegen, dass Eulen, anders als Katzen, ihre Beute schnell töten, dann würde er natürlich keine Empfindungen mehr haben.

      »Aber warum kann ich dann noch denken?« Der junge Elf ist völlig verwirrt. Plötzlich scheint der Boden unter ihm zu schwanken. Dann hat er das Gefühl, als ob er sich nach oben bewegen würde. Da das keinesfalls aus eigener Kraft geschieht, wird ihn der Nachtjäger wohl gerade mit in die Luft nehmen. Vielleicht wird er zu einem Nest in einer Baumhöhle oder Scheune gebracht, um an junge Eulen verfüttert zu werden. Aber halt, jetzt scheint es von oben hell zu werden.

      »Ja, wen haben wir denn da?«, ertönt eine seltsame, knarzige Stimme. Finn richtet seine Ohren dorthin und sein immer noch vorhandenes, kleines Schnäuzchen prüft zitternd die Luft. Sofort verharrt die Haselmaus in ihrer Bewegung.

      »Wie kann das sein?« Der Elf ist verwirrt. »Ich habe doch den Gestaltwandlungszauber vollständig ausgesprochen. Sollte ich dabei etwas falsch gemacht haben? Hm. Es könnte natürlich sein, dass ich den Spruch als Haselmaus nicht richtig artikulieren konnte. Aber warum spricht mich die Eule so an, als wäre sie über meinen Anblick erstaunt?« Finn schüttelt den Kopf und blickt dorthin, woher das Licht kommt. Sollte er für einen kurzen Moment vor Schreck seine Sehkraft eingebüßt haben, als er von den tödlichen Krallen der Schleiereule ergriffen wurde, und jetzt kehrt sie zurück? Doch nun wird es erneut dunkel.

      »Da habe ich endlich Erfolg gehabt! Wie stand es doch in dem alten Buch? »Am ersten bis fünften Morgen nach einem Blutmond kannst du mit Glück jedes magische Wesen sehen. Es hinterlässt eine Leuchtspur, die in der Dämmerung sichtbar ist. Am Mittag des fünften Tages wird die Spur vergehen.« Jetzt hat es bereits am zweiten Morgen geklappt, da kann ich heute Nacht ausschlafen. – Hm. Seltsam ist aber, dass es magische Haselmäuse gibt. Ich muss in meinen Büchern nachschauen. Vielleicht kann mir Cloe einen Tipp geben? Aber jetzt sollte ich hier schleunigst verschwinden, bevor einer der Zauberer des Mondes mich hier entdecken kann. Portaro!«

      Während Finn noch versucht, sich aus dem Gehörten einen Sinn zusammenzureimen, hört er schon wieder die fremde Stimme, die er mittlerweile einer Frau zuordnet.

      »Mein Schatz, ich bin zurück. Kannst du mal schnell kommen? Ich bin im Wohnzimmer.« Der junge Elf wundert sich, wo er jetzt wohl sein mag. Zumindest nicht im Nest einer Eule, die ihn gleich verfüttern will.

      »Das ist schon einmal gut. Aber warum hat mich diese Frau gefangen und was will sie mit mir? Ist sie auf der Suche nach magischen Wesen, die sie für alchemistische Zwecke nutzen will?«

      »Hallo Mom«, vernimmt er jetzt eine junge, angenehme Mädchenstimme. »Was gibt es denn so Wichtiges?«

      »Jetzt schau dir das mal an.« Finn spürt, wie er hin und her geschaukelt wird, bevor es über ihm wieder hell wird. Er überlegt, welchen Zauber er anwenden soll und richtet sein Schnäuzchen nach oben. Eine seiner Pfoten ist bereits dorthin gerichtet, als er erstaunt innehält.

      »Oh, wie niedlich. Eine kleine Haselmaus. Warum hast du die denn …? Ähem, warum hast du sie im Wald gefangen und hergebracht? Wir sollten sie wieder zurückbringen. Vermutlich ist sie starr vor Angst. Schau nur, wie ihre Knopfaugen nach oben blicken!«

      »Ach, Quatsch. Das ist doch keine einfache Maus. Ich habe sie mitgenommen, weil sie magische Kräfte besitzt. Hörst du, sie beherrscht Magie.«

      Der junge Elf weiß nicht, woher die Frau das wissen kann, doch er zögert noch, sie anzuwenden, weil ihm das Gesicht gefällt, das er erkennen kann.

      Helle, große, blaue Augen mit kleinen, grauen Einsprenkelungen blicken ihn an. Auf und um die gerade Nase des Mädchens sind vereinzelt schwache Sommersprossen sichtbar. Ihr Alter zu schätzen fällt Finn schwer. Wenn sie eine Elfe ist, könnte sie etwa so alt wie er selbst sein. Als Menschenkind wäre sie vermutlich so um die 16 Jahre. Als sie jetzt den Kopf etwas zurückzieht und zur Seite blickt, kann er ihr mittelblondes, nicht ganz schulterlanges, glattes Haar sehen, das in der Mitte gescheitelt

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