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der sich fassungslos an den Kopf fasste.

      „Kann ich zu ihm?“, fragte er nach einer stillen Weile und endlich schien Henry aus seiner Starre zu erwachen.

      „Warum?“, fragte er, ihn überrascht ansehend.

      „Warum? Weil ich ihn sehen möchte! Und sprechen! Wenn du ihm keine Gelegenheit gibst, sich zu rechtfertigen, möchte ich wenigstens erfahren, weshalb und warum“, antwortete Richard verständnislos.

      „Ah! Wie bei Sybilla, ja?“, nickte Henry ihm zu und Richard griff sich erneut seufzend an die Stirn.

      „Henry! Ich bin auf deiner Seite, wirklich! Ich heiße ganz gewiss nichts gut, weder Sybillas noch Amanoues Verhalten, aber ich möchte mir eben ein eigenes Bild darüber machen. Und ehrlich gesagt, bin ich völlig durcheinander, im Moment! Mir schwirrt der Kopf über das, was ich heute alles erfahren habe oder musste. Vielleicht sollten wir erstmal darüber schlafen und morgen beraten wir uns weiter, ja?“, versuchte er ihn zu besänftigen, was Henry jedoch mit einem Schnauben quittierte.

      „Morgen, Übermorgen, Überübermorgen, was soll sich ändern?“, fragte er ihn mit schiefgelegtem Kopf. „Nichts ist mehr so, wie es war und es wird auch nie mehr so werden, jedenfalls nicht für mich.“

      Richard konnte nur wieder seufzen, schwer und voller Mitgefühl. Er klopfte seinem Neffen noch tröstlich das Knie und erhob sich. „Versuche zu schlafen und glaube mir, die Zeit heilt jede Wunde oder macht es zumindest erträglicher“, sagte er bitter und schlurfte hinaus.

      Allerdings schlug er den Weg zu Gregorius` Gemächern ein und klopfte wenig später an dessen Tür, die auch gleich darauf von Marius geöffnet wurde. „Euer Gnaden?!“, grüßte der junge Mann erstaunt.

      „Verzeiht die späte Störung, kann ich mit dir und deinem Meister sprechen?“, fragte der Herzog und Marius trat sofort zur Seite.

      „Aber sicher, bitte, tretet ein“, erwiderte er, sich verbeugend.

      Richard nickte ihm lächelnd zu und schritt ins Vorzimmer, während Marius nach Gregorius rief. Der Heiler kam überraschten Blickes aus dem Schlafraum und hielt verdutzt inne. „Kann ich Euch sprechen?“, fragte der Herzog und Gregorius machte eine einladende Handbewegung zu den Sitzplätzen hin.

      „Euer Gnaden, welch Ehre“, antwortete er und beide setzten sich. „Nun, womit kann ich Euch dienen?“, fragte er ihn freundlich und Richard verzog derart missmutig das Gesicht, dass Gregorius unwillkürlich nickte. „Aha, ich kann es mir schon denken“, meinte der Heiler daraufhin und sah zu seinem Gehilfen auf. „Marius, bringe uns doch einen Krug von dem Gewürzwein, den wir vorhin aufgesetzt haben, ja?“

      Marius nickte nur, holte den heißen Wein und drei Becher, goss ein und setzte sich ebenfalls. „Danke“, raunte Herzog Richard und umfasste seinen mit beiden Händen.

      „Vorsicht, heiß“, warnte Gregorius und nippte an seinem Getränk. „Mmh, genau richtig gewürzt, gut gemacht“, lobte er Marius lächelnd. „Es gibt nichts besseres, an einem kalten Winterabend, als ein gut gewürzter, heißer Wein, nicht wahr? Besonders in unserem Alter!“

      Richard schloss kurz die Augen, dann sah er sie beide fast flehend an. „Wie geht es Amanoue? Lebt er?“, fragte er tief besorgt und ohne Umschweife.

      Gregorius und Marius blickten sich in stummer Verständigung an und letzterer nickte schließlich. „Ja, er ist am Leben. Ihr wisst, was geschah? Dass ich ihm das Geschwür herausgeschnitten habe?“, fragte er und Richard nickte kurz. „Es stand wirklich schlimm um ihn und so lange hatte er noch nie gebraucht, um sich zu erholen. Drei Wochen kämpfte er um sein Leben und ich war Tag und Nacht bei ihm, denn sonst durfte niemand zu ihm, seine Majestät hatte es verboten“, fuhr er beinahe angewidert fort, „und das gestattete er auch nur später und weil Gregorius ihn darum anbettelte!“

      „Marius!“, rügte der auch gleich.

      „Warum nimmst du ihn immer in Schutz? Ich verstehe es nicht! Ich verstehe dich nicht und das in hundert Jahren nicht! Amanoue wäre gestorben! Und er hätte eiskalt dabei zugesehen! Von mir aus, soll er verrecken! Sagte er uns ins Gesicht!“, blaffte Marius Richard wütend an und der senkte mit geschlossenen Augen bitter den Blick.

      „Das sagte seine Majestät doch nur im ersten Moment seiner tiefen Trauer! Er hatte sein Kind verloren und…“

      „Und, und, und! Ich kann es nicht mehr hören!“, fauchte Marius aufspringend. „Ich war als einziger bei ihm und habe wenigstens versucht, ihn zu retten, während du doch nur Henrys Händchen gehalten hast!“

      „Marius! Seiner Majestät ging es ebenfalls sehr schlecht und jemand musste sich auch um ihn kümmern! Ich habe eben mittlerweile ein ganz gutes Verhältnis zu ihm aufgebaut…“, rechtfertigte Gregorius sein Handeln und wieder unterbrach ihn sein Gehilfe.

      „Oh ja, Verhältnis! Das glaube ich inzwischen gern! Tagtäglich sitzt du bei diesem Scheusal und sprichst ihm auch noch Mut zu!“, schrie Marius nun schon beinahe.

      „Bitte, Marius, ich möchte nur wissen, wie es ihm jetzt geht und habt vielen Dank, für alles“, versuchte Richard daher schnell die Wogen zu glätten.

      „Was denkt Ihr wohl, hm?“, fuhr Marius erzürnt zu ihm herum. „Drei Wochen lag er nur da, von Fieberkrämpfen geschüttelt, ohne Nahrung aufnehmen zu können und es ist mir ein Rätsel, wie er dies überhaupt überleben konnte! Ich habe ihm nur Brühe einflößen können und auch nur heimlich! Ich schlich mich täglich hintenherum, über die Treppe, die zum Geheimgang führt und seit er wach ist, stehen auf Anweisung seiner Majestät zwei Wachen vor seiner Tür, damit niemand sonst zu ihm rein kann! Weil er“, er zeigte auf Gregorius, „es seiner Majestät ja brühwarm berichten musste! Daraufhin verbot dieser Mistkerl mir jeglichen weiteren Kontakt zu Manou und lässt ihn seither bewachen. Zwei volle Tage war er vollkommen allein dort eingesperrt!“

      „Marius! Zum letzten Mal, ich verbiete dir, derart über seine Majestät zu lästern!“, tadelte Gregorius ermahnend und sein Blick schien dabei zu sagen: `Und das auch noch vor einem Mitglied des Königshauses´!

      „Na und? Es ist mir gleich! Von mir aus kann jeder hören, was ich von deinem Henrylein halte!“, knallte Marius ihm trotzdem an den Kopf.

      „Ich gehe wohl besser“, raunte Richard betreten und wollte schon aufstehen.

      „Bitte, Euer Gnaden, vergebt meinem jungen Gehilfen! Es ist die jugendliche Unreife, die aus ihm spricht und sein ungezügeltes Temperament…“

      „Jugendliche Unreife?“, schrie Marius völlig fassungslos.

      „Bitte! Es reicht! Marius!“, ging der Herzog jetzt doch ziemlich energisch dazwischen. „Was ist denn nur los, mit dir? So kenne ich dich gar nicht! Du warst doch sonst immer so ruhig und besonnen, ist ja schon gut! Von mir aus kannst du meinen Neffen betiteln, wie du möchtest, es interessiert mich nicht, hörst du? Im Augenblick interessiert mich nur Amanoue und wie wir ihm helfen können! Denn in einem hast du recht! Auf seine Majestät können wir hierbei wohl nicht mehr zählen, das ist auch mir inzwischen klargeworden“, sagte er bedauernd aber eindringlich. „Er hat auch mir so etwas ähnliches gegenüber angedeutet, indem er sagte, dass Amanoue von ihm aus verrotten könne, also beruhige dich“, hängte er milder an.

      „Und wie wollt Ihr ihm helfen?“, fragte Marius nicht gerade überzeugt.

      „Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht, aber ich werde Brac mit ins Boot holen! Vielleicht kann der wenigstens zu Henry durchdringen“, antwortete Richard und so suchte er den noch am gleichen Abend auf.

      ***

      Gleich nach dem Mittagessen ließ Henry Sybilla erneut zu sich in die kleine Halle zitieren und dieses Mal wirkte die Königin um einiges gefasster. Sie trug wieder Schwarz und das verlieh ihr noch zusätzlich etwas Erhabenes. Stolz und ebenso unnahbar wie Henry am Vortag stand sie vor dem großen Tisch und sah ihren drei Richtern geradewegs ins Gesicht.

      „Seine Majestät und wir haben uns erneut über Euren Fehltritt, wenn ich

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