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»Ich schwör' Euch, bei Allem, was jemals Narren glaubten, daß Ihr es mit Einem zu thun habt, dem es ein Kleines ist, Euch nackend auszuziehn, an einen Baum zu binden und Eurem Schicksal zu überlassen.«

      »Nein,« fiel Marthon ein, »mit Eurer Gunst, sie soll nicht gemißhandelt werden. Ich trage ein Messer so gut als Ihr, und weiß es zu brauchen. Sie ist ein gutes Weib, wiewohl eine Närrin. – Und Ihr, Madame, steht auf und folgt uns. – Hier ist ein Irrthum vorgegangen; aber es ist schon etwas, Leib und Leben gerettet zu haben. Es sind Viele in jenem Schloß, die den Reichthum der ganzen Welt darum gäben, zu stehen, wo wir jetzt stehn.«

      Während Marthon sprach, schallte von Schloß Schönwald herüber ein Getöse, in welchem sich der Siegesjubel mit dem Geschrei des Schreckens und der Verzweiflung mischte.

      »Hört Ihr, Dame!« sagte Hayraddin, »seid dankbar, daß Ihr Eure Stimme nicht mit in jenem Concert hören lassen müßt. Glaubt mir, ich will ehrlich für Euch sorgen, und die Sterne werden ihr Wort halten und Euch einen guten Gemahl finden lassen.«

      Gleich einem wilden Thier, erschöpft und gezähmt durch Schrecken und Ermüdung, überließ sich die Gräfin Hameline der Leitung ihrer Führer, und ließ sich widerstandslos führen, wohin jene wollten. Ja, so sehr war ihr Gemüth in Verwirrung und ihre Kraft erschöpft, daß das würdige Paar, welches sie halb trug, halb führte, seine Unterhaltung in ihrer Gegenwart fortsetzte, ohne daß sie etwas davon verstand.

      »Ich dachte immer, daß Euer Plan thöricht sei,« sagte Marthon. »Hättet Ihr die jungen Leute zusammenbringen können, so hätten wir sicherlich eine Stütze an ihrer Dankbarkeit gefunden und ein Plätzchen in ihrem Schlosse. Aber wird ein so hübscher junger Mann solch eine alte Närrin heirathen?«

      »Rizpah,« sagte Hayraddin, »du hast den Namen einer Christin geführt und in den Zelten dieses bethörten Volks gewohnt, bis du eine Theilnehmerin ihrer Thorheiten geworden bist. Wie konnte ich träumen, daß ihm ein paar Jahre jünger oder älter Bedenklichkeiten machen würde, da die Vortheile der Heirath so augenscheinlich waren? Und du weißt, daß sich schwerlich jenes junge Weib hätte bewegen lassen, so frei zu handeln, wie diese lüsterne Gräfin hier, die uns centnerschwer auf den Armen hängt wie ein Wollsack. Ich liebte den Burschen auch, und hätt' ihm gern einen Gefallen gethan: und ihn mit diesem alten Weibe verheirathen, hieß sein Glück machen – ihn mit Isabellen verbinden, hätt' ihm aber den von der Mark, Burgund, Frankreich und Alle auf den Hals gebracht, die Anspruch machen, über ihre Hand zu verfügen. Und dieses einfältigen Weibes Reichthum besteht in Gold und Juwelen, wovon wir unser Theil bekommen hätten. Aber die Bogensehne ist gerissen, und der Pfeil ging fehl. Fort mit ihr – wir wollen sie zu Wilhelm mit dem Bart bringen. Unterdessen wird er sich, wie gewöhnlich, betrunken haben, er wird eine alte Gräfin von einer jungen nicht zu unterscheiden wissen. Fort, Rizpah – sei gutes Muths! der klare Aldebaran hat immer noch Einfluß auf das Geschick der Kinder der Wüste!«

       Verwüstung und Plünderung.

      Die Gnadenpforten sind verschlossen alle,

       Der wilde Krieger, rauh und harten Sinn's,

       Wird frei die blut'ge Hand nun walten lassen,

       Denn höllenweit ist sein Gewissen.

       Heinrich V.

      Die überrumpelte und erschreckte Besatzung des Schlosses Schönwald hatte trotzdem eine Zeit lang ihr Bestes gethan, um den Platz gegen die Angreifer zu vertheidigen; aber die ungeheuren Schaaren, die, von der Stadt Lüttich hervordringend, zum Angriffe gleich Bienenschwärmen strömten, theilten ihre Aufmerksamkeit und erschütterten ihren Muth.

      Desgleichen entstand endlich Ueberdruß, wo nicht Verrath, unter den Vertheidigern; denn manche riefen, man solle sich ergeben, und andere verließen ihren Posten und versuchten vom Schlosse zu entfliehen. Viele stürzten sich selbst von den Mauern in den Graben, und die nicht ertranken, warfen ihre Abzeichen von sich und retteten sich dadurch, daß sie sich unter den bunten Haufen der Angreifenden mengten. Einige wenige sammelten sich, aus Anhänglichkeit an des Bischofs Person, um denselben, und fuhren fort, die große Warte zu vertheidigen, wohin er sich geflüchtet hatte; und andere, die keinen Pardon erwarteten oder von einem verzweifelten Muthe angetrieben, vertheidigten sich auf andern abgesonderten Bollwerken oder Thürmen des ausgedehnten Gebäudes. Aber die Angreifenden hatten von den Höfen und untern Theilen des Schlosses Besitz genommen, verfolgten eifrig die Besiegten und suchten nach Beute, während ein Einzelner, als ob er den Tod suchte, vor dem alle andern flohen, sich bemühte, einen Weg durch die Scene des Tumults und des Schreckens zu erzwingen, unter Besorgnissen, die seiner Einbildungskraft weit schrecklicher waren, denn die Wirklichkeit, die sich ringsum seinem Blicke bot. Wer Quentin Durward in jener unheilvollen Nacht gesehen hätte, ohne zu wissen, was er beabsichtigte, hätte ihn für einen Rasenden gehalten; wer seine Beweggründe gewürdigt hätte, der würde ihn den romantischen Heroen beigezählt haben.

      Da er sich Schönwald von derselben Seite näherte, von der er es verlassen hatte, so traf der Jüngling verschiedene Flüchtlinge, die nach dem Walde strebten und ihm natürlich als einem Feinde auswichen, weil er in einer ihrem Wege entgegengesetzten Richtung kam. Als er näher kam, hörte er und sah zum Theil auch Männer, die von der Gartenmauer in den Schloßgraben sprangen, und andre, die durch die Angreifenden von den Festungswerken gestürzt zu sein schienen. Sein Muth wankte auch keinen Augenblick. Es war keine Zeit, sich erst nach dem Boote umzusehn, wenn es auch anwendbar gewesen wäre, und vergebens war es, sich der Hinterthür des Gartens zu nähern, die von Flüchtigen verstopft war, die dann und wann, je nachdem sie von den Nachkommenden gedrängt wurden, in den Graben fielen, den sie aus Mangel an Mitteln nicht passiren konnten.

      Diese Stelle vermied Quentin, und stürzte sich in den Graben in der Nähe des sogenannten kleinen Schloßthors, wo sich eine, jetzt aber aufgezogne, Zugbrücke befand. Mit Schwierigkeiten vermied er den unheimlichen Griff so manches untersinkenden armen Teufels, und, nach der Zugbrücke schwimmend, erfaßte er eine der Ketten, die herabhingen, und schwang sich mit eben so viel Geschick als Kraftaufwand aus dem Wasser empor, indem er die Plattform erfaßte, an welcher die Brücke befestigt war. Als er mit Händen und Knieen kämpfte, um festen Fuß zu gewinnen, trat ein Lanzknecht, mit dem blutigen Schwert in der Hand, herzu, und erhob seine Waffe zu einem Streiche, welcher tödtlich hätte werden müssen.

      »Wie, Kerl!« sagte Quentin in gebieterischem Tone – »ist das die Weise, nach welcher du einem Kameraden beistehst? – Reich' mir deine Hand.«

      Schweigend und zögernd reichte ihm der Krieger seinen Arm und half ihm hinauf, wo der Schotte, ohne jenem Zeit zum Nachdenken zu lassen, in demselben befehlenden Tone fortfuhr: »Zu dem westlichen Thurme, wenn du reich werden willst – des Priesters Schatz ist im westlichen Thurme.«

      Diese Worte fanden überall Wiederhall: »Zum westlichen Thurme – der Schatz ist im westlichen Thurme!« und alle Plünderer, zu denen der Ruf drang, schlugen, gleich einer Heerde rasender Wölfe, diese Richtung ein, welche jener entgegengesetzt war, die Quentin auf Tod und Leben zu verfolgen entschlossen war.

      Indem er sie betrog, als gehöre er zu den Siegern, nicht zu den Besiegten, gelangte er in den kleinen Garten und eilte hindurch, mit weit weniger Hindernissen, als er erwartet hatte; denn der Ruf: »Zum westlichen Thurme«, hatte einen Theil der Angreifer hinweggezogen, und ein andrer ward mittelst Wehrgeschrei und Trompetenschall zusammengerufen, um einen verzweifelten Ausfall zurücktreiben zu helfen, den die Vertheidiger der Warte versuchten, welche gehofft hatten, einen Weg aus dem Schlosse zu gewinnen und den Bischof mit sich hinwegzuführen. Quentin durchschritt daher den Garten mit hastigem Schritt und bebendem Herzen, indem er sich den himmlischen Mächten empfahl, die ihn in zahllosen Lebensgefahren beschirmt hatten, und so ermuthigte ihn sein kühner Entschluß, dies verzweifelte Unternehmen wohl zu vollbringen, oder zu sterben. Eh' er den Garten noch erreicht hatte, stürzten ihm drei Männer mit eingelegten Lanzen entgegen und mit dem Rufe: »Lüttich, Lüttich!«

      Er setzte sich in Vertheidigungsstand, jedoch ohne einen Streich zu führen, und erwiderte: »Frankreich, Frankreich, Lüttichs Freund!«

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