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früher schon vorgeschützte Kopfweh wieder als Entschuldigung für sein Nichterscheinen bei dem gemeinsamen Abendessen, zündete sein Licht an und zog sich auf das ihm angewiesene Zimmer zurück, um zu lesen, und immer wieder zu lesen, und den Ring, der nicht minder köstlich als das Briefchen war, tausendmal zu küssen.

      Aber solche hochgespannte Gefühle konnten nicht lange in derselben schwärmerischen Weise anhalten. Ein Gedanke lastete auf ihm, obwohl er ihn als undankbar, ja, als eine Lästerung zu verbannen strebte: daß nämlich ein so freies Bekenntniß von Seiten jener, die es machte, weniger Zartgefühl verrathe, als sich mit dem hochromantischen Gefühle, womit er bisher die Gräfin Isabelle verehrt hatte, verträglich schien. Kaum wollte sich dieser unedle Gedanke eindrängen, als er ihn zu ersticken eilte, wie er eine zischende, verhaßte Natter erdrückt haben würde, die sich in sein Lager geschlichen hätte. War es an ihm – an ihm, dem Begünstigsten – um dessen willen sie von ihrer hohen Sphäre niedergestiegen war, ihre herablassende Handlung zu tadeln, ohne welche er nicht hätte wagen dürfen, die Augen zu ihr zu erheben? Ueberhob sie nicht ihr hoher Rang, so wie ihre Lage im gegenwärtigen Falle der üblichen Regeln, welche der Dame Schweigen auflegen, bis zuerst der Liebende gesprochen hat? diesen Beweisgründen, die er kühn zu Vernunftschlüssen machte, fügte auch wohl seine Eitelkeit noch einen andern bei, den er selbst im Innern nicht mit derselben Dreistigkeit anzuerkennen wagte: – daß das Verdienst des Geliebten der Dame gestatten möge, etwas von den üblichen Regeln abzuweichen; und bei alledem gab es auch für diesen Fall, wie bei Malvolio, ein Beispiel in der Chronik. Der Knappe von niederem Rang, von dem er nur erst gelesen hatte, war, gleich ihm selber, ein Edelmann ohne Land und Güter, und doch erwies ihm die edle Prinzessin von Ungarn ohne Bedenken mehr wesentliche Zeichen ihrer Gunst, als das Briefchen war, welches er eben empfangen: –

      »Willkommen, süßer Knappe mein,

       Mein Herzallerliebster sollst du sein,«

       Sprach sie: »dir geb' ich der Küsse drei

       Und noch fünfhundert Pfund dabei.«

      Und dann ließ die nämliche wahrhafte Geschichte den König von Ungarn selber bekennen:

      »Ich kannte so manchen Pagen schon,

       Der durch Heirath hatt' erlangt einen Thron.«

      So daß, nach Allem diesem, sich Quentin voll Edelmuth und Großmuth mit einem Benehmen der Gräfin versöhnte, welches ihm jedenfalls hohe Vortheile gewähren mußte.

      Aber diesem Bedenken folgte ein anderer Zweifel, der schwerer zu verdauen war. Der Verräther Hayraddin war in der Wohnung der Damen gewesen, und zwar, so viel Quentin wußte, vier volle Stunden lang; erwog er nun die Winke, die jener darüber gegeben hatte, daß er einen bedeutenden Einfluß auf Quentins Schicksal besitze, wer bürgt diesem dann, daß nicht Alles ein Werk des Zigeuners war? und wofern dieß richtig, war dann nicht wahrscheinlich, daß dieser Schurke dadurch einen neuen verrätherischen Plan verbergen wollte – vielleicht um Isabellen dem Schutze des würdigen Bischofs zu entführen? Dies war eine Sache, die überlegt sein wollte, denn Quentin fühlte gegen diesen Menschen einen Widerwillen, welcher eben so groß war, als die Unverschämtheit, womit jener seine Schändlichkeit eingestanden hatte, und überhaupt war nicht zu hoffen, daß irgend etwas, worein er sich mischte, einen ehrenvollen oder glücklichen Ausgang nehmen könnte.

      Die verschiedenen Gedanken zogen über Quentins Seele wie trübe Wolken, um die schöne Landschaft, die seine Phantasie erst gezeichnet hatte, zu verdunkeln, und schlaflos brachte er die Nacht auf seinem Lager zu. Zur Stunde der Frühmetten, ja, noch eine Stunde zuvor, war er im Schloßgarten, wo sich seinem Eintritte oder seinem Verweilen jetzt Niemand widersetzte; er trug Federn von der bezeichneten Farbe, so gut er sie sich in solcher Eile hatte verschaffen können. Fast zwei Stunden lang ward von seinem Erscheinen keine Notiz genommen; endlich hörte er einige Lautenaccorde, und alsbald öffnete sich das Fenster gerade über der kleinen Hinterthür, zu welcher Marthon Hayraddin eingelassen hatte, und an der Oeffnung erschien Isabelle in jungfräulicher Schönheit, grüßte ihn halb freundlich, halb schüchtern, tief erröthend, als er sich, ihre Artigkeit erwidernd, ehrerbietig und bedeutungsvoll verbeugte; – da schloß sie das Fenster und verschwand.

      Nicht Tageslicht noch Champagner konnten mehr entdecken! die Aechtheit des Briefchens war verbürgt – nur was folgen sollte blieb noch zu erklären, und davon hatte die schöne Schreiberin keinen Wink gegeben. Doch drohte keine unmittelbare Gefahr. – Die Gräfin war in einem festen Schlosse unter dem Schutz eines Fürsten, der sowohl geachtet durch sein weltliches, als verehrt durch sein geistliches Ansehn war. Da gab es für den freudigen Knappen weder Raum noch Gelegenheit, um für den Augenblick ein Abenteuer zu bestehen, und es war hinreichend für ihn, sich stets bereit zur Ausführung ihrer Befehle zu halten, so bald sie ihm mitgetheilt werden sollten. Aber das Schicksal wollte ihn eher zum Handeln auffordern, als er sich's vermuthete.

      Es war die vierte Nacht nach seiner Ankunft auf Schönwald, als Quentin Maßregeln getroffen hatte, am folgenden Morgen den zweiten Reitknecht, der ihn auf der Reise begleitet hatte, nach Ludwigs Hofe mit Briefen an seinen Oheim und Lord Crawford zurückzusenden, worin er dem Dienste Frankreichs entsagte, was er durch Gründe der Ehre und Klugheit entschuldigte, als eine Folge der Verrätherei, welcher er durch Hayraddin's geheime Instructionen ausgesetzt worden war. Darauf legte er sich zu Bette, mit all' den rosenfarbenen Gedanken umringt, die das Lager eines Jünglings umflattern, wenn er innig liebt und seine Liebe eben so aufrichtig erwidert glaubt.

      Aber Quentins Träume, die erst die Natur jener seligen Gedanken, unter denen er entschlummert war, gehabt hatten, nahmen allmählich einen furchtbaren Charakter an.

      Er wandelte mit der Gräfin Isabelle zur Seite eines spiegelglatten Landsee's, ähnlich dem, welcher sein heimathliches Thal hauptsächlich charakterisirte. Er sprach mit ihr von seiner Liebe, ohne an eines der Hindernisse zu denken, welche zwischen ihnen lagen. Sie erröthete und lächelte, während sie zuhörte, – gerade wie es nach dem Inhalt des Briefchens zu erwarten war, welches, in Schlaf und Wachen, an seinem Herzen ruhte. Aber die Scene verwandelte sich plötzlich aus Sommer in Winter – aus Ruhe in Sturm; der Wind und die Wellen erhoben sich so tobend und brausend, als ob die Geister des Wassers und der Luft um ihre Herrschaft einen heftigen Wettstreit begonnen hätten. Die wogenden Fluthen schienen weder vordringen noch zurückgehen zu können – der anwachsende Sturm, welcher sie gegen einander warf, schien gleichwohl ihr Verweilen an dem Ort unmöglich zu machen, und die stürmischen Empfindungen, welche durch die scheinbare Gefahr erregt wurden, erweckten den Träumer.

      Er erwachte; aber obwohl seine Traumgebilde verschwunden waren und der Wirklichkeit Raum gegeben hatten, so fuhr doch der Lärm, der sie wahrscheinlich erzeugt hatte, fort, in Quentins Ohr zu dringen.

      Sein erster Antrieb war, sich im Bette aufzurichten und mit Erstaunen auf Töne zu lauschen, die, wenn sie einen Sturm verkündigt hätten, den wildesten beschämt haben würden, der je von den Grampians niederbrach; in der nächsten Minute überzeugte er sich, daß der Tumult nicht durch die Wuth der Elemente, sondern durch den Zorn der Menschen erregt wurde.

      Er sprang vom Lager und schaute durch das Fenster seines Gemachs; aber es ging nach dem Garten, und von dieser Seite war Alles ruhig, obwohl das Oeffnen des Fensters, durch das Getöse, welches an sein Ohr schlug, ihn noch mehr überzeugte, daß die Außenseite des Schlosses belagert und angegriffen war, und zwar von einem zahlreichen und entschlossenen Feinde. Hastig seine Kleider und Waffen ergreifend und sie mit solcher Eile anlegend, als Dunkelheit und Ueberraschung gestattete, ward seine Aufmerksamkeit durch ein Klopfen an die Thür seines Gemachs rege gemacht. Da Quentin nicht sogleich antwortete, war die Thür, die nicht besonders fest war, von außen mit Gewalt erbrochen, und der Eindringende, den sein eigenthümlicher Dialekt als den Zigeuner Hayraddin Maugrabin bezeichnete, erschien im Gemach. Eine Phiole, die er in der Hand hielt und mit einer Lunte berührte, entzündete eine dunkelrothe Flamme, mittelst deren er eine Leuchte ansteckte, die er aus dem Busen zog.

      »Das Horoskop Eures Schicksals,« sagte er ohne weitern Gruß nachdrücklich zu Durward, »beruht jetzt auf der Entschlossenheit einer Minute.«

      »Schuft!« gab Quentin zur Antwort, »wir sind von Verrätherei umringt, und wo Verrath ist, da mußt du dein

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