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gegenüber dem Fleck, wo der Totenkopf gezeichnet war, eine Figur, die mir zunächst einer Ziege ähnlich zu sein schien. Eine genauere Untersuchung überzeugte mich aber, daß sie ein Böckchen darstellen sollte.«

      »Haha!« rief ich, »ich habe natürlich kein Recht, über Sie zu lachen – eineinhalb Millionen sind eine zu ernsthafte Sache, um darüber zu spotten – aber Sie wollen doch nicht daraus ein drittes Glied in Ihrer Kette machen? Zwischen Piraten und einer Ziege werden Sie schwerlich eine Verbindung finden – Piraten haben, wie Sie wissen, nichts mit Ziegen zu tun. Die scheinen mir mehr für die Landwirtschaft von Interesse zu sein.«

      »Aber ich habe doch gerade gesagt, die Figur stellte keine Ziege dar.«

      »Nun denn, ein Ziegenböckchen – was mir ziemlich dasselbe zu sein scheint.«

      »Ziemlich dasselbe, aber doch nicht ganz«, sagte Legrand. »Vielleicht haben Sie schon einmal von einem Kapitän Kidd gehört, das englische Wort kid bedeutet Böckchen. Jedenfalls kam mir die Figur des Tieres wie eine Art scherzhafter oder hieroglyphischer Unterschrift vor. Ich sage Unterschrift, denn die ganze Stellung auf dem Pergament sah danach aus. Ebenso hatte der Totenkopf schräg gegenüber das Aussehen eines Stempels oder Siegels. Ich war aber bitter enttäuscht, weil alles andere fehlte – nämlich die Hauptsache der vermutlichen Urkunde, der erwartete Text.«

      »Sie hofften vermutlich, einen Brief zwischen Stempel und Unterschrift zu finden.«

      »Irgend so etwas. Tatsache ist, daß ich ein unbezwingliches Gefühl hatte, irgend ein riesengroßes Glück stehe mir bevor. Ich kann eigentlich nicht sagen, warum. Vielleicht war es schließlich mehr ein Wunsch als ein wirklicher Glaube – jedenfalls versichere ich Ihnen, daß Jupiters verrückter Ausspruch, der Käfer sei aus solidem Gold, einen starken Einfluß auf meine Idee ausübte. Und dann diese Folge von seltsamen Zufälligkeiten – das war so außerordentlich merkwürdig. Beachten Sie doch das ungewöhnliche Zusammentreffen, daß alle diese Dinge gerade an dem einzigen Tag im Jahr geschahen, als es genügend kalt zum Heizen war, und daß ohne das Hinzukommen des Hundes genau in jenem bestimmten Augenblick ich niemals etwas von dem Totenkopf gewahr geworden und damit auch nie in den Besitz des Schatzes gekommen wäre.«

      »Aber fahren Sie fort – ich vergehe vor Ungeduld.«

      »Also, Sie haben natürlich auch gehört von den vielen Geschichten, von den tausend unbestimmten Gerüchten über Geld, das irgendwo an der atlantischen Küste von Kidd und seinen Spießgesellen begraben sei. Irgendwie mußten diese Gerüchte natürlich ihren Grund haben. Und wenn sie sich so lange und so hartnäckig erhielten, so lag das nur daran, daß der vergrabene Schatz eben immer noch in der Erde lag. Hätte Kidd seine Beute nur für eine Zeit vergraben und sie nachher wiedergeholt, so würden die Gerüchte nicht in der bestimmten Form bis auf uns gekommen sein. Sie wollen auch beachten, daß die Geschichten nur von Goldsuchern, aber nie von Geldfindern erzählten. Hätte der Pirat sein Geld wieder bekommen, dann wäre die Geschichte zu Ende gewesen. Mir schien es, als ob irgend ein Zufall – vielleicht der Verlust eines Schriftstückes, das den Ort bezeichnete – ihn der Möglichkeit beraubte, sie wiederzufinden. Dieser Zufall war seinen Anhängern, die sonst vielleicht niemals etwas von dem vergrabenen Schatz erfahren hätten, bekannt geworden, und ihre natürlich fruchtlosen Versuche, ihn zu finden, hatten dann erst die Erzählungen veranlaßt, die jetzt so große Verbreitung gewonnen haben. Haben Sie je etwas davon gehört, daß irgend ein Schatz von Bedeutung an der Küste ausgegraben wurde?«

      »Nie.«

      »Aber es ist bekannt, daß Kidd ungeheure Schätze angesammelt hat. Ich hielt es daher für sicher, daß sie noch in der Erde lagen, und Sie werden schwerlich sehr erstaunt sein, wenn ich Ihnen erzähle, daß ich eine Hoffnung fühlte, die fast zur Gewißheit stieg, das so seltsam gefundene Pergament enthielte den verlorenen Bericht über die Schatzstelle.«

      »Aber wie gingen Sie weiter vor?«

      »Ich hielt das Pergament wieder ans Feuer, nachdem ich die Hitze verstärkt hatte, aber es erschien nichts. Dann kam mir der Gedanke, der Schmutzüberzug könnte etwas mit diesem Versagen zu tun haben, und ich reinigte das Pergament vorsichtig, indem ich warmes Wasser darüber goß. Hierauf legte ich es mit dem Schädel nach unten auf eine Pfanne von Eisenblech und setzte diese auf ein Holzkohlenfeuer. Nach einigen Minuten, als die Pfanne gehörig heiß geworden war, nahm ich den Fetzen heraus und fand ihn zu meiner unaussprechlichen Freude an verschiedenen Stellen mit Schriftzeichen bedeckt, die mir in Linien angeordnet zu sein schienen. Wieder legte ich ihn in die Pfanne und ließ ihn dort noch eine Minute liegen. Als ich ihn dann abnahm, war er ganz so, wie Sie ihn jetzt sehen.«

      Damit übergab mir Legrand das Pergament zur Besichtigung, nachdem er es wieder erhitzt hatte. Zwischen dem Totenkopf und der Ziege befanden sich in roter Tinte die folgenden, ungeschickt geschriebenen Schriftzeichen:

      53 XX + 305 ) ) 6 *; 4826 ) 4 X . ) 4 X ) ; 806 *; 48 + 876 0 ) ) 85; 1 X ( ; : X * 8 + 83 (88) 5* + ;

       46 ( ; 88 * 96 * ? ; 8 ) * X ( ; 485 ) ; 5 * + 2 : * X ( ; 4956 * 2 ( 5 * – 4 ) 878 * ; 4069285 ) ; )

       6 + 8) 4 X X ; 1 ( X 9 ; 48081 ; 8 : 8 X 1 ; 48 + 85 ; 4 ) 485 + 528806 * 81 ( X 9 ; 48 ; ( 88 ; 4 ( X ? 34 ; 48 ) 4 X ; 161 ; : 188 ; X ? ;

      »Aber«, sagte ich, indem ich ihm den Zettel zurückgab, »ich bin noch genau so im Dunkeln wie vorher. Wenn man mir alle Edelsteine von Golkonda für die Lösung des Rätsels aussetzte, ich wäre sicherlich nicht imstande, sie zu gewinnen.«

      »Und doch«, meinte Legrand, »ist die Lösung keineswegs so schwierig, wie Sie sich bei der ersten flüchtigen Betrachtung der Heichen vielleicht einreden. Diese Zeichen bilden, wie jeder sofort errät, eine Geheimschrift, das heißt, sie verbergen einen Sinn. Aber nach allem, was von Kidd bekannt ist, konnte ich mir nicht vorstellen, daß er imstande gewesen ist, eine sehr versteckte Chiffreschrift zu erfinden. Ich schloß daher sofort, daß dies eine ganz einfache Art sei – allerdings eine solche, die für den schlichten Verstand eines Seemanns ohne Schlüssel absolut unlösbar sei.«

      »Und Sie haben die Lösung wirklich gefunden?« »Mit Leichtigkeit. Ich habe andere gelöst, die zehntausendmal schwieriger waren. Durch Zufälligkeiten und eine gewisse Veranlagung bin ich dahin gekommen, mich für solche Rätsel zu interessieren, und ich glaube nicht, daß menschlicher Scharfsinn ein Rätsel erdenken kann, das nicht menschlicher Scharfsinn, wenn er richtig angewendet wird, wieder auflöst. Wirklich, nachdem ich die Schriftzeichen erst in einen lesbaren Zustand gebracht hatte, machte ich mir wegen der Entzifferung ihrer Bedeutung keine Sorgen mehr.

      Im vorliegenden Fall, wie in allen Fällen von Geheimschriften, war die erste Frage die nach der Sprache, in der sie geschrieben war. Denn die Art der Lösung hängt – wenigstens bei einfachen Chiffren – ganz von dem Charakter der betreffenden Sprache ab. Im allgemeinen bleibt einem hier nichts übrig, als so lange zu probieren – wobei man sich von der größeren Wahrscheinlichkeit leiten läßt –, bis man die richtige gefunden hat. Bei dieser Geheimschrift nun wurde alle Schwierigkeit behoben durch die Unterschrift. Der Wortwitz auf Kidd ist nur in englischer Sprache möglich. Wäre dies nicht gewesen, dann hätte ich meine Versuche in Spanisch oder Französisch begonnen, weil das die wahrscheinlichsten Sprachen sind, in der ein Pirat an der spanischen Küste ein solches Geheimnis niedergeschrieben hätte. So aber schloß ich, die Geheimschrift sei englisch.

      Sie sehen, daß es zwischen den einzelnen Wörtern keine Zwischenräume gibt. Hätte es solche gegeben, dann wäre die ganze Aufgabe sehr leicht gewesen. Ich hätte dann mit einer Sammlung und Untersuchung der kürzeren Worte begonnen, und wenn ich dann auf ein Wort mit einem einzelnen Buchstaben (das englische a oder I zum Beispiel) gestoßen wäre, dann hätte ich die Lösung bereits für gesichert gehalten. Da es aber keine Zwischenräume gab, mußte ich mir zunächst die häufigsten und die seltensten Buchstaben heraussuchen. Indem ich sie alle zählte, kam ich zu folgender Tabelle:

Das Zeichen 8 kommt 33 mal vor
; 26 mal vor

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