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Geistes durch die heitere Maske, mit der sie ihr Gesicht bedeckt hatte, und als hätte er sich selbst geschworen, ihr nicht einen Augenblick Freiheit zu lassen.

      Nanon hatte Migräne, Herr von Epernon wollte ihr nicht erlauben aufzustehen, um ihr Riechfläschchen zu holen, sondern holte es selbst.

      Nanon stach sich mit einer Nadel, wodurch plötzlich ein Rubin an der Spitze ihres zarten Fingers erschien; sie wollte in ihrem Necessaire ein Stückchen Rosataffet holen. Unermüdlich in seiner Zuvorkommenheit stand Herr von Epernon auf, schnitt das Stückchen Rosataffet mit verzweiflungserregender Geschicklichkeit ab und verschloß das Necessaire wieder.

      Nanon stellte sich, als wäre sie in tiefen Schlaf versunken; sogleich fing der Herzog auch an zu schnarchen; da öffnete Nanon ihre Augen wieder und versuchte es, im Schein der Nachtlampe, aus dem in der Nähe ihres Bettes und im Bereich ihrer Hand liegenden Leibrock des Herzogs dessen Schreibtafel zu ziehen; aber in dem Augenblick, wo sie bereits den Bleistift in ihren Fingern hielt und ein Blatt ausgerissen hatte, öffnete der Herzog ein Auge und sagte: »Was macht Ihr, mein Herzchen?« – »Ich suchte, ob kein Kalender in Eurer Schreibtafel wäre.«

      »Wozu?« – »Um zu sehen, auf welchen Tag Euer Namensfest fällt.«

      »Ich heiße Louis, und mein Namenstag fällt auf den 24. August, wie Ihr wißt; Ihr habt also gehörig Zeit, Euch darauf vorzubereiten.«

      Und er nahm ihr die Schreibtafel aus der Hand und steckte sie in seinen Rock.

      Verzweiflungsvoll drehte sich Nanon der Wand zu und erwartete den Tag mit begreiflicher Bangigkeit.

      Sobald dieser Tag am Gipfel der Pappelbäume zu erscheinen begann, erhob sich der soldatisch gewöhnte Herzog sofort, kleidete sich selbst an, um seine kleine Nanon nicht einen Augenblick zu verlassen, hüllte sich in einen Schlafrock und läutete, um zu erfahren, ob nichts Neues vorgefallen sei.

      Francinette übergab auf diese Frage ein Päckchen mit Depeschen, die in der Nacht ein Kurier gebracht hatte.

      Der Herzog fing an, sie zu entsiegeln, und las mit einem Auge; das andere Auge, dem der Herzog den verliebtesten Ausdruck zu geben suchte, verließ Nanon nicht.

      Nanon hätte den Herzog in Stücke zerrissen, wenn sie imstande gewesen wäre.

      »Wißt Ihr,« sagte der Herzog, nachdem er einen Teil der Depeschen gelesen hatte, »wißt Ihr, was Ihr tun solltet, liebe Freundin?« – »Nein, Monseigneur, aber wenn Ihr Befehle geben wolltet, so würde man sich danach richten.«

      »Ihr solltet Euren Bruder holen lassen. Ich erhalte soeben von Bordeaux einen Brief, der die von mir gewünschte Auskunft enthält; er könnte sogleich abreisen, und bei seiner Rückkehr hätte ich einen Vorwand, ihm das Kommando zu übergeben, um das Ihr mich für ihn gebeten habt.«

      Das Antlitz des Herzogs drückte das unzweideutigste Wohlwollen aus.

      »Auf,« sagte Nanon zu sich selbst, »Mut gefaßt! Ich darf hoffen, daß Canolles in meinen Augen lesen oder ein halbes Wort verstehen wird.«

      Dann antwortete sie laut: »Schickt selbst, mein lieber Herzog!« denn sie vermutete, der Herzog würde sie nicht gewähren lassen, wenn sie die Sache besorgen wollte.

      Der Herzog von Epernon rief Francinette und beauftragte sie, sich nach dem Gasthause zum Goldenen Kalbe zu begeben, ohne eine andere Instruktion, als die Worte: »Sagt dem Herrn Baron von Canolles, Fräulein von Lartigues erwarte ihn beim Frühstück.«

      Mit klopfendem Herzen erwartete Nanon die Rückkehr ihrer Zofe und das Eintreffen ihres Geliebten: Krampfhaft suchte sie nach Begrüßungsworten, die für den Herzog unverfänglich klängen und den Baron sofort über die Situation aufklären könnten, als Francinette allein mit der Nachricht wiederkam, der Baron von Canolles sei nicht mehr im Goldenen Kalb.«

      Der Herzog machte große Augen und wurde düster. Nanon warf den Kopf zurück und atmete auf.

      »Wie,« sagte der Herzog, »der Baron von Canolles ist nicht mehr im Gasthause zum Goldenen Kalb?« – »Du täuschest dich sicher, Francinette,« fügte Nanon hinzu.

      »Madame,« erwiderte Francinette, »ich wiederhole, was mir Herr Biscarros selbst gesagt hat.«

      »Er wird alles erraten haben, dieser liebe Canolles,« murmelte Nanon ganz leise. »Ebenso gescheit, ebenso gewandt, wie mutig und schön.«

      »Holt mir sogleich den Meister Biscarros,« sagte der Herzog mit der Miene seiner schlimmen Stunden; und »in jedem Betrug zuvorzukommen, sandte er lieber statt der Zofe seinen Kurier, indem er sagte: »Gehe zum Wirt zum Goldenen Kalb, sage ihm, er solle hierherkommen und den Küchenzettel zu einem Frühstück mitbringen. Gib ihm diese zehn Louisdor, damit er ein gutes Mahl bereitet. Vorwärts.«

      Courtauvaux, der Kurier, empfing das Gold und entfernte sich, um den Befehl seines Gebieters zu vollziehen.

      Er war ein Diener von gutem Hause, der sein Handwerk, wohl verstand. Er suchte Biscarros auf und sagte zu ihm: »Ich habe den gnädigen Herrn überredet, ein feines Frühstück bei Euch zu bestellen; er hat mir acht Louisdor gegeben, zwei behalte ich natürlich für die Kommission; hier sind sechs für Euch, kommt geschwind.«

      Zitternd vor Freude band Viscarros eine weiße Schürze um seine Hüften, steckte die sechs Louisdor ein, drückte Courtauvaux die Hand und eilte dem Kurier nach, der ihn im schnellsten Laufe nach dem kleinen Hause führte.

      Seine Schürze artig in den Gürtel zurückgeschlagen und die Mütze in der Hand, trat er ein.

      »Ihr habt gestern einen jungen Edelmann bei Euch, gehabt,« sagte Nanon, »den Herrn Baron von Canolles, nicht wahr?«

      »Was ist aus ihm geworden?« fragte der Herzog.

      Sehr in Unruhe, denn der Kurier und die sechs Louisdor ließen ihn ahnen, daß eine große Person unter dem Schlafrock verborgen war, antwortete Biscarros anfangs ausweichend: »Gnädiger Herr, er ist abgereist.«

      »Abgereist,« sagte der Herzog, »wirklich abgereist?« – »Wirklich abgereist.«

      »Wohin ist er gegangen?« – »Das kann ich nicht sagen, denn in Wahrheit, ich weiß es nicht, Madame.«

      »Ihr wißt wenigstens, welchen Weg er eingeschlagen hat?« – »Den Weg nach Paris.«

      »Um wieviel Uhr hat er diesen Weg eingeschlagen?« – »Gegen Mitternacht.«

      »Und ohne etwas zu sagen?« – »Ohne etwas zu sagen; er hat nur einen Brief zurückgelassen, mit dem Befehl, ihn an Fräulein Francinette zu übergeben.«

      »Und warum habt Ihr den Brief nicht abgegeben, Schuft?« sagte der Herzog. »Ist das Eure Achtung vor dem Befehle eines Edelmannes?« – »Ich habe ihn übergeben, gnädiger Herr.«

      »Francinette!« rief der Herzog.

      Francinette, die horchte, machte nur einen Sprung aus dem Vorzimmer ins Schlafzimmer.

      »Warum hast du den Brief deiner Gebieterin nicht übergeben, den Herr von Canolles für sie zurückließ?«

      Ein doppelter Blitz schoß aus Nanons Augen auf den Wirt und erdolchte ihn gleichsam in seiner Ecke.

      Der Unglückliche schwitzte große Tropfen und hätte gern die Louisdor gegeben, die er in seiner Tasche hatte, hätte er dafür mit dem Stiel einer Kasserolle in der Hand vor seinem Herde gestanden.

      Während dieser Zeit nahm der Herzog den Brief, öffnete ihn und las. Solange er las, stand Nanon kälter und bleicher als eine Bildsäule da und fühlte kein Leben mehr in ihrem Herzen.

      »Was bedeutet dieses verwirrte Geschreibsel?« sagte der Herzog.

      Nanon begriff nach diesen paar Worten, daß der Brief sie nicht gefährdete, und erwiderte: »Lest laut, ich kann es Euch vielleicht erklären.«

      »Teure Nanon,« las der Herzog.

      Und nach diesen Worten wandte er sich nach der jungen Frau um, die sich immer mehr beruhigte und seinen Blick mit bewunderungswürdiger

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