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Heilige und Gesegnete. Aurelia Dukay
Читать онлайн.Название Heilige und Gesegnete
Год выпуска 0
isbn 9783754174968
Автор произведения Aurelia Dukay
Жанр Языкознание
Серия Commissario Caterina Calanca
Издательство Bookwire
Der Notarztwagen war bereits eingetroffen und die Forensik hatte mit der Sicherung des Tatorts begonnen.
Der leicht übergewichtige Mann lag bäuchlings mit gespreizten Beinen neben der Kreuzung. Die anthrazitfarbene Bundfaltenhose und das weiße Hemd waren in eine Blutlache getaucht. Augen und Mund waren weit geöffnet in einem erstarrten Ausdruck des Schreckens, dessen einheitliche Linie nur an den Lippen von einem daran klebenden Zigarillo unterbrochen wurde. An seinem Hinterkopf klaffte eine enorme Wunde, die grauen Haare verklebt mit Blut, das vom Hals herunter in den Rinnstein floss.
Solange die Spurensicherung noch ihre Fotos machten, konnte die Kommissarin nur am Rande zusammen mit dem Gerichtsmediziner Professore Mariano Monte warten, während Tommy die undankbare Aufgabe der Zeugenbefragung übernahm.
Keine Spur von der Tatwaffe. Zumindest war es das, was Caterina schon aus der Ferne erkennen konnte. Und natürlich wieder Schaulustige, Kameras, Äußerungen der Bestürzung hinter den Absperrungen.
„Diesmal kannst du dich nicht vor der Presse drücken, Commissario“, sagte Tommy als er wieder zu ihr zurückkam.
„Gib mir Details, Tommy. Wo zum Henker ist Ugo?“
„Ich vermute er ist hier irgendwo und befragt ebenso Zeugen“, sagte Tommy.
„Ich rufe ihn an!“ Caterina nahm ihr Handy und das Telefon läutete ein, zwei, drei, vier Mal.
„Pronto, Commissario!“
„Ugo, wo steckst du?“
“Beim Buchhalter, Commissario.”
“Beim Buchhalter! Wir haben einen Mord und du bist beim Buchhalter?“
„Entschuldigung, Commissario, ich komme sofort.“
Caterina warf Tommy einen wütenden Blick zu. Der zuckte mit den Schultern.
„Nimm es mit Philosophie, mit Lebensart, Commissario.“
„Darüber reden wir noch“, zischte sie. Sie wusste von Ugos Wettsucht und dass Tommy ihn deckte. Aber das ging zu weit.
„Also Tommy, was weißt du bisher. Wer war der Mann?“
Als Caterina vor die Kameras trat, dankte sie Gott, dass sie zuvor beim Friseur gewesen war. Mit einigen Handgriffen zupfte sie ihre Haare zurecht, setzte eine souveräne Miene auf und wartete, bis die unzähligen Mikrofone und Diktiergeräte unangenehm nah an ihren Mund fuhren. Tommy stand stramm neben ihr wie ein General und machte ein bedeutungsvolles Gesicht, was ihm später im Kommissariat den Spott der Kollegen einbringen sollte. Es wurde still, nur das leise Knipsen der Fotoapparate war noch zu hören. Hoffentlich machte sie keinen Fehler bei ihrem Debüt. Ruf und Glaubwürdigkeit standen auf dem Spiel. Sie kannte diesen Politiker nicht, unmöglich nach so kurzer Zeit. Sie hatte keine andere Wahl, als auf Tommys Informationen zu vertrauen.
Die Kameras liefen, sie war angespannt, als ob gleich etwas Aufregendes passieren würde. Drei, zwei, eins -
„Wir können loslegen“, sagte einer der Kameramänner und das Wort ging an Caterina, die versuchte, trotz der Anspannung ihre Stimme zu kontrollieren.
„Ein Mann wurde heute Nachmittag auf offener Straße ermordet. Nach den ersten Ermittlungen – und ich betone, es handelt sich nur um erste Vermutungen - verlief der Tathergang wie folgt:
Um circa 15.45 verließ das Opfer den Tabakladen auf der Via del Pistacchio und lief in Richtung Piazza Europa, als sich der Täter, vermutlich auf einem motorisierten Fahrzeug, dem Opfer von hinten näherte und ihn mit einem noch undefinierten Gegenstand auf den Hinterkopf schlug. Das Opfer fiel bewusstlos nieder. Als der Krankenwagen eintraf, erlag er bereits seinen Verletzungen. Dank seines Ausweises konnten wir das Opfer identifizieren: Es handelt sich um Kommunalpolitiker Amerigo Della Porta. Das ist alles, vielen Dank!“
Ein großes Raunen ging durch die Menge. Einige, vermutlich die
Agenturjournalisten, zückten ihre Handys und riefen in den Redaktionen an. Nur wenige Minuten später war die Schlagzeile im Netz, sodass die Polizisten Mühe hatten, die ankommenden Gaffer vom Tatort fernzuhalten.
Der Bezirksstaatsanwalt hatte derweil alle Autoritäten informiert, und so füllte sich die kleine Nebenstraße rasch mit unzähligen kondolierenden Persönlichkeiten: erst kam der Polizeipräsident, dann der Oberstaatsanwalt dicht gefolgt vom Bürgermeister. Obwohl „nur“ ein Kommunalpolitiker, musste das Opfer, angesichts des Aufmarsches, eine einflussreiche Persönlichkeit gewesen sein, dachte sich Caterina und wurde sich der öffentlichen Bedeutung ihres ersten Falls in dieser Stadt erst richtig bewusst.
Das wusste auch Polizeipräsident Visconte, der – überzeugt davon, dass Frauen im Chanel-Kostüm an die Seite von uniformierten Männern und nicht in die Uniform selbst gehörten – als Erster vor Ort war. Er kam, begleitet von einem Oberstleutnant, dem Kabinettschef und dem Pressesprecher, direkt auf Catarina zu.
„Commissario, das ist eine entsetzliche Tragödie, der Abgeordnete war ein wichtiger Mann. Ein großer Verlust für die Politik. Dieser Fall hat oberste Priorität, und ich will über jeden Schritt der Ermittlungen informiert werden. Soll ich Ihnen einen Ermittler an die Seite stellen, Commissario, einen Mann mit viel Erfahrung?“
Caterina kniff die Augen zusammen, ihr Magen wurde hart wie Stein. Dass sie ihre Wut hinter einem ausdruckslosen Gesicht verbergen konnte, verdankte sie den unzähligen Poker-Turnieren, an denen sie regelmäßig teilnahm.
„Danke, Questore, sehr großzügig, aber ich denke, mein Ermittlerteam ist bestens gerüstet.“ Sie setzte ein souveränes Lächeln auf.
„Mein Angebot gilt Commissario, überlegen Sie es sich. Ich dulde kein Versagen. Und gehen Sie diskret vor, sehr diskret.“
„Aber natürlich Questore, Sie haben mein Wort.“
„Und keinen Ton zur Presse, ohne es mit mir abgesprochen zu haben!“
Dann wandte sich der Polizeipräsident ab, um mit ernstem Gesicht tröstende Worte an die dazugekommenen Familienangehörigen zu richten, er versicherte den Presseleuten den vollen Einsatz der Ermittler, sagte dem Oberstaatsanwalt seine Kooperationsbereitschaft zu und während der Questore sich mit dem noch ungläubigen Bürgermeister unterhielt, kam eine weitere Menschentraube angetrabt, die größte und wichtigste von allen. In ihr erkannte Caterina ihren Helfer vom Markt und wusste nun zu wem er gehörte: Regionalpräsident Santo Rey, der mächtigste Mann der Region.
5. Sackgasse
Alcide de Gasperis Statue warf ihren Schatten in der Abendsonne über die Piazza Europa bis zum Eingang des Rathauses. Der Blick des Staatsmannes fixierte herrisch das antike Kommunalgebäude, wo Ugo wenige Meter vor den Treppen stand, die von Wachen gesäumt zum großen Tor führten. Etwas beschämt wegen seiner Zockerei war Ugo eifrig bestrebt alles auszubügeln. Er ging mit geschwollener Brust und bedächtigen Schritten auf die Wachen zu, denen er seine Dienstmarke zeigte. Die Wachen salutierten vor dem Ispettore und ließen ihn ein.
Seine Befragungen ergaben, dass das Opfer sich, bevor es ermordet wurde, auf dem Weg zu einer Debatte über die Neugestaltung der Piazza Europa befunden hatte. Die Mittel dafür waren bereits bewilligt worden, es ging darum, das Projekt einer der konkurrierenden Genossenschaften zuzuteilen.
De Gasperi sollte durch eine Bronzestatue von einem hiesigen, ruhmreichen General oder Schriftsteller ersetzt werden, sogar von einem preisgekrönten Fußballspieler war die Rede. Der Platz sollte umbenannt werden in Piazza Autonomia und der umstrittene Borbonenbrunnen verlegt werden. Viele waren dagegen, da dieser Brunnen mehr Autonomiebewusstsein wachrief, als der Name der